In der antifaschistischen Zeitung LOTTA ist ein sehr guter Beitrag zum V-Leute-Unwesen in NRW erschienen, der sich auf Erkenntnisse aus dem Schlussbericht des Untersuchungsausschuss stützt:
Die Durchdringung der Neonazi-Szene bis in die Führungsspitze mit V-Leuten führte beim VS-NRW dazu, dass man sich in der trügerischen Sicherheit wog, die Szene unter Kontrolle zu haben, zumindest aber über gefährliche Entwicklungen frühzeitig informiert zu werden. Der VS-NRW wertete die Gefahr rechtsterroristischer Anschläge als gering, weil man davon überzeugt war, sich herausbildende terroristische Strukturen aufgrund der Quellen rechtzeitig zu erkennen. Eine Fehleinschätzung, die die Grundlage für die öffentlichen Beschwichtigungen des Geheimdienstes bildete.
Zugleich mischten V-Leute wie Seemann direkt in sich herausbildenden rechtsterroristischen Strukturen wie der Dortmunder Combat 18-Zelle mit. Den Strafverfolgungsbehörden blieb die Existenz der Zelle verborgen. Auch nach der NSU-Selbstenttarnung behielt der VS-NRW seine Informationen zu Combat 18 in Dortmund für sich. Eine Aufarbeitung der Erkenntnisse unter der Fragestellung, ob die miteinander eng kooperierenden Combat 18-Neonazis aus Dortmund und Kassel möglicherweise Unterstützung bei den NSU-Morden leisteten, unterblieb. Stattdessen wurde die Existenz der Zelle zuerst abgestritten und dann kleingeredet. Es zeigte sich das übliche Vorgehen des Verfassungsschutzes, der den Schutz seiner Quellen, vor allem aber den Schutz des eigenen Amtes, zur obersten Prämisse erklärt.
Der Einsatz von V-Leuten führte nicht zur Schwächung der Neonazi-Szene. Am Beispiel des von der Polizei Köln 1999 angestrebten Verbots der Kameradschaft Köln zeigt sich, dass der VS-NRW durchaus ein Interesse am Fortbestand von Neonazi-Gruppen mit einem in einer Schlüsselfunktion platzierten V-Mann hatte.