Sitzung vom 18. März 2016 – Zusammenfassung

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Geladen waren im öffentlichen Teil der 31. Sitzung des PUA die folgenden ZeugInnen:

  • Gülay Köppen, Staatsschutz Dortmund
  • Leopold Pfoser, BKA Wiesbaden

Köppen arbeitete in der Mordkommission mit und betreute die Familie des Mordopfers Mehmet Kubasik. Pfoser war als Waffenexperte des BKA zuständig für die Analyse der Hülse und Geschosse, die am Tatort in Dortmund gefunden worden waren.

Vernehmung Gülay Köppen

Der Vorsitzende Wolf eröffnete die Sitzung und befragt die Zeugin nach ihrem beruflichen Werdegang.

Gülay Köppen erklärte, sie arbeite seit 2005 beim Staatsschutz des Polizeipräsidiums Dortmund in der Abteilung für islamistischen Terrorismus und ist Kontaktbeamtin für muslimische Institutionen. Nach einer Neuorganisierung des Polizeipräsidiums sei es auch für BeamtInnen aus der Staatsschutzabteilung möglich gewesen, an der Mordkommission im Fall Mehmet Kubaşık teilzunehmen, die aus BeamtInnen der verschiedenen Abteilungen zusammengesetzt wurde. Sie meldete sich freiwillig zur Mordkommission und sei dort nicht speziell als Staatsschutzbeamtin eingesetzt worden.

Die Befragung des Vorsitzenden Wolf drehte sich zunächst um die Vernehmung der Zeugin Jelica D.. Frau D. war den Tätern kurz vor dem Mord auf der Straße begegnet. Bei ihrer Vernehmung durch den PUA am 15. Januar 2016 hatte sie ausgesagt, dass diese Männer auf sie den Eindruck wie „Junkies oder Nazis“ gemacht hätten. Mit diesen Worten habe sie ihre Beobachtungen auch stets gegenüber der Polizei beschrieben.

Die Zeugin Köppen erklärte, dass sich Frau D. telefonisch beim PP Dortmund gemeldet und ausgesagt habe, dass sie Personen beobachtet hätte, die Nazis gewesen sein konnten. Diese Aussage habe sie aber bei der Vernehmung „revidiert“ und bei der Personenbeschreibung nur angegeben, es seien „Junkies“ gewesen, so Köppen. Sie habe das daran erkannt, dass diese so „zappelig“ gegangen seien. [Anm.: Diese Aussage von Frau Köppen steht im Widerspruch zur Aussage der Augenzeugin D.] Nach Vermutung von Köppen sei der Begriff „Nazis“ durch die telefonische Übermittlung zustande gekommen.

Frau D. seien dann Lichtbilder aus vorhandenem Material vorgelegt worden. Dabei solle es sich um polizeibekannte aber auch nichtexistente Personen gehandelt haben. Ob Personen aus der rechten Szene dabei waren, wusste die Zeugin nicht und konnte sich auch nicht daran erinnern, ob es diskutiert wurde, Personen aus dem rechten Spektrum hinzu zu ziehen. Der Begriff „Nazis“ sei schon im Vorfeld ausgeräumt gewesen. Auch Bilder von den Überwachungskameras im Hauptbahnhof seien der Zeugin D. nicht vorgelegt worden.

Wann der Staatsschutz als Abteilung zu den Ermittlungen zugezogen worden sei, konnte Köppen nicht beurteilen. In der Mordkommission hätte es Teams gegeben, die Aufträge erhalten und diese abgearbeitet hätten, so die Zeugin. Eigene Ideen und Ansätze aus ihren Erfahrungen in der Staatsschutzabteilung habe sie in die Arbeit nicht eingebracht.

Diskussionen über die Motivlage habe sie nicht mitbekommen, die Inhalte der Einsatzbesprechungen der Leiter der Mordkommissionen seien ihr nicht bekannt gewesen. Es sei ihr aber zeitnah bekannt gewesen, dass es sich um eine Mordserie mit einer Czeska gehandelt habe. An weitere Details aus Einsatzbesprechungen konnte Köppen sich nicht erinnern. Ebenso wenig an Diskussionen über die beiden Ermittlungshypothesen „Einzeltätertheorie“ und „Organisationtheorie“. Die Operative Fallanalysen (OFA) habe sie persönlich nicht gelesen, sie könne sich nicht daran erinnern, ob sie ihr vorgelegen haben. Sie wisse aber, dass es solche OFAs gegeben habe.

Wolf wies Köppen darauf hin, dass die Zeugin D. einen der Täter mit Fahrrad gesehen habe. Ob dadurch eine Querverbindung zu dem Anschlag in der Kölner Keupstraße hergestellt worden sei, wollte Wolf wissen. Einzelheiten zum Anschlag in der Keupstraße seien ihr damals nicht bekannt gewesen, so die Zeugin Köppen. Sie wisse nicht, ob ein Zusammenhang hergestellt worden sei. Bezüglich der Motivlage seien ihr keine Diskussionen bekannt. Sie hätten in alle Richtungen ermitteln sollen. Es habe viele diffuse Hinweise gegeben, aber kein konkretes „Packende“. Von sich aus habe sie keinen Impuls gegeben in Richtung Rechtsextremismus zu ermitteln. Im Staatsschutz habe sie nicht im Bereich Rechtsextremismus gearbeitet. Die rechte Szene in Dortmund sei ihr aber ein Begriff gewesen. Sie habe die Verbindung zur rechten Szene nicht hergestellt und wisse auch nicht, ob dies andere KollegInnen getan hätten. Sie habe keine Hypothese zum Mordmotiv gehabt, da dies nicht ihr Auftrag gewesen sei.

Als fließend türkisch sprechende Beamtin habe sie den Kontakt zur Familie Kubaşık hergestellt und die erste Vernehmung durchgeführt. Dabei sei es um den Tagesablauf des Tattages gegangen und um die Frage, ob irgendwelche Konflikte bestanden hätten. Nach ihrem Eindruck sei Mehmet Kubaşık ein „Familienpapa“ gewesen, der für die Familie gelebt habe und auch auch engen Kontakt zu seiner Tochter gehabt habe, insgesamt ein „lieber, netter Mensch“. Man könne sagen, er sei ein „unbescholtener Bürger“ gewesen und ihr sei früh klar gewesen, dass er nicht den „Impuls für die Tat“ gegeben habe.

In der Öffentlichkeit sei das Bild entstanden, dass der Hintergrund der Tat in der Drogen- oder Ausländerkriminalität liege. Ob sie die Notwendigkeit gesehen habe, dieses Bild gerade zu rücken, fragte der Vorsitzende Wolf.

Bei Frau Kubaşık sei der Eindruck entstanden, dass die Polizei Urheber dieser Gerüchte sei, so Köppen. Die Ehefrau des Ermordeten sei aber aufgeklärt worden, dass dies nicht so war, sondern dass die Gerüchte in der Presse, auch der türkischen, lanciert worden waren. Zudem sei nicht die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Sie habe nicht über alle Gespräche mit Frau Kubaşık Vermerke angefertigt. Es seien sehr viele Gespräche gewesen, die nicht nur anlassbezogen gewesen seien, sondern auch privater Natur.

Ob die Befragungen im Umfeld der Familie, z. B. die Befragungen von Jugendlichen, ob Mehmet Kubaşık mit Drogen gehandelt habe, nicht dazu beigetragen hätten, dass solche Gerüchte entstehen, fragte Wolf. Die Zeugin antwortete, sie kenne nicht alle durchgeführten Maßnahmen. Wenn Bürger befragt würden, wäre es denkbar, dass sie sich ein Bild zurecht strickten.

Wolf weist darauf hin, dass Mutter und Tochter Kubaşık dadurch sehr verunsichert worden seien. Ob Köppen eine Idee habe, wie so etwas in Zukunft zu verhindern sei? Die Presse sei frei, so Köppen. Sie könnte nicht beurteilen, ob die Polizei Gegenstatements zu Presseveröffentlichungen abgeben könne.

Die Befragung wurde durch die CDU-Fraktion fortgesetzt. Heiko Hendricks verwies auf die verschiedenen Vermerke zu den Vernehmungen der Zeugin D., in denen der Begriff „Rechtsradikale“ mal auftauche und dann wieder nicht. Nur im zweiten, von ihrem Kollegen verfassten Vermerk tauche der Begriff auf. Dieser habe schon im PUA des Bundes dazu ausgesagt, Köppen habe telefonisch den Auftrag erhalten, das Thema Rechtsradikale zu klären. [Anm.: hier unterlief dem CDU-Abgeordneten offenbar ein Fehler, weil Köppens Kollege nicht im PUA des Bundestags aber sehr im Münchener NSU-Prozess ausgesagt hat, wo er erklärte, dass der Auftrag zur Kontaktaufnahme mit der Augenzeugin D. telefonisch bei Frau Köppen eingegangen sei] Von wem dieser Auftrag gekommen sei, möchte Hendricks wissen.

Daran habe sie keine Erinnerung und sich auch keine Notizen gemacht, so Köppen. Damals war ihr die Wichtigkeit dieser Äußerung nicht klar. Aus der Erinnerung könne sie dazu nichts sagen. Anlass für die Vernehmung sei der Anruf von Frau D. bei der Polizei gewesen. Von wem der Anruf mit der Aufforderung, die Beobachtung „Rechtsradikale“ zu klären, gekommen sei, wisse sie nicht mehr. Es sei auch „nicht üblich“, sich dazu Notizen zu machen.

Der CDU-Abgeordnete verwies darauf, dass die Zeugin D. ausgesagt hat, bei jeder Vernehmung auf Nazis hingewiesen zu haben. Wenn die Zeugin den Begriff „Nazis“ erwähnt hätte, hätte es keinen Grund gegeben, dies im Protokoll nicht zu erwähnen, so Köppen. Sie habe bei der zweiten Vernehmung nicht explizit nach dem Begriff „Rechtsradikale“ gefragt. Sie habe eine allgemeine Beschreibung der Männer erfragt, dabei habe die Zeugin den Begriff „Rechtsradikale“ nicht wiederholt. Sie habe ja auch bereits im Vorfeld eingeräumt, falsch verstanden worden zu sein.

Hendricks räumt ein, dass der zeitliche Abstand wohl zu groß sei und weiteres Nachfragen nichts mehr bringe. Er leitet über zu dem zweiten Fragekomplex „Opferbetreuung“. Hendricks fasst die Beschreibung der Zeugin Köppen zusammen, nachdem sie engen, auch außerdienstlichen Kontakt zur Familie Kubaşık gehabt habe und ihnen bei vielen Dingen geholfen habe. Dagegen habe die Familie Kubaşık die Betreuung als nicht besonders gut empfunden. Wie Köppen sich diesen Widerspruch erkläre, möchte Hendricks wissen.

Im Regelfall sei der Opferschutzbeauftrage zuständig, man habe Kontakt zum „Weißen Ring“ hergestellt, so Köppen. Sie hätte sich über das normale Maß hinaus um die Familie gekümmert. Im direkten Umgang sei keine Kritik von der Familie geäußert worden, auch im Nachgang nicht. Sie habe z. B. Bewerbungsschreiben der Tochter korrigiert, bei Rentenanträgen geholfen und Kontakt zum Arbeitsamt hergestellt, um lange Wartezeiten zu verhindern. Es habe ein Vertrauensverhältnis bestanden. 2011 habe Frau Kubaşık in der Dienststelle angerufen, weil es ihrer Tochter nach der Aufdeckung des NSU schlecht gegangen sei. Sie habe dann einen Termin in einer Klinik vermittelt. Sie habe sich darum gekümmert, obwohl es nicht ihre Aufgabe gewesen sei. Sie habe nach 2011 auch noch Kontakt gehabt und die Familie besucht, die sehr gelitten habe und das immer noch tue. Sie ziehe sich den Schuh nicht an, dass die Opferbetreuung schlecht gewesen sei, so Köppen.

Hendricks hielt vor, dass Gamze Kubaşık vor dem PUA angegeben habe, dass bei einer Vernehmung Köppen und ihr Chef anwesend gewesen seien und bei dieser Vernehmung habe ihre Mutter auf Türkisch ausgesagt, dass sie wisse, dass Nazis die Täter seien. Köppen habe ihrem Chef diese Aussage übersetzt, worauf dieser geantwortet habe, man könne die Täterschaft von Nazis ausschließen. Ob Köppen daran eine Erinnerung habe, fragte Hendricks.

Da sie nie mit ihrem Chef bei den Kubaşıks gewesen sei, sei unklar, wer gemeint sei. Sie sei aber auch mit Herrn Lötters [Anm. Leiter der Mordkommission] bei der Familie gewesen. An die konkrete Situation könne sie sich nicht erinnern. Wer was gesagt hätte, wäre ihr heute nicht mehr erinnerlich. Hendricks verweist darauf, dass der Sachverhalt entscheidend sei. Wenn eine Zeugin einen derartigen Hinweis gäbe, würde man dem nachgehen, fragt Hendricks. Das habe sie nicht zu verantworten, erwiderte Köppen. Wenn es nur eine Vermutung sei, was solle dann ermittelt werden? Sie wisse aber nicht, warum Kollegen so gehandelt hätten.

Die Befragung wurde durch Andreas Kossiski von der SPD-Fraktion fortgesetzt. Kossiski fragte noch einmal nach, ob Köppen sich daran erinnern könne, den Hinweis auf Rechtsradikale/übersetzt zu haben. Köppen erklärte, sie habe daran keine Erinnerung. Auch nach dem Auffliegen des NSU seien ihr an diese Situation keine Erinnerungen gekommen. Der SPD-Obmann fragte daraufhin nach der Struktur der Mordkommission und der Rolle der Zeugin Köppen, da in den Protokollen ausschließlich von ihrem Kollegen Klimmek unterschrieben worden seien.

Die Zeugin antwortete, dass nach der Neuorganisierung des PP auch der Staatsschutz angefragt worden sei. Ihr Kollege und sie selbst hätten sich freiwillig für die Mordkommission gemeldet. Ihr Kollege Klimmeck sei ihr nicht übergeordnet gewesen, obwohl er einen höheren Dienstrang hatte. Auch sie habe Protokolle unterschrieben. Sie sei besonders wegen ihrer Sprachkompetenz in Frage gekommen. Das habe die Sache erleichtert, weil kein Dolmetscher nötig gewesen sei. An Führungsbesprechungen war sie nicht beteiligt, ebenso nicht an Abschlussberichten. Eine Erinnerung, ob sie mit Kollegen über die unterschiedlichen Vermerke zu Rechtsradikalen diskutiert habe, habe sie aufgrund des langen Zeitraumes nicht.

Das Fragerecht wechselte zu den Grünen. Monika Düker hielt Köppen den Vermerk vom 6.04.2006 vor. „Am gestrigen Tage wurde im Rahmen der Ermittlungen bekannt“, dass es sich bei den Tätern um Rechtsradikale gehandelt haben könne, las die Abgeordnete vor. Köppen konnte sich nicht erinnern, ob dieser Hinweis von der Zeugin oder von Dritten gekommen sei, und ob es einen Auftrag gegeben habe, in diese Richtung zu ermitteln. Auch nicht, warum dieser Hinweis später gar nicht mehr auftauchte.

Köppen habe die Zeugin D. mit der Aussage konfrontiert, dass es sich bei den Männern um Rechtsradikale handeln könne, so Düker. Es sei dann notiert worden, dass es sich „definitiv nicht“ um Rechtsradikale gehandelt habe. Köppen gab vor, keine aktive Erinnerung mehr zu haben, wie es zu dieser Aussage gekommen ist.

Düker hielt Köppen einen Vermerk ihres Kollegen Lötters vom 9.10.2006 vor. Bei einer Lichtbildvorlage habe die Zeugin D. von „Nazis oder Junkies“ gesprochen. Ob sie mit Lötters darüber gesprochen habe?

Bei der Lichtbildvorlage sei sie nicht anwesend gewesen, so Köppen. Ob Gespräche mit dem Kollegen Lötters stattgefunden hätten, könne sie heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Ob sie mit einem weiteren Kollegen namens Bayrlla gesprochen habe, in dessen Vermerk von Juni 2006 ebenfalls die Aussage „Junkies oder Nazis“ auftaucht, könne sie ebenfalls nicht sagen, er habe in einer anderen Dienststelle gearbeitet. Die Oberhoheit über die Akten habe der jeweilige Aktenführer. Dieser sei aber schon pensioniert. Ob diesem die Widersprüche aufgefallen seien, wisse sie nicht.

Der Vorsitzende Wolf verwies noch einmal auf den Vermerkt vom 9.10.2006, in dem die Zeugin D. auf die Ähnlichkeit zu dem Fahndungsplakat des Anschlags in der Kölner Keupstraße hinwies. Auch sie hatte einen der Täter mit einem Fahrrad gesehen. Ob dieser Spur nachgegangen worden sei, konnte Köppen nicht beantwortenm. Frau D. hätte die Person nicht näher beschreiben können. Im Oktober sei sie auch nicht mehr in der Mordkommission tätig gewesen.

Die FDP übernahm die Befragung. Joachim Stamp wollte wissen, was sie bzw. die Polizei aus heutiger Sicht hätte anders machen müssen. Sie könne nur das beurteilen, so Köppen, was sie selber getan hätte, andere könne sie nicht beurteilen. Ihren Umgang würde sie für „sehr sensibel“ halten. Den Hinweis auf eine Geliebte von Mehmet Kubaşık hätten sie sofort für falsch gehalten. Sie habe die Kubaşıks aber darauf hingewiesen, dass sie trotzdem danach fragen müsse. Ihre Maxime wäre aber immer ein fairer Umgang gewesen. Sie habe keine Kritik an der Polizei, könne das aber auch nicht wirklich beurteilen.

Stamp verwies auf die Schilderungen der Familie Kubaşık über Verdächtigungen und Stigmatisierungen. Ob die Art und Weise der Ermittlungen im Umfeld der Familie anders möglich gewesen seien, wollte Stamp wissen.

Sie wüsste nicht, wie Befragungen anders laufen könnten, sagte Köppen. Ob die Befragung von Jugendlichen mit Fotos von M. Kubaşık, ob dieser Drogen angeboten habe, üblich sei, könne sie nicht beurteilen. Mit dem Wissen von heute würde man aber wohl vieles anders machen. Es habe bei der Polizei Dortmund keine greifbaren Erkenntnisse gegeben. Diese habe es in anderen Bereichen gegeben, die seien aber nicht kommuniziert worden. Man müsse sicher mehr über den Tellerrand schauen, so Köppen.

Birgit Rydlewski von der Piraten-Fraktion fragte noch einmal nach der Zusammensetzung der Mordkommission. Die Beamten aus den verschiedenen Abteilungen wären nicht wegen spezieller Kenntnisse ausgewählt worden, bestätigte Köppen. Auch der Kollege Klimmeck sei nicht aus dem Bereich Rechtsextremismus gekommen. Sie habe mitbekommen, dass der kleine Bruder von Gamze Kubaşık Probleme in der Schule hatte wegen der Gerüchte um Drogengeschäfte seines Vaters. Auf Nachfrage bei der Familie sei aber nicht gewünscht worden, dass Köppen mit in die Schule geht, um dort ein Gespräch zu führen. 2011 sei versucht worden die Familie zu erreichen, um sie über die Entdeckung des NSU zu informieren. Das sei nicht gelungen, da sie sich in der Türkei aufgehalten habe. Sie selber habe daher auch nicht versucht, die Familie telefonisch zu erreichen.,

Die Vernehmung der Zeugin Köppen drehte sich in weiten Teilen im Kreise. Köppen berief sich immer wieder auf Erinnerungslücken bei der Frage, warum die Aussage der Zeugin D., nach der es sich bei den Tätern um „Junkies oder Nazis“ gehandelt habe, mal in den Akten auftauchte und dann wieder nicht, und wer dafür Verantwortung trug. Sehr genau erinnern konnte sich die Zeugin an ihr Engagement in der Betreuung der Familie Kubaşık, das sie als überdurchschnittlich hoch beschrieb. Warum die Familie Kubaşık die Betreuung völlig anders wahrgenommen hat, konnte die Zeugin nicht erklären.

Vernehmung Leopold Pfoser

Um 11:30 Uhr begann die Vernehmung des Zeugen Leopold Pfoser. Die Befragung wurde ausschließlich vom Vorsitzenden Wolf durchgeführt. Pfoser arbeitete von 1980 bis 2015 beim BKA Wiesbaden. Er war zuständig für Gutachten zu Schusswaffen und Schusswaffenspuren. Als Sachverständiger war er intensiv in die Ermittlungen der Mordserie eingebunden. Er berichtete, dass ers eine Woche nach dem Mord an Mehmet Kubaşık den Tatort besuchte und dort spontan an einer Besprechung im PP Dortmund teilnahm, wo er den Stand seiner Ermittlungen schilderte. Bei den kurz aufeinander folgenden Morden in Kassel und Dortmund war eine Czeska 83 mit Schalldämpfer benutzt worden, führte der Zeuge aus.

Einen Tag nach dem Mord habe er die Asservate, vier Projektile und eine Hülse vom Tatort, erhalten. Den Auftrag zur Untersuchung habe er wegen Dringlichkeit direkt vom PP Dortmund und nicht wie üblich vom LKA bekommen, so Pfoser. Die Asservate seien per Hubschrauber angeliefert worden. Die Dringlichkeit habe deshalb bestanden, weil man davon ausgegangen sei, dass es sich um einen weiteren Mord in der Serie handeln könne, was sich dann auch bestätigt habe. Durch mikroskopische Untersuchungen an Hülse und Geschossen konnte schnell eine Spurenübereinstimmung mit den anderen Morden bestätigt werden. Der Zeuge führt im Weiteren technische Details aus, woran die Übereinstimmung erkannt werden kann. So führen u.a. Vertiefungen im Laufinneren zu Individualspuren an den Geschossen, die eindeutig zuzuordnen sind. Deutlich wurde, dass die Zuordnung des Mordes zur Serie durch die Spuren auf den Projektilen gelang.

Der Vorsitzende Wolf fragte, warum die in Dortmund gefundene Hülse abgewischt wurde. Es wurde Rücksprache mit der Dienststelle Dortmund gehalten, ob die Hülse auf DNA-Spuren untersucht werden solle. Wegen der Dringlichkeit sei aber davon abgesehen worden, da die Chance, DNA-Spuren zu finden, als sehr gering eingeschätzt worden sei. Es habe grünes Licht für weitere Untersuchungen gegeben, in deren Folge die Hülse abgewischt wurde. Daktyloskopische Untersuchungen seien nicht angestellt worden, da es keinen Auftrag dazu gab und auch direkt keine Spuren zu sehen waren.

Der Zeuge Pfoser führte aus, dass man am Tatort in München ein kleines Kunststoffteilchen gefunden habe, an dem sich Schmauchspuren befanden. Es gehörte zu einer Plastiktüte, durch die geschossen worden war, um die Geschosshülsen aufzufangen. Die in Dortmund gefundene Hülse war nicht normal beschmaucht wie bei einem einmaligen Auswerfen üblich. Die vorgefundene extreme Beschmauchung sei ein Indiz dafür gewesen, dass sie in einer Plastiktüte mehrfach von einer Rauchwolke beschmaucht worden sei, so Pfoser. Der Zeuge sagte aus, dass zudem herausgefunden wurde, dass es sich um eine Waffe mit Schalldämpfer gehandelt habe.

Der Verzicht auf eine Untersuchung auf DNA-Spuren sei vom PP Dortmund entschieden worden. Pfoser führte aus, dass ihm kein Fall bekannt sei, bei dem DNA-Spuren eines Täters auf einer Hülse gefunden worden wären. Er sei daran immer stark interessiert gewesen und habe die internationale Fachdiskussion verfolgt. Experimente hätten ergeben, dass keine durch Speichel und Anfassen verursachte Spuren auf Hülsen zurückblieben, wenn diese durch eine Schusswaffe verfeuert würden. Spuren von Blut seien aber auch an benutzten Hülsen feststellbar gewesen. Nachträglich müsse er allerdings einräumen, so Pfoser, dass es vielleicht ein Fehler gewesen sei, die Hülse nicht auf DNA-Spuren zu untersuchen. Es sei nicht bekannt, ob der Täter Handschuhe getragen habe. Falls er keine Handschuhe getragen habe, hätten die in der Plastiktüte herum wirbelnden Hülsen eventuell Spuren von der Hand tragen können, die man durch eine DNA-Analyse hätte finden können. Pfoser führte aus, dass zu Beginn der Mordserie viele Hülsen und Geschosse gefunden worden seine, aber auch diese haben man nicht auf DNA-Spuren untersucht, weil dies nicht der Regelfall sei. Das Abwischen der Hülse sei für die weitere Untersuchung notwendig gewesen.

Nach der Aufdeckung des NSU sei die Identifizierung durch die Tatwaffe leicht gefallen, so Pfoser. Nach der Aufdeckung habe man auch nicht noch einmal versucht, DNA-Spuren zu untersuchen. Die Chance wäre so minimal gewesen, dass man darauf verzichtet habe. Wenn man Anhaftungen wie z.B. Hautteilchen gesehen hätte, hätte man das gemacht, so aber nicht.

Mit den anderen bei den NSU-Taten benutzten Waffen wie einer Tokarev TT 33 war Pfoser nicht befasst, Gutachten dazu habe er nicht verfasst. Die umgebaute Bruni-Pistole habe er sich angeschaut. Um diese Schreckschusswaffe entsprechend zu manipulieren, reiche der Ehrgeiz und eine gewisse Ahnung von Metallverarbeitung aus. Besonders technisch versiert müsse man dazu nicht sein. Über die Herkunft der Waffe könne er nichts sagen, zuständig dafür sei die ermittelnde Dienststelle.

Wolf erwähnte einen Zeugen aus Dortmund, der behauptet habe, er könne sagen, wer die Waffe umgebaut habe, wenn er sie sähe. Wolf bezog sich dabei offenbar auf Aussagen des V-Mann Sebastian Seemann, die bereits im PUA behandelt wurden. Seemann hatte im November 2011 der Polizei angeboten, einen Blick auf die verwendeten Pistolen TT33 und Bruni zu werfen, weil er so eventuell feststellen könne, wer die Waffen scharf gemacht habe.

Dieser Vorgang und die Zeugenaussage seien ihm nicht bekannt, so Pfoser. Er sei nicht gebeten worden, Fotos der Waffe zusammenzustellen und habe dies auch nicht getan. Ob andere das getan hätten, könne er nicht sagen. Anhand von Fotos allein sei es aber schwierig, die Herkunft oder den Umbau einer Waffe zu bestimmen. Dazu müsste man die Waffe schon direkt ansehen. Es gäbe viele selbsternannte Experten, aber auf die Einschätzung von Laien würde er wenig setzen. Wenn derjenige die Waffe kennen würde, wäre ein Wiederkennen aber vielleicht möglich, so Pfoser.

Damit endete der öffentliche Teil der Ausschuss-Sitzung.

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