Im Mittelpunkt der 28. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses stand die Tätigkeit des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Thematisch ging es um den Anschlag in der Keupstraße im Juni 2004 sowie um die Einschätzungen, Erkenntnisse und Erkenntniszugänge des NRW-Verfassungsschutzes (Abteilung 6 im Ministerium für Inneres und Kommunales) über und in die Dortmunder Neonazi-Szene in der Zeit vor dem Mord an Mehmet Kubaşık im April 2006. Geladen waren zwei (ehemalige) Mitarbeiter_innen der Abteilung 6/Verfassungsschutz des Ministeriums für Inneres und Kommunales:
- Cornelia de la Chevallerie, 2001-2006 Gruppenleiterin in der Abteilung 6
- Uwe Reichel-Offermann, 2003-2010 Referatsleiter Observationen, Abteilung 6
Vor Beginn der Zeugenvernehmungen erinnerte der Vorsitzende Sven Wolf (SPD) an die Ermordung von Mehmet Turgut, der am 25.02.2004 in Rostock erschossen wurde. „Ihm“, so Wolf, „seinen Angehörigen, sowie derjenigen aller Opfer des NSU gilt unser Erinnern und unser Mitgefühl.“
Vernehmung de la Chevallerie
Die zuerst gehörte Zeugin Cornelia de la Chevallerie leitet heute die Abteilung 7 (Gefahrenabwehr) im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW. Seit 2001 war sie Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz, womit ihr sowohl die Referate „Auswertung Linksextremismus/-terrorismus“ und „Auswertung Rechtsextremismus/-terrorismus“ als auch das „Referat Beschaffung“ unterstanden. Letzteres ist für die Anwerbung und Führung von V-Personen zuständig. Neben der von de la Chevallerie geleiteten Gruppe existierte noch eine weitere Gruppe, der unter anderem das Referat für „Ausländerextremismus“ untergeordnet war. In der Hierarchie der Verfassungsschutzabteilung ist den beiden Gruppenleiter_innen nur noch der Abteilungsleiter – zum damaligen Zeitpunkt Dr. Hartwig Möller – übergeordnet.
Cornelia de la Chevallerie wechselte im Jahr 2001 zum Verfassungsschutz NRW. Mit dem Bombenanschlag in der Probsteigasse in Köln seien sie und ihre Abteilung aber nicht befasst gewesen, so die Zeugin, da von Seiten der Polizei keine Anfragen an den Verfassungsschutz gestellt worden seien. Dies wäre aber jeweils die Voraussetzung dafür gewesen, dass der Verfassungsschutz aktiv werden könnte, da er keine Ermittlungsbehörde sei, sondern lediglich beobachtende Funktion habe. Formal laufe solch ein Kontakt dann zwischen dem polizeilichen Staatsschutz und dem Auswertungsreferat. Sie selbst sei auch erst nach dem Anschlag zum Verfassungsschutz gewechselt.
Leider konfrontierte kein Mitglied des PUA die Zeugin mit einer Erkenntnis aus einer vorangegangenen Sitzung: In der Sitzung vom 1. Dezember 2015 wurde durch einen Vorhalt bekannt, dass es am 19. Januar 2001 sehr wohl eine Erkenntnisabfrage seitens des PP Köln gab, die auch an den NRW-Verfassungsschutz adressiert war. Allerdings fanden die Abgeordneten diese Abfrage nur in den Akten des BfV. Der befragte Referatsleiter der „Auswertung Rechtsextremismus“, also eines direkt der Gruppenleiterin de Chevallerie unterstellten und dieser berichtenden, leitenden Mitarbeiters konnte sich nicht erinnern, eine solche Abfrage erhalten zu haben. Auch er hatte in der Ausschusssitzung Anfang Dezember 2015, wie nun die Zeugin de la Chevallerie, seine damalige Vorgesetzte, ebenfalls angegeben, nie mit dem Anschlag befasst worden zu sein. http://nrw.nsu-watch.info/778-2/
Mit dem Anschlag in der Keupstraße befasste sich der Verfassungsschutz nach Aussage von de la Chevallerie von Beginn an. Schon am Nachmittag des Anschlages habe es eine Versammlung gegeben, auf der über das mögliche Anschlagsmotiv diskutiert worden sei, so die Zeugin. Die Beschaffungsreferate für Links- und Rechtsextremismus, Islamismus und Ausländerkriminalität seien beauftragt worden, Quellenbefragungen zu veranlassen. Es sei in alle Richtungen ermittelt und ein politisches Motiv in Betracht gezogen worden – sonst wäre der Verfassungsschutz nicht in die Informationsbeschaffung integriert gewesen. Der Austausch mit dem LKA und dem zuständigen Polizeipräsidium habe aber keine Erkenntnisse in Richtung Rechtsextremismus ergeben. Die Ergebnisse aus den Quellenbefragungen hätten erst später vorgelegen. Allerdings seien hierzu dann „für den Bereich Rechtsextremismus keine Erkenntnisse gekommen von den Quellen“.
De la Chevallerie berichtete, dass es seit Ende 2000 eine Welle rechter Gewalttaten gegeben habe. Vor allem nach dem geplanten Anschlag von Martin Wiese in München im Jahr 2003 – dem „Fall Wiese“, wie de la Chevallerie voraussetzungsreich formulierte, habe man sich intensiv mit dem Thema Rechtsterrorismus auseinandergesetzt. In NRW aber habe man keine konkreten Hinweise auf Rechtsterrorismus gesehen, obwohl es auch hier Personenkreise gegeben habe, die durch Gewalttaten aufgefallen seien und man von der Affinität von Neonazis zu Waffen wisse. Seit dem „Fall Wiese“ hätten sie sich beim NRW-Verfassungsschutz verstärkt Personengruppen und Einzelpersonen angeschaut, eben wegen jenen „verstärkten Gewalttaten“. Aber es habe „nur Gerüchte“ gegeben.
Und so hätten auch die Quellenbefragungen zum Anschlag in der Keupstraße keine konkreten Erkenntnisse zu dem Anschlag gebracht, so die Zeugin. Man habe auch „festgestellt und zusammenfasst“, dass der Anschlag in der Keupstraße nach ihrer Beurteilung „noch wesentlich schlimmer gewesen wäre, wenn er aus diesem [dem „rechtsextremistischen“]Bereich gekommen wäre.“
Die Zeugin berichtete, dass ein Bericht des Staatsschutzes zu dem Ergebnis gekommen sei, dass kein fremdenfeindlicher Hintergrund vorliegen würde. Es sei dann in Richtung „Organisierte Kriminalität“ und „Ausländerkriminalität“ ermittelt worden. Als die Zeugin die Bildern der VIVA-Überwachungskameras gesehen habe, habe sie sich nach eigener Aussage gewundert, dass die Täter nicht „wie Türken“ ausgesehen hätten. Man habe aber akzeptiert, dass der Staatsschutz von „Organisierter Kriminalität“ ausginge und dies nicht weiter hinterfragt, was sie sich heute vorwerfen würde, so de la Chevallerie. Auf Nachfrage sagte die Zeugin, dass sie nicht wisse, ob man den Quellen auch die Viva-Überwachungsvideos oder die Fahndungsfotos gezeigt habe.
Die Zeugin betonte mehrfach, dass sich die für Islamismus und Ausländerkriminalität zuständige Gruppe federführend mit dem Keupstraßenanschlag befasst habe. Nicht ihre Gruppe, die für „Linksextremismus/-terrorismus“ und „Rechtsextremismus/-terrorismus“ zuständige Gruppe, sei es gewesen, die die Informationsbeschaffung und deren Auswertung angeleitet habe. Die Mitarbeiter_innen der anderen, u.a. für „Ausländerkriminalität“ zuständigen Gruppe hätten auch im Austausch mit der Ermittlungskommission des PP Köln gestanden. Es habe „etliche Nachfragen zum Bereich Ausländer“ gegeben, die aber ergebnislos geblieben seien. Die Zeugin sagte, dass sowohl sie persönlich als auch die Mitarbeiter_innen ihrer Gruppe, die u.a. mit Rechtsextremismus/-terrorismus befasst waren, keinen Kontakt zur Ermittlungskommission des Kölner Polizeipräsidiums gehabt hätten.
Bis dahin versuchte die Zeugin die Verantwortung an andere Stellen abzugeben – sei es an den Staatsschutz und die Ermittlungskommission der Kölner Polizei, sei es an die zweite Gruppe innerhalb des Verfassungsschutzes. Die Zeugin hatte aber selbst maßgeblichen Anteil daran, dass die Polizei nicht in Richtung Rechtsterrorismus ermittelte, weil sie ein bereits mehrfach im PUA thematisiertes Schreiben (Dossier) des BfV nicht an die Polizei weiterleitete. In dem einen Monat nach dem Anschlag erstellten Dossier schrieb das BfV: „Der Anschlag in Köln erinnert wegen der Verwendung einer Nagelbombe und des Tatortes in einem vorwiegend von Ausländern bewohnten Stadtteil“ an die Londoner Anschlagsserie des David Copeland im Jahr 1999. Das Dossier kommt zu dem Schluss, dass ein rechtsterroristischer Hintergrund der Taten denkbar sei. Das Dossier enthielt auch die Namen von vier Neonazis aus dem Großraum Köln, denen das BfV eine Beteiligung an dem Anschlag zutraute. Die Personalien eines dieser Männer mit dem Namen Timm R. teilte das BfV direkt der Kölner Ermittlungskommission mit, weil dieser Neonazi wegen eines Sprengstoffdelikts vorbestraft war. (Abschlussbericht PUA Bericht, S.722ff)
Der Vorsitzende Wolf führte aus, dass in dem BfV-Dossier auch der Anschlag in der Probsteigasse erwähnt und ein Bezug zu „Combat 18“ hergestellt werde. Die Zeugin de la Chevallerie bestätigte, dass ihr dieses Schreiben vorgelegt worden sei. Wie es dazu kommen konnte, dass ausgerechnet dieses Dossier, dass der Vorsitzende Wolf als „einzigen Lichtblick im gesamten NSU-Komplex“ bezeichnete, nicht weitergeleitet wurde, konnte de la Chevallerie nicht schlüssig erklären. Sie flüchtete sich in der Folge in absurde Ausreden mit dem Tenor, dass nicht sie die Verantwortung für die Nicht-Weiterleitung des Schreibens trage.
Die Zeugin behauptete, aus einem Satz in dem Schreiben geschlussfolgert zu haben, dass der Verfasser vom BfV den Inhalt des gesamten Dossiers an die Polizei weitergeleitet habe. Ihre im PUA ausgesprochen hartnäckig vertretene Auffassung, dass es keinerlei Veranlassung für sie als Gruppenleiterin gegeben habe, das Dossier der Polizei zur Kenntnis für deren Ermittlungen zu geben, habe sich für sie daraus ergeben, dass dem Dossier im Zusammenhang mit dem Namen eines der hier erwähnten vier Neonazis zu entnehmen gewesen sei, dass diese Erkenntnisse der Polizei direkt zugeführt worden seien. Diese Aussage konnten die Mitglieder des PUA nicht nachvollziehen, da sich der von der Zeugin angeführte Satz in ihren Augen eindeutig ausschließlich auf Informationen zu der Person Timm R. bezog.
Dass die Zeugin ausgerechnet an der Stelle des BfV-Dossiers, wo es um die Informierung der Polizei Köln über Timm R. geht, denn handschriftlichen Kommentar „Wessen Aufgabe ist das?“ notierte, konnte de la Chevallerie nicht wirklich erklären. Ebenso wenig, warum man davon ausgegangen sei, dass der Verfasser das Dossier selbst weitergeleitet habe, obwohl der offizielle Dienstweg zunächst die Zustellung an den Verfassungsschutz NRW vorsah, welchem dann auf dem Dienstweg wiederum die Aufgabe zukommt, die Polizei zu informieren. Mit der Abteilungsleitung sei der Vorgang nicht besprochen worden, so die Zeugin. Eine Rückfrage an das BfV habe es nicht gegeben.
Die Inhalte des BfV-Dossiers bezeichnete die Zeugin als „abstrakt“ und behauptete, dass sie mit Ausnahme der vier Namen keinerlei Ermittlungsansätze gesehen habe. Was die Namen der Neonazis angehe, da sei sie halt davon ausgegangen, dass das BfV diese an die Polizei weitergeleitet habe. In der Abteilung 6 habe man die vier aufgeführten Personen selbst überprüft, diese Überprüfung habe aber keine Ergebnisse erbracht. Die Abgeordneten machten deutlich, dass sie den Inhalt des Dossiers alles andere als „abstrakt“ sondern als Hinweis darauf, in Richtung Rechtsterrorismus zu ermitteln, bewerteten.
Durch einen Vorhalt wurde während der Sitzung bekannt, dass einer der vier im Dossier aufgeführten Neonazis namens Sascha H. in der Rasterfahndung der Kölner Polizei festgestellt wurde. Da der Verfassungsschutz NRW der Polizei aber das Dossier vorenthielt, war eine tiefgehendere Überprüfung der Person offenbar jedoch nicht erfolgt. Der Kölner Polizei fehlte hier die schlicht die Information des BfV, dass es sich bei dem ins Raster geratenen Mann um einen der vier Neonazis handelte, den man im Bundesamt eine Tat wie den Anschlag in der Keupstraße zutraute.
Die Zeugin sagte auch aus, dass die Bombenanschläge in London im Jahr 1999 bei den Verfassungsschutzbehörden bereits im Jahr 2003 ein Thema gewesen seien. Sie habe aber in Erinnerung, dass der Täter David Copeland ein Einzeltäter gewesen sei und dass es keinen Bezug zu „Combat 18“ gegeben habe. Man habe die Parallelen zum Anschlag in der Keupstraße gesehen, im Polizeipräsidium habe man aber die Meinung vertreten, dass es hunderte von Bombenbauanleitungen gäbe, die in der Szene kursiert sein könnten. Daher wäre ein rechter Bezug nicht unbedingt gegeben gewesen.
Die Broschüre „Stormer“ mit der Anleitung zum Bau von Nagelbomben sei bekannt gewesen, aber konkrete Bezüge zu C18-Strukturen habe man nicht gesehen, so die Zeugin. Über die frühe Festlegung des Staatsschutzes, dass es keinen rechtsextremen Hintergrund gäbe, habe man sich gewundert, auf Nachfragen seien aber keine Hinweise auf die rechte Szene gekommen. Dass man sich damals damit zufrieden gegeben habe, sähe sie heute selbstkritisch. Von Observationen in der Keupstraße am Tag des Anschlages sei ihr nichts berichtet worden. Ihr sei nichts von Überwachungen auf der Keupstraße, etwa durch Zivil-Beamte, bekannt.
Frau de la Chevallerie präsentierte im Laufe der Vernehmung noch eine weitere Ausrede, warum sie das BfV-Dossier gar nicht an die Polizei habe weiterleiten können. Diesmal musste der Geheimschutz als „Erklärung“ herhalten. Das Schreiben des BfV sei als „VS-Vertraulich“ eingestuft gewesen, so die Zeugin. Somit sei der Verfasser, also das BfV, für die Weiterleitung zuständig gewesen. Der Vorsitzende Sven Wolf bestätigte, dass die herausgebende Stelle grundsätzlich über die Weiterleitung eines Dokuments bestimme. Die weitere Vernehmung machte allerdings deutlich, dass der Sachverhalt bei dem angesprochenen Dossier insofern anders ist, als dass der Zeugin ein interner Vermerk aus der BfV-Akte präsentiert werden konnte. Hier handelte es sich um eine Notiz, in der der zuständige Abteilungsleiter des Bundesamtes bestimmte, dass der NRW-Verfassungsschutz eine Ausfertigung des Dossier mit der „Anregung“, die Polizei entsprechend zu informieren, erhalten solle.
Monika Düker (Bündnis 90/Die Grünen) verwies zudem darauf, dass unter jedem Absatz des Dossiers ein niedrigerer Verschlusssachengrad angegeben sei. Dies zeige, dass die Informationen aus dem Schreiben weitergeleitet werden sollten. Düker sagte, ihrer Kenntnis nach könnten Informationen des Verfassungsschutzes mit dem Verschlusssachengrad „NfD – nur für den Dienstgebrauch“ problemlos an die Polizei weitergeleitet werden.
De la Chevallerie beharrte darauf, dass sie einerseits davon ausgegangen sei, das BfV habe die Polizei bereits informiert und andererseits aufgrund der Einstufung als Verschlusssache das Dokument ohnehin gar nicht hätte weiterleiten dürfen. Auf Nachfrage sagte sie aus, dass sie sich nicht beim BfV zum Umgang mit dem Dossier erkundigt habe, da sie ja sicher gewesen sei, dass das Dossier bereits weitergeleitet worden sei. Serap Güler (CDU) fragte hier beharrlich nach: sie könne den Erklärungen der Zeugin nicht so recht folgen. Ihr sei nicht verständlich, dass die Gruppenleiterin sich zu keinem Zeitpunkt „die Mühe gemacht“ habe, beim Polizeipräsidium in Köln einmal nachzufragen, ob das Dossier dort zur Kenntnis gelangt sei. Auch sei die Zeugin offenkundig nicht auf die Idee gekommen, den Verfasser der Schrift, den BfV-Mitarbeiter, zu kontaktieren und zu fragen, ob dieser das Dossier bereits an die Polizei weitergegeben habe. Güler erinnerte hier an die Dimensionen des Anschlages in der Keupstraße. 21 Menschen seien hier zum Teil. erheblich verletzt worden, hätten tot, hätten ermordet worden sein können. Hier habe man es offensichtlich nicht damit zu tun gehabt, dass jemand eine Papiertonne anzünde. Ein „gravierender Fehler“ sei es, so Güler, gewesen, dass der Verfassungsschutz NRW das Dossier des BfV nicht weitergegeben haben. Dies sei ihre, Gülers, Einschätzung und sie sei sich sicher, hier auch für viele Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss sprechen zu können.
Die CDU-Fraktion thematisierte im Weiteren die 2004 erstellte Broschüre „BfV Spezial 21“, welche die Gefahr eines bewaffneten Kampfes durch Rechtsterroristen zum Thema hat und in dem auch das untergetauchte Jenaer Trio namentlich erwähnt wird. Die Zeugin sagte aus, dass die Abteilung 6 diese Broschüre erst im Jahr 2005 erreicht habe. Die frühere Version „Spezial 19“ war 2004 an alle Landesämter zugestellt worden. Die Broschüre sei in die Arbeit einbezogen worden, behauptete de la Chevallerie.
Die Zeugin berichtete weiter, dass der Verfassungsschutz NRW in die Erstellung dieser „Spezial“-Broschüre insofern einbezogen war, als dass ein vom BfV übersandter Fragenkatalog zu Personen, Waffenfunden und militanten Abspaltungen von Kameradschaften beantwortet worden sei. Es sei eine Liste von Personen erstellt worden, die überprüft wurden und zu denen Quellen befragt wurden. Es habe eine gewaltnahe Szene gegeben, in der „Hass und Theorien“ als „Versatzstücke“ gängig waren, es habe aber keine Hinweise auf konkrete Taten gegeben.
In „Spezial 21“ seien zwar Taten wie die Jenaer Rohrbombe erwähnt worden, wie auch die Namen Zschäpe und Böhnhardt. Man habe aber nur wahrgenommen, dass die Gruppe 1998 abgetaucht wäre. Aus heutiger Sicht sei das verharmlosend gewesen, Bezüge seien damals aber nicht zu sehen gewesen. Wieder versuchte die Zeugin in diesem Zusammenhang die Verantwortung an Andere abzuschieben: Sie könne sich nicht erinnern, dass das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz weitergehende Informationen zu dem Trio geliefert habe.
Die Abgeordneten fragten die Zeugin auch zur Neonazi-Szene in Dortmund und zu deren Verbindungen zu „Combat 18“. Auch hier äußerte sich de la Chevallerie äußerst wortkarg und erweckte den Eindruck, dass sie sehr wohl mehr Informationen hatte, sich aber nicht äußern wollte.
Die Dortmunder Szene wurde durch den VS intensiv beobachtet, insbesondere die internationale Vernetzung nach Belgien und Holland und die Vernetzung in der Musikszene. Es habe sich aber nicht um abgeschlossene Gruppen gehandelt, es habe eine Vermischung mit der Musikszene gegeben. Dann wich die Zeugin der Frage weiter aus und erzählte, dass Projekte wie die Schulhof-CD das Mittel der „Rechtsextremisten“ gewesen seien, an junge Menschen heran zu kommen. Man habe es als Aufgabe gesehen, darüber aufzuklären. Es sei aber schwierig gewesen, z.B. an Schulen akzeptiert zu werden, sodass man hier etwaige Widerstände erst hatte überwinden müssen. Denn in der Geschichte des Verfassungsschutzes sei dieser ja mitunter als Organisation der „Schlapphüte“ gesehen worden, „gewisse Vorurteile“ hätte es hier fortlaufend gegeben. Es habe aber seitens des Verfassungsschutzes 100 Vorträge pro Jahr gegeben. Die Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz Dortmund sei sehr eng gewesen insbesondere bezüglich der Verfahren gegen „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“, so de la Chevallerie.
Die Zeugin sagte aus, dass sie keine konkreten Hinweise auf C18-Strukuren gehabt hätten. Viele hätten sich des Labels als „Marketing“ bedient, um z.B. CDs besser verkaufen zu können. Es habe auch ideologische Übereinstimmungen gegeben, aber keine Hinweise auf eine konkrete Umsetzung. Observationen hätten keine Hinweise ergeben, auch die Befragung von Inhaftierten nicht.
Die Gewaltbereitschaft sei in Dortmund hoch gewesen, es seien aber oftmals Auseinandersetzungen zwischen Rechts und Links gewesen. Es habe aber keine Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zu Mordanschlägen gegeben, so die Einschätzung des Verfassungsschutzes in NRW, wie die Zeugin de la Chevallerie sie an diesem Untersuchungsausschuss-Tag zu berichten hatte. 2013 wurden vom BfV 13 Personen genannt, die in Bezug auf C18 überprüft worden seien. Hierzu wurden auch Quellen befragt und ab 2004 sei das combat18.org-Forum durch das BfV beobachtet worden. Aber Strukturen in Dortmund habe es nicht gegeben.
Als die Grünen-Abgeordnete Verena Schäffer die Zeugin mit einer Aussage Sebastians Seemanns konfrontierte, in der dieser im November 2011 der Polizei berichtete, dass Gottschalk vor 5 Jahren in Dortmund eine C18-Zelle aufbauen, wollte, die sieben Personen umfasste und sich an den „Turner Diaries“ orientierte, musste de la Chevallerie eingestehen, dass sie diese Information bereits 2006 gehabt hätten – aber natürlich nicht derart detailliert, wie sie anfügte. Damit hatte de la Chevallerie doch indirekt zugegeben, dass der Verfassungsschutz bereits damals über die Existenz einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund informiert war.
Die Piraten hielten de la Chevallerie vor, dass nicht eine Vielzahl von Gruppen „Combat 18“ als „Marketing-Label“ benutzt hätten, sondern, dass es sich lediglich um die Gruppen und Bands um Gottschalk handelte. Die Piraten-Fraktion fragte konkret nach: 2003 sei der Inhaftierte Carsten Jährling vom Innenministerium im Gefängnis befragt worden, so die Obfrau Birgit Rydlewski. Von welchem Innenministerium und zu welchem Inhalt? Dies sei das NRW-Innenministerium gewesen, so die Zeugin. Weitere Aussagen dürfe sie zu diesem Thema nicht machen, da sie eine Aussagebeschränkung habe und die Grundlage als „Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestufte Dokumente seien. Sie könne sich dazu nur in nicht-öffentlicher Sitzung äußern.
Hier erwiderte der Vorsitzende, dass die Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse von Bund und Ländern festgelegt hätten, dass VS-NfD-Dokumente in öffentlicher Sitzung ohne Einschränkung behandelt würden und dass dazu ausgesagt werden müsse. De la Chevallerie beharrte jedoch darauf, dass sie von Seiten des Verfassungsschutzsleiters keine Aussagegenehmigung erhalten hätte, die sich auch auf Dokumente und Inhalte „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ erstrecke. An dieser Stelle wurde an diesem Vormittag im NSU-Untersuchungssausschuss mehr als deutlich, dass es offensichtlich eine massive Einflussnahme von Burkhard Freier gab, da die Zeugin sich auf eine telefonische Anweisung Freiers berief, dass sie sich dazu nicht äußern dürfe.
Unter Beobachter_innen und Ausschussmitgliedern herrschte daraufhin große Verwunderung. Während aller bisherigen Sitzungen waren VS-NfD-Dokumente vorgehalten worden und hatten sich Zeug_innen dazu äußern müssen. Auch eine Intervention Freiers, NfD-Dokumente in dieser Weise – ausdrücklich entgegen der Rechtsauffassung des Parlaments – Unterlagen werten zu wollen, die öffentlich behandelt werden dürften, war bislang nicht bekannt. Die Zeugin de la Chevallerie beharrte allerdings auf ihrem Standpunkt und der Vorsitzende Wolf setzte sich in dieser Frage nicht durch. Sven Wolf versuchte sich zwar in einer klaren Positionierung – und in gewisser Hinsicht auch: Zurechtweisung der Zeugin. Seine für sich sehr scharf gesprochene Klarstellung blieb aber vollständig folgenlos. Wolfs Feststellung „Wir sind das Parlament“ und die hier mitschwingende Autoritätsfrage auch in Bezug auf die Einstufung von Akten als für die Öffentlichkeit zugängliche Dokumente wirkten zunächst sehr konsequent und durchsetzungsstark. Letzten Endes blieb diese Konfrontation mit der sehr spontan verkündeten Weigerung des Verfassungsschutzes NRW, sich der Rechtspraxis des Bundes- und Landtages anzuschließen und eine konzise und vollständige Aussage zu ermöglichen, jedoch eher ein zahnloser Versuch, die Hegemonie über die Akteneinsicht und die Deutung der Dokumnte durch Ausschuss-Fragen in den Fingern zu behalten.
Mit der Absage de la Chevalleries, überhaupt eine Aussage zu Sachverhalten aus NfD-Akten zu machen, wurde jedoch überdeutlich, wer hier die Autorität über die Deutungshoheit wichtiger Akten-Zusammenhänge an einen mauernden NRW-Verfassungsschutz aus der Hand gab. Denn anstatt den Sitzungstermin und die weitere Befragung von Zeug_innen aus Kreisen des Verfassungsschutzes aufgrund dieser Diskrepanzen und der Unvereinbarkeit der Interessen von PUA und Verfassungsschutz in dieser Sache aufzuheben und einen durchsetzungsstark formulierten Aufklärungswillen zu formulieren, nahm der PUA durch seinen Vorsitzenden Sven Wolf in der weiteren Befragung ohne erkennbaren Grund für derlei Einlenken, keinen weiteren Anstoß an der Verweigerungshaltung der Zeugin.
Die Antworten der Zeugin blieben also vorhersehbar knapp und ausweichend. Warum das Innenministerium versucht hatte, Toni Stadler zu kontaktieren, konnte bzw. wollte de la Chevallerie nicht beantworten. Entsprechende Vermerke dazu seien ihr nicht bekannt. Befragt zu Kontakten von Axel Reitz und Paul Breuer nach Thüringen, gab sie vor, keine Erinnerung zu haben. Hinweise für eine Verwicklung der „Kameradschaft Walter Spangenberg“ in den Anschlag in der Keupstraße habe es nicht gegeben. Zur Frage nach der Anwerbung von Stephan Kahl durch den Verfassungsschutz zog sich de la Chevallerie folgerichtig und zynischerweise wenig überraschend erneut auf ihre Aussagebeschränkung zurück.
Ab 2004 hätte es verstärkt Hinweise auf Waffengeschäfte in Dortmund gegeben. Ab 2005 sei bekannt gewesen dass, Frank F. und Sascha M. im Besitz von Waffen gewesen seien, so die SPD. Auch hierzu wollte sich die Zeugin nicht äußern. Es hätte Maßnahmen gegeben, die auch letztendlich zu Verhaftungen und Verfahren geführt hätten. Es hätte sich aber um Einzelpersonen gehandelt. Nach dem Mord an Mehmet Kubaşık sei ihr wohl durch den Kopf gegangen, ob das „ihre“ Jungs gewesen sein könnten. Dafür habe es aber keine konkreten Hinweise gegeben. Nach der Aufdeckung 2011 habe große Betroffenheit darüber geherrscht, dass die Gruppe so lange unentdeckt hatte agieren können. So sei, so eine Einschätzung der Zeugen, der NSU gefährlicher gewesen als die „RAF“, deren Taten man auch ohne Bekennerschreiben hätten zuordnen können. Das sei beim NSU trotz Kenntnisse von der Existenz und Bedeutung der „leaderless resistance“-Strategie nicht gelungen.
Die engen Kontakte von Gottschalk zu belgischen Nazis, die offen Terror propagierten, seien bekannt gewesen. Die Gruppe sei verhaftet worden. Hinweise auf Waffendeals habe es aber nicht gegeben. Von Sebastian Seemann habe sie erst nach seiner Inhaftierung gehört. Er sei mit der Hooligan- und Kameradschaftsszene vernetzt gewesen. Zu einem von einer Quelle gemeldeten Waffendeal Seemanns, nach der er vier Kofferraumladungen voll Waffen aus Belgien beschafft haben wollte oder mit der Möglichkeit, diesen Deal bewerkstelligen zu können, kokettiert habe, habe es keine weiteren Anhaltspunkte gegeben. Es sei ihnen beim Verfassungsschutz in NRW unklar geblieben, ob der kistenweise Ankauf von Waffen wirklich stattgefunden habe. Auch zu weiteren Zusammenhängen blieben de la Chevalleries Ausführungen vage: Kontakte Seemanns und Dortmunder Neonazis zu den Bandidos könne sie nicht mit Sicherheit bestätigen, Drogenverkäufe hätten erst nach ihrer Zeit stattgefunden.
Johann H. sei ihr von Beginn an bekannt gewesen, begegnet sei sie ihm aber nie. Ob er sein Erscheinungsbild verändert habe, könne sie nicht sagen.
Fazit
Fazit der Sitzung: Der Verfassungsschutz NRW hat in Person der Zeugin de la Chevallerie im Juli 2004 entschieden, dass Dossier des BfV nicht an die Polizei Kökn weiter zu leiten. Damit wurde der Polizei ein deutlicher Hinweis auf einen möglichen rechtsterroristischen Hintergrund vorenthalten. Die Ausreden, die die ehemalige Gruppenleiterin präsentierte, um ihr Verhalten zu erklären, waren absurd und unglaubwürdig.
In Hinblick auf „Combat 18“ wiegelte auch die Zeugin de la Chevallerie ab: Strukturen von C18 habe es angeblich nicht gegeben. Konfrontiert mit der Aussage Seemanns [eines enttarnten V-Mannes des NRW-Verfassungsschutzes] musste sie aber zugeben, dass dem Verfassungsschutz bereits 2006 Informationen über die Bildung einer C18-Zelle in Dortmund vorlagen. Offensichtlich wurde die massive Intervention des VS-Leiters Burkhard Freier, der hier vollkommen unverhohlen dafür Sorge trug, Informationen über die Verwicklung von V-Leuten wie Seemann zurückzuhalten. Es bleibt unverständlich, warum der Untersuchungsausschuss nicht auf einer Aussage de la Chevalleries zu diesen Themen bestanden hat, und warum sie dazu nicht in einer nicht-öffentlichen Sitzung weiter vernommen wurde. Hier präsentierte sich der PUA zahnlos und wenig kämpferisch.
Vernehmung Uwe Reichel-Offermann
Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann ist seit September 2015 Gruppenleiter in der Abteilung 6/Verfassungsschutz, zuvor arbeitete er bereits in der Abteilung 4 (Polizeiabteilung) und beim Verfassungsschutz als Referatsleiter für Islamismus. Als Zeuge war er aber aufgrund seiner Tätigkeit als zuständiger Referatsleiter für Observationen geladen.
Zu Anfang wurde er vom Vorsitzenden Sven Wolf eher allgemein zur Arbeit von Observationsgruppen gefragt. Der Zeuge antwortete, dass die Arbeitsschwerpunkte der Observationsgruppe im Wesentlichen von den Auswertungsreferaten gesetzt würden, aber auch das Beschaffungsreferat nutze die Observationsgruppe. Ziel von Observationen sei meist das Verhalten einer Person aufzuklären.
Die Fragerunde der Fraktionen begann mit einer Frage Serap Gülers (CDU) nach der Bewaffnung der Observationsmitarbeiter_innen bei Außeneinsätzen. Der Zeuge bestätigte, dass Mitarbeiter bei Observationen Schusswaffen mitführen dürften. Güler fragte, ob es in der Keupstraße am Anschlagstag am 9. Juni 2004 eine Observationsmaßnahme des NRW-Verfassungsschutz gegeben habe, weil dem PUA eine Zeugenaussage vorliege, wonach zivil gekleidete, bewaffnete Männer gesehen wurden. Reichel-Offermann verneinte eine solche Maßnahme mit den Worten: „nach meinem Wissen und meiner Erinnerung war das nicht so.“ Er kenne aber den Sachverhalt der Zeugenaussage, weil er zu dem Thema bereits in seiner Funktion als Vertreter der Polizeiabteilung des MIK vor dem Innenausschuss berichtet habe.
Auf Nachfrage Gülers antwortete der Zeuge, dass er auch keine Erkenntnisse habe, dass andere Dienste am Tattag des Anschlags in der Keupstraße waren. Es sei üblich, dass sich Observationsgruppen, die in einem auswärtigen Bundesland eingesetzt seien, sich zumindest mit dem Innen-Ministerium dieses Landes ins Benehmen setze. Er könne aber auch nicht ausschließen, dass eine Observationsgruppe eines anderen Dienstes aber auch mal ohne vorherige Ankündigung in NRW tätig werde.
Die VerteterInnen von SPD und Grünen fragten nach Observationen, die im Jahr 2006 gegen die Dortmunder Neonazi-Szene, speziell zu Marko Gottschalk, durchgeführt wurden. Hier wollte der Zeuge zuerst mit Verweis auf den Geheimschutz nicht antworten. Er konnte aber bestätigen, dass es Observationsmaßnahmen gegen die Szene gab, wollte aber wenig Genaueres sagen.
Der SPD-Obmann Andreas Kossiski fragte, ob am 18.3.2006 ein Konzert in Kassel stattgefunden habe, was der Zeuge verneinte. Kossiski gab daraufhin das Statement ab, dass seine Fraktion bei ihrer Aktenrecherche im kompletten Bestand keinen Hinweis auf ein Konzert am 18.3.2006 gefunden habe. Es existierten aber Medienberichte, beruhend auf Aussagen eines Kasseler Neonazis, dass das NSU-Trio am 18.3.2006 auf einer Geburtstagsfeier in Kassel gewesen sein soll, wo auch „Oidoxie“ gespielt hätten, so Kossiski. Der Verfassungsschutz NRW beobachtete aber ein Konzert am 25.3.2006 in Braunatal.
Von der Observationsmaßnahme in Braunatal sollen, so wurde in einem nach der NSU-Entdeckung entstandenen Schreiben der Abteilung 6 an den GBA vermerkt, keine Fotos erstellt worden sein. Befragt, warum es keine Fotos oder Videos aufgenommen wurden, antwortete der Zeuge, der grundsätzlich die Auswertung in ihren Aufträgen an die Observationsgruppe vermerke, ob Fotos oder Videos erstellt werden sollen. Allerdings sei es dennoch oftmals vorgekommen, dass diese angeforderten Bilder, zum Beispiel aufgrund von schlechten Lichtverhältnissen, nicht aufgenommen werden konnten.
Die grüne Obfrau Verena Schäffer fragte den Zeugen, ob die Observationsgruppe ein Konzert am 18.2.2006 im niedersächsichen Dassel observiert hat, bei dem die Band „Extressiv“ gespielt habe. [„Extressiv“ ist eine eng mit „Oidoxie“ verbundene Band aus dem Kreis Unna/Kreis Coesfeld, Mitglieder der Band waren in der „Oidoxie Streetfighting Crew“] Dieses Konzert wurde nach Angaben des Zeugen nicht observiert, ebenso wenig sei ein Konzert am 25.2.2006 in Greven beobachtet worden. [Dieses Konzert, von dem es einen Videomitschnitt gibt, wurde aus dem Kreis der „Oidoxie Streetfighting Crew“ organisiert.] Am Tag des Mordes an Mehmet Kubaşık und am Wochenende davor, habe es keine Observationsmaßnahme gegen die Neonazis in Dortmund gegeben.
Die FDP fragte, wie sich die Observationsgruppe verhalten müsse, wenn sie eine Straftat beobachte. Der Zeuge antwortete, dass er dann erwartet hätte, dass er informiert worden wäre und er hätte diese Information dann auch an die Polizei weitergeleitet. Bei unmittelbarer Gefahr müsse man die Polizei direkt informieren. Im Kontext der angesprochenen Observationsmaßnahmen gegen die Dortmunder Neonazi-Szene erinnere er sich aber nicht, dass er über Straftaten informiert worden sei.
Fazit
Als Fazit der Befragung von Reichel-Offermann kann festgehalten werden, dass der NRW-Verfassungsschutz im Jahr 2006, in zeitlichem Zusammenhang mit dem Mord an Mehmet Kubaşık, Obversationsmaßnahmen gegen die Neonazi-Szene in Dortmund durchgeführt hat. Welchen Umfang und welches Ziele diese Maßnahmen genau hatten, blieb unklar. Der Zeuge gab vor, sich nicht genau zu erinnern bzw. keine Aussage in öffentlicher Sitzung machen zu können. Die Abgeordneten gaben sich damit zufrieden. Das NSU-Kerntrio soll nach Angaben des Zeugen bei den Observationen nicht gesichtet worden sein. Interessant war die Vernehmung hinsichtlich des angeblich am 18. März 2006 in Kassel stattgefundenen „Oidoxie“-Konzertes. Hier machten die Abgeordneten deutlich, dass sie keine Hinweise auf ein solches Konzert fanden. Allerdings fand am 25. März 2006 eine Feier im nahe Kassel gelegenen Braunatal statt, die der NRW-Verfassungsschutz beobachtete.