Die Zeitschrift LOTTA hat einen lesenswerten Artikel zum Attentat auf Henriette Reker veröffentlich, in der eine Kontextualisierung von Tat und der Täter vorgenommen wird. Die Autor_innen schreiben:
Der Mordanschlag auf Henriette Reker war eine rechtsterroristische Tat, darauf deuten alle zur Verfügung stehenden Informationen hin. Frank S. hat den Angriff offenbar genau vorbereitet. Medienberichten zufolge vernichtete er zuvor sämtliche Dokumente in seiner Wohnung und entsorgte seine Festplatten. Nach der Bluttat ließ er sich widerstandslos festnehmen und lieferte direkt die politische Begründung für seine Tat. Sein Opfer wählte er gezielt aus: Er griff Henriette Reker, die Sozialdezernentin der Stadt Köln, als Repräsentantin einer in seinen Augen verfehlten und schädlichen Asylpolitik an. Und er verübte seine Tat zu einem Zeitpunkt, als er mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit rechnen konnte: am Tag vor der Kommunalwahl, bei der Henriette Reker als Oberbürgermeisterin kandidierte.
Der Artikel beschäftigt sich auch mit der Diskussion zu so genannten „lone wolves“:
Ein erstes psychologisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass beim Attentäter Frank S. keine eingeschränkte Schuldfähigkeit festzustellen ist. Durch die schnelle Veröffentlichung der Informationen über den politischen Hintergrund von S. wurde die in ähnlichen Fällen übliche Erzählung des „Einzeltäters“ verhindert. Michael Berger, der 2000 drei Polizisten in Dortmund und Waltrop erschoss, wurde als „psychisch gestörter Einzeltäter“ dargestellt, obwohl sich herausstellte, dass er DVU-Mitglied war und in Kontakt mit der „Kameradschaft Dortmund“ stand.
Drei Jahre später richtete Thomas A. in Overath einen Rechtsanwalt sowie dessen Tochter und Lebensgefährtin hin. Obwohl Thomas A. die Tat zusammen mit seiner Partnerin Jennifer D. verübte und Kontakt zu weiteren Neonazis hatte, mit denen er in einer Gruppe namens „33. SS/SD-Division Götterdämmerung“ vereint war, wurde auch dieser Fall entpolitisiert und A. pathologisiert. Daran konnte auch nichts ändern, dass A. seine Tat explizit als politische verstanden hat und dies auch gegenüber den Ermittlern zum Ausdruck brachte.
In der politikwissenschaftlichen Diskussion werden Attentäter wie Berger und S., die ihre Taten als Einzelne durchführen, oftmals als „lone wolves“ („Einsame Wölfe“) bezeichnet. Der Begriff führt zu Missverständnissen, denn diese „lone wolf“-Attentäter sind nicht komplett isoliert. Das antifaschistische Magazin „Searchlight“ hat eine umfangreiche Analyse zu „lone wolves“ veröffentlicht, die zu den Schluss kommt, dass von allen bekannten entsprechenden Tätern in Großbritannien nur einer wirklich isoliert war, alle anderen waren in irgendeiner Weise in Szene- und Organisationszusammenhänge eingebunden oder haben den Diskurs der extremen Rechten rezipiert. Die „Searchlight“-Autoren zitieren einen FBI-Analysten, der auch in Bezug auf die USA zu diesem Ergebnis kommt und als einzigen wirklichen Einzeltäter den „Unabomber“ Theodore Kaczynski bezeichnet, der zwischen 1978 und 1995 Briefbomben verschickt hat.
Zum Artikel der LOTTA…