Als Sachverständige geladen waren
- die Rechtsanwältin Dr. Kati Lang aus Dresden, die über die Behandlung von Fällen rechtsmotivierter Gewalt bei den Justizbehörden promovierte und für die Opferberatungsstelle der RAA Sachsen arbeitete
- der Jurist und Journalist Dr. Thomas Darnstädt
- und Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hagen und Mitglied des Beirates des Institutes für Juristische Zeitgeschichte der Fernuniversität Hagen.
Die Anhörung dauerte etwa zwei Stunden. Es ging einerseits um Aufbau und Arbeitsweise der Staatsanwaltschaften in NRW sowie um das Verhältnis von Staatsanwaltschaft, Polizei und Politik, andererseits auch um das Definitionssystem PMK rechts („Politisch motivierte Kriminalität – rechts“) und politische Tatmotivationen in Gerichtsverfahren.
In den Ausführungen der Sachverständigen wurde betont, dass die Polizei für die „Gefahrenabwehr“ zuständig sei. Sei eine Tat erst begangen, sei die Aufklärung formal Sache der Staatsanwaltschaft. Sie führe das Ermittlungsverfahren, sei „Herrin des Verfahrens“, während die Polizei die eigentliche Ermittlungsarbeit leiste. Allerdings seien Staatsanwält_innen bei Kapitalverbrechen – und nur dort – auch direkt bei den Ermittlungsarbeiten dabei, beispielsweise am Tatort.
Während die Staatsanwaltschaft dem Justizministerium unterstellt ist, ist das Innenministerium Dienstherr der Polizei. Die Staatsanwaltschaft sei „auf Wahrheit und Gerechtigkeit“ verpflichtet, müsse also nicht nur für die Anklage sammeln, sondern auch für die Beschuldigten entlastendes Material beachten. Im Interesse des Innenministers, als Dienstherr der Polizei, läge es hingegen vor allem, eine gute Aufklärungsquote vorzuweisen. Damit sei die Staatsanwaltschaft „doublebinded“, sie müsse den Erwartungen der Polizei nachkommen, auf die sie angewiesen sei, genauso wie denen ihres Dienstherren und der Verpflichtung „auf Wahrheit und Gerechtigkeit“.
Nach einer Einmischung der Politik in die Arbeit der Staatsanwaltschaft gefragt, antwortete Darnstädt, dass diese nicht stattfände – offiziell. Als Teil des Behördensystems sei die Staatsanwaltschaft jedoch nicht völlig unabhängig, da die politische Verantwortung im Justizministerium läge, das weisungsbefugt sei. In NRW lege der Justizminister jedoch ausdrücklich Wert darauf, keine Weisungen an die Staatsanwaltschaft zu geben. Darnstädt plädierte jedoch dafür, dass ein Minimum an Mitverantwortung da sein müsse. Er fände es problematisch, wenn ein Justizminister sich völlig heraushalte.
Zum Definitionssystem PMK rechts führte Lang aus, dass der Bund 2001 einen großen Schritt getan habe, als „Hasskriminalität“ in das Definitionssystem aufgenommen wurde. Sie halte die Definition für gut, sie bliebe aber weiterhin konkretisierungsbedürftig. Durch unklare Begrifflichkeiten treibe sie regelrecht Stilblüten. Beispielsweise werde „sozialer Status“ dort als mögliches Kriterium genannt , was auf sozialdarwinistische Tatmotivation abziele, Gemeint sind Taten z.B. gegen Wohnungslose, Beeinträchtigte etc. Teilweise werde dann jedoch auch das Anzünden von Autos darunter gefasst, da es sich um ein Statussymbol handele. Und das obwohl sich herausgestellt habe, dass es sich bei vielen dieser Vorfälle um Versicherungsbetrug handele.
Darauf angesprochen, dass die politischen Motive einer Tat im Laufe eines Gerichtsverfahrens manchmal „verschwinden“ und nicht in das Urteil einfließen, sagte Lang, sie glaube, dass es eine Scheu gäbe, sich im Gerichtssaal mit politischen Ebenen auseinanderzusetzen. Das erfordere Haltung. Staatlicherseits müssten Richter_innen und Staatsanwält_innen bestärkt werden, für die Demokratie Partei zu ergreifen, auch gegen Anwält_innen, auch aus der rechten Szene.
Auch das Thema Fortbildung von Staatsanwaltschaften und Richter_innen in Sachen PMK rechts kam zur Sprache. Pauli versuchte aufzuzählen, was es in dem Bereich in NRW gibt – letztendlich ließ sich seiner Aufzählung jedoch entnehmen, dass es in diesem Bereich keine wirkliche Fortbildung gibt.
Gegen Ende erhitzte noch eine kleine Kontroverse die Gemüter: Peter Biesenbach (CDU) äußerte Unverständnis über den Verlauf der Sitzung: Man rede hier zwar über Staatsschutzdelikte und wie damit umgegangen werde. Damals (vermutlich meinte er die NSU-Taten) habe man aber keine Staatsschutzdelikte gehabt. Daher sei er nun ratlos und wisse nicht, was er fragen solle. Joachim Stamp (FDP) konterte, es sei nicht angemessen, die Debatte madig zu machen. Die CDU habe bisher auch wenig zur Gestaltung der Anhörungen beigetragen – Zwischenrufen zufolge kam bisher kein einziger Einladungsvorschlag von der CDU. Er selbst, also Stamp, empfinde die Sitzung als sehr bereichernd.
Ein ausführliches Protokoll folgt.