Der NSU-Untersuchungsauschuss setzt seine Arbeit am Dienstag mit einem weiteren öffentlichen Hearing fort. In der 3. Sitzung werden laut Tagesordnung vier Expert_innen zum Thema „Aufbau und Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz in NRW – Verfassungsschutz“ sprechen. Als Sachverständige sind geladen:
Der Buchautor Winfried Ridder kam als Diplom-Politologe 1973 zum Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), wo er bis 1995 arbeitet. Er hat nach eigenen Angaben dort die Funktion des „Chefauswerters“ inne gehabt und sich vor allem mit dem „deutschen linksextremistischen Terrorismus“ beschäftigt. In seinem Buch „Verfassung ohne Schutz. Die Niederlagen der Geheimdienste im Kampf gegen den Terrorismus“ (München 2013) fordert er eine „grundlegende Reform“ der Terrorismusbekämpfung und bezeichnet „das Konzept der traditionellen V-Person“ als gescheitert. Der Verfassungsschutz habe keinen einzigen schweren terroristischen Anschlag verhindern können. Die Terrorismusbekämpfung gehört für ihn in die Hand der Polizei.
Eine ähnliche Position vertritt auch der emeritierte Prof. Dr. Hans Peter Bull von der Universität Hamburg. Er fordert, die Verfassungsschutzämter zu einem wissenschaftlichen Institut umzubauen, das nur noch offene Quellen analysieren soll. Der Verfassungsschutz solle nicht länger ein Geheimdienst sein, alle operativen Aufgaben sollten der Polizei übertragen werden. (Artikel in der SZ) Bull war 1978 bis 1983 „Bundesbeauftragter für den Datenschutz“ und zwischen 1988 und 1995 Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Er ist Mitglied der SPD.
Die Journalistin Heike Kleffner war Mitarbeiterin der Fraktion Die Linke für den NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie beschäftigt sich seit den 1990er Jahren intensiv mit der Neonazi-Szene und leitete von 2004 bis 2009 die Mobile Opferberatung für Opfer rechter und rassistischer Gewalt in Sachsen-Anhalt, in deren Beirat sie weiterhin tätig ist. Ihrer Ansicht nach hat das V-Leute-System der Verfassungsschutzämter dazu beigetragen, dass sich aus der überschaubaren Neonazi-Szene der 1990er Jahre die neonazistische Bewegung von heute entwickeln konnte. (Artikel in den „Blättern“)
Roland Appel war von 1990 bis 2000 Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag. Seit 2000 ist er Mitglied der sogenannten G10-Kommission des Landtags, die über Maßnahmen des Verfassungsschutzes zur Einschränkung des Post- und Fernmelde- sowie des Bankgeheimnisses entscheidet. Er ist als Unternehmensberater tätig.
Das Sachverständigen-Hearing beginnt am 27. Januar 2015 um 15.00 Uhr im Raum E3D01 des Landtags in Düsseldorf. Die Sitzung ist öffentlich. „NSU-Watch NRW“ wird diese Sitzung beobachten und dokumentieren. Wir rufen alle Interessierten auf, ebenfalls dieser Anhörung beizuwohnen. Es empfiehlt sich, bereits eine halbe Stunde vor Beginn in den Landtag zu gehen.