Geladen waren drei Zeug_innen, gehört wurden allerdings nur die Zeugin Mathilde Koller (K), von 2009 bis Mitte 2012 Leiterin der Abteilung Verfassungsschutz im Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, sowie der pensionierte Kölner Polizist Aloys Hoppe. Der dritte, für den 25. August geladene Zeuge Hans-Peter Lüngen, von 1998 bis 2003 Referatsleiter für die Auswertung zum Themenbereich Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz NRW, konnte aus Zeitgründen nicht gehört werden. Er wird sich zu einem späteren Zeitpunkt den Fragen des Ausschusses stellen müssen.
Im Folgenden dokumentieren wir die Vernehmung von Mathilde Koller. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um ein offizielles Wortprotokoll der Sitzung handelt, sondern um unsere Mitschrift. Stellen, die wir nicht richtig verstehen konnten, haben wir mit »???« markiert. Mit eckigen Klammern haben wir Anmerkungen gekennzeichnet.
Vernehmung Mathilde Koller
Die Sitzung wird um 14 Uhr durch den Vorsitzenden Sven Wolf (V) eröffnet. Zuerst belehrt er die Zeugin über Ihre Pflichten.
V: Uns liegt die Ihnen erteilte Aussagegenehmigung des Innenministeriums vom 11.8.2015 vor. (Es folgen weitere Infos über den Ablauf der Sitzung.) Ich möchte Sie bitten, Ihren beruflichen Werdegang zu schildern.
K: Ausbildung Volljuristin, seit 1978 in das Bundesamt für Verfassungsschutz eingetreten, war da bis 1991 tätig, Linksextremismus, Rechtsextremismus, Spionagebekämpfung, Stabsstelle des Präsidenten, zum Schluss Leiter des Staatsschutzpräsidenten, Innenministerium im Bereich Rechtsextremismus zur Zeit Köhler, München-Attentat, Wehrsportgruppe Hoffmann. Danach im BfV, Ruf nach Sachsen, sollte dort die weitere Aufbauarbeit des Verfassungsschutzes übernehmen, mit dem Ziel diese Behörde einzurichten, mit ein paar Kollegen aus den alten Ländern; wir haben bis 1994 Personal- und Infrastruktur stehen gehabt, die Devise war: Verfassungsschutz für Sachsen, in erster Linie auch aus arbeitspolitischen Gründen. Junge Leute sollen in Arbeit kommen, unbelastete Leute in Arbeit kommen, sehr ausgeklügeltes Fortbildungskonzept, auch Ausbildung gemacht, mittlerer Dienst, gehobener Dienst; Bundesakademie für öffentliche Verwaltung; im Frühjahr 1996 die Abteilung Personal, Recht, Verwaltung, der Staatskanzlei Sachsen übertragen bekommen und war dann bis Ende 1999 in der Staatskanzlei tätig als Abteilungsleiterin; 2000 im Januar vom Innensenator gefragt, ob ich seine Staatssekretärin für Innenbereich sein möchte, habe ich nach Zögern dann angenommen. Zögern deshalb, weil Berlin eine unsichere Situation hatte, politisch inhomogen, aber ich fand das politisch ganz interessant. Habe das dann zwei Jahre gemacht, 2001 im Sommer ist die große Koalition auseinander gegangen. Dann hat mich aber die Rot-Grüne Koalition noch, also SPD und Grüne, als Staatssekretärin in der Innenverwaltung haben wollen, und im Januar 2002 bin ich dann in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, nachdem dann die Linke mit der SPD die Regierung gestellt hat. Dann habe ich von 2002 bis 2009 als selbständige Anwältin gearbeitet im Büro, in Partnerschaft mit der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei meines Mannes und danach bin ich im zarten Alter von 59 Jahren gefragt worden, ob ich Beamtin in NRW werden will und die Abteilung Verfassungsschutz leiten will. Das habe ich dann gemacht und habe das auch sehr gern gemacht. Ende Juni 2012 dann in einstweiligen Ruhestand; seitdem mache ich anderes, lerne Italienisch, mache Sachen, die ich früher nicht machen konnte.
V: Sie haben ja gerade den Zeitpunkt Juni 2012 angesprochen, da gibt es ja durchaus auch unterschiedliche Berichterstattung dazu. Können Sie uns erklären, warum sie damals in den Ruhestand getreten sind?
K: Also, meine Sprachregelung war damals: es sind persönliche Gründe. Das sehe ich nach wie vor so, aber um diese Legendenbildung endlich zu beenden, meine ich, es ist einfach angesagt, dass man darüber redet. Mir ist es nach der Wahl nicht gelungen, zu meinem Staatssekretär eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen und für eine Abteilung wie den VS ist es einfach unabdingbar, dass ein gegenseitiges Vertrauen da ist. Das kann man nur eine bestimmte Zeit durchhalten. Und deshalb war für mich ein prädestinierter Zeitpunkt, nachdem im Mai 2012 die Neuwahlen von der SPD und den Grünen stabil gewonnen worden sind, habe mit Herrn Jäger darüber gesprochen. Es war für mich auch nicht mehr verantwortbar, die Abteilung hat darunter gelitten, es war ein offenes Geheimnis.
V: Hab‘ ich Sie so verstanden …
K: Es war mein persönlicher Wunsch, weil ich ja in jahrzehntelanger Erfahrung gesehen habe, was es bedeutet, wenn die Verantwortungsträger nicht harmonieren, das ist nicht verantwortlich.
V: Wir beschäftigen uns hier beim UA ja insbesondere auch mit der Zusammenarbeit zwischen den Landesverfassungsschutz-Ämtern auf Bundesebene, Zusammenarbeit der Abteilung 6 und der Polizei. Können sie uns schildern: wie erfolgt diese Zusammenarbeit, soweit Ihnen das möglich ist?
K: Also ich unterstelle jetzt einmal, dass diese Aussagen nicht den Kernbereich der Exekutiven in Eigenverantwortung betreffen. Das ist jetzt einfach ein Statement, was man auch im aktiven Geschäft jedem gegenüber abgibt. Also, die Abteilung Verfassungsschutz ist keine autarke Abteilung, sondern sie ist ein Teil des Ministeriums. Es finden regelmäßige wöchentliche Besprechungen mit der Hausspitze statt. Die Abteilung wird ganz normal als eine Abteilung von allen beschäftigt. In NRW habe ich sehr positiv empfunden, dass die Führungskräfte in den Abteilungen sehr breit aufgestellt waren; es gab ein Entwicklungskonzept und das hilft natürlich sehr in der Kommunikation untereinander; aus meiner Erinnerung gab es eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei, es gab zu allen Abteilungen einen engen Kommunikationsaustausch. Das ist die interne Geschichte. Externe Zusammenarbeit: Verfassungsschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern und die Kommunikation, der Informationsaustausch sind Notwendigkeiten, die stattfinden. Es gibt Regelwerke über die Zusammenarbeit, die auch nach meiner Wahrnehmung eingehalten worden sind. Man hat die Informationen, die alle betreffen oder eine andere Behörde auch ausgetauscht. Und es gibt auch so was wie eine Zentralstellenfunktion des BfV, bei der die Infos aus den Ländern zusammenlaufen müssen. Also zu dem, was jetzt hier in NRW den Bund und die anderen Behörden betrifft, gab es einen regen Informationsaustausch. Was die anderen Behörden betrifft, gab es auch einen regen Informatioansaustausch. Man muss allerdings noch bemerken, dass NRW eine sehr starke Behörde, starke Abteilung Verfassungsschutz, rein schon von der Tatsache her [ist], dass es sich hier um einen Flächenstaat handelt, aber auch von der Personalstärke. Der Verfassungsschutz ist ja eben auch sehr inhomogen in den Ländern aufgestellt. Es gibt eben Länder, die brüsten sich damit, dass sie der kleinste Nachrichtendienst der Welt sind und dann gibt es eben das nordrhein-westfälische, das sehr stark besetzt ist. Das heißt, so eine Meinungsbildung kommt natürlich auch von den starken Ländern, da war NRW ganz vorn.
V: Sie haben gerade ausgeführt, dass die Regelwerke aus Ihrer Sicht eingehalten wurden und Austausch an Informationen erfolgt ist. Wie fand das statt?
K: Ritualisiert waren zum Beispiel Amtsleitertagungen; periodisch finden die statt, weiß nicht, ob das heute auch noch so ist, da ich ja drei Jahre raus bin. Periodisch finden Leitertagungen statt. Das heißt, das BfV lädt ein, macht Themenlisten, von Ländern und Bund gefüttert, also aktuelle Fragen. Und dann werden diese Sitzungen vorbereitet und alle Chefs der Dienste treffen sich, früher war das drei bis vier Mal im Jahr. Dazwischen gab es Regionaltagungen nach Nord und Süd aufgeteilt und da hat man versucht, regionalspezifische Interessen in den Vordergrund zu stellen. Nach der Wende war das aus meiner Sicht nicht immer so sinnvoll, weil Nord und Süd, das passte gar nicht so recht, trotzdem wurde es weitergemacht. Und dann wurden in einem Fall, in dem es Bezüge zu einem anderen Land gab, die Informationen ausgetauscht. Und dann gibt es natürlich Verbunddateien, wo Infos rein gestellt werden.
V: Wenn es Bezüge zu einem anderem Land gibt, wurden dann auch Infos ausgetauscht, auch außerhalb dieser drei- bis viermaligen Tagungen?
K: Ja, ständig. Also, das eine ist die Ebene der kommunikativen Auseinandersetzungen, also dass man in regelmäßigen Tagungen sich trifft und austauscht. Und das andere sind die einzelnen Vorgänge, was mehr oder weniger im schriftlichen Verfahren passiert. Und anlassbezogen gibt es natürlich auch Treffen, dass dann die Sachbearbeiter in einer Behörde die Sachbearbeiter der anderen Behörde aufsuchen, wenn es einen Einzelfall gibt, den man zusammen besprechen muss, weil es eben überregional relevant ist.
V. Wie muss ich mir dieses schriftliche Verfahren vorstellen?
K: Also, Sie haben einen Vorgang, in dem Vorgang finden Ex??? aus 3 Ländern statt und dann geben Sie diese Info an die drei Länder, die tangiert sind.
V: Ist das immer so passiert oder gab es Fälle, wo dieser Austausch nicht stattgefunden hat?
K: Also, ich kann das so ganz arrogant von meiner Seite aus sagen, soweit ich die Vorgänge mitgekriegt habe, ist der Infoaustausch erfolgt.
V: Also aus Ihrer Sicht?
K: In der Zeit, in der ich Verantwortung hatte und in der Zeit, in der ich mit der Behörde zusammengearbeitet habe. Ich muss allerdings dazu sagen, das war kein Kunststück, dass es diese Arbeitsweise hatte. Das war klar, der Verfassungsschutz ist eine Verbundangelegenheit, eine Gemeinschaftsaufgabe.
V: Haben sie denn umgekehrt den Eindruck gehabt, dass die anderen Bundesländer Ihnen auch sämtliche Infos im schriftlichen Verfahren, in Besprechungen oder Telefonaten, haben zukommen lassen?
K: Also die Frage kann man ja nur bruchstückhaft beantworten, weil man das ja nur an dem Einzelfall festmachen kann oder am Negativfall. Wenn man feststellt, dass in einem Land … oder man erfährt auf irgendeinem Kanal, dass in einem Land was passiert, was Bezüge zu z.B. NRW hat und man hat es nicht mitgeteilt bekommen. So ein Fall ist mir aber nicht in Erinnerung.
V: Können Sie uns schildern, als der NSU entdeckt wurde, und dann welche Maßnahmen getroffen worden sind in Ihrer Abteilung und dann die Art und Weise der Zusammenarbeit?
K: Eingangs muss ich dazu sagen, dass in dem Moment, wo das ganze Ausmaß der Mordserie bekannt geworden ist, das war der 11. November 2011, war ich auf einer kanarischen Insel, Fuerteventura. Als ich in der Presse dieses Ausmaß mitbekommen habe, weil es eine sehr, sehr intensive Berichterstattung war, habe ich mich mit der Dienststelle in Verbindung gesetzt und mein damaliger Leiter, der heute der Chef der Abteilung ist, hat mir versichert, dass alles gemacht wird, um den Beitrag NRWs zumindest zu leisten, um die Erkenntnisse zu bekommen, was für Bezüge es zu NRW geben könnte. Mein Vertreter kannte die Abteilung oder war schon sehr viel länger in der Abteilung als ich und hat auch vor meinem Eintreten in die Abteilung eine längere Zeit die Abteilung interims-mäßig geleitet, sodass ich sicher war, dass er das macht mit der Hausspitze, was anstand, gemacht zu werden. Nachdem ich zurückkam, bin in umfassend informiert worden, über alles, was gemacht worden ist und habe dann auf der gegebenen Erkenntnislage, die man mir vorgetragen hat, weitergearbeitet. Das heißt wir haben uns über die Akten gebeugt und Leute gefragt, die in dem Zusammenhang vielleicht Erkenntnisse hatten oder was wissen konnten. In dieser Zeit, nach Auffliegen des NSU, hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Bundesbehörde und den Landesbehörden als eine sehr intensive dargestellt. Und mit der Polizei auch. Also, es ist eben versucht worden, die ganzen Bausteine, die es gab, zusammenzulegen, wie ein Puzzle.
V: Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass die Zusammenarbeit dann enger geworden ist?
K: So habe ich das zumindest verstanden oder wahrgenommen. Aber das ist ja jetzt nichts Erstaunliches, weil es ist ja eine Ausnahmesituation ist. Und wenn Sie in einer Ausnahmesituation sind, rücken Sie näher zusammen, weil es jetzt ja auch darum geht, alles in jedem Bereich auf den Tisch zu bringen, was irgendwie in dem Zusammenhang sein könnte oder relevant sein könnte oder die Ermittlungen voranbringen könnte. Also, für mich ist das ein normaler Fall.
V: Welche Maßnahmen haben Sie dann selber in Ihrer Abteilung ergriffen?
K: Also, ich habe mir die Analysen angeschaut, die eben in der Zeit gemacht worden sind, in der ich nicht da war. Ich habe mich um die Beschaffungsseite gekümmert, habe mich mit dem Beschaffungsbereich noch mal intensiv zusammengesetzt und wir haben gesucht nach Möglichkeiten der Unterstützung aus dem Land. Also, wo könnte irgendwo Zusammenarbeit mit irgendjemand dieses NSU-Trios gewesen sein. Und ich sage das jetzt auch gleich hier, was wir im Einzelnen gemacht haben, kann ich ihnen jetzt nicht in einer öffentlichen Sitzung sagen. Soweit ich das noch weiß, es ist drei Jahre her, alles was wir damals gemacht haben, ist auch aktenkundig geworden und ähm, ja, das war‘s.
V: Können Sie uns denn zu den Ergebnissen was sagen?
K: Also, die Ergebnisse waren zunächst aus meiner Sich nicht so befriedigend, wie ich mir das erhofft habe. Ich hätte mir erhofft, dass man jetzt, wo man ja einiges wusste vom NSU, dass man dann, wie einen Reißverschluss das öffnen könnte und dann vielleicht ein komplettes Lagebild für NRW hinbekäme. Das war aus meiner jetzigen Erinnerung nicht möglich. Es ist eben scheibchenweise was rausgekommen und das haben wir dann den Ermittlungsbehörden mitgeteilt in der angemessenen Form.
V: Warum hat sich dieses schnellere Bild nicht ergeben?
K: Äh, das wäre jetzt reine Spekulation. Eine Spekulation ist, dass der NSU doch sehr stark konspirativ gearbeitet hat.
V: Gab es neben der Unterstützung der Ermittlung weitere organisatorische Maßnahmen?
K: Also, ich habe z.B. die Auswertung Rechtsextremismus um zwei Wissenschaftler verstärkt, die vorher schwerpunktmäßig in der Öffentlichkeitsarbeit waren und wollte dann von Politologen die Analyse verstärkt wissen. Und in der Beschaffung haben wir eben versucht, also hier in der nachrichtendienstlichen Beschaffung, arbeitende Quellen auf dieses Phänomen anzusprechen oder anzusetzen.
V: Sie haben sich dann mit diesen Wissenschaftlern auch den Zeitraum der Tätigkeiten des NSU angeschaut, also rückblickend? Können Sie das noch Mal ausführen?
K: Also, ich habe all das getan, was man in so einer Situation machen muss. Und ich kann Ihnen das jetzt nicht mehr im Einzelnen sagen, das ist ja Tagesgeschäft. Sie nehmen sich einen Vorgang vor und gehen den durch und versuchen eine Analyse der Fakten hinzukriegen.
V: Gab es, um diese Fragen zu beantworten, auch externe Unterstützung in Ihrer Abteilung? Die organisatorischen Fragen meine ich jetzt.
K: Also, die Frage habe ich nicht richtig verstanden, Herr Vorsitzender.
V: Ob Sie zusätzlich zu Ihren Überlegungen, die Sie gemacht haben, welche Überlegungen, die Sie mit der Hausspitze abgesprochen haben, ob Sie da jemanden hinzugezogen haben?
K: Es gab ja einen Gutachter, da ging es aber um einen Beschaffungskomplex und das ist dann mit den parlamentarischen Kontrollgremien intensiv besprochen worden, das war aber, wenn ich mich richtig erinnere, in der ???-Position. Hatte jetzt aber nicht unmittelbar mit dem NSU zu tun. Da ging es einfach um Beschaffungsfragen.
V: Um grundsätzliche Fragen der Organisation?
K: Nee, nicht Organisation, sondern Informationsbeschaffung.
V: Sie haben das in öffentlicher Sitzung des Untersuchungsausschusses ausgeführt, es gab Gutachten von Schubmann-Wagner, das war ja auch bekannt.
K: Das meinte ich.
V: Ja, dann waren das jetzt zum Einstieg meine Fragen, ich habe versucht, so einige Themenbereiche schon mal anzusprechen. In der bisherigen Beweisaufnahme werden die Fraktionen daran anknüpfen. Die Reihenfolge: es geht mit der CDU-Fraktion los, der Kollege Biesenbach.
CDU: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Frau Koller, relative kurze Zeit nach der Aufdeckung der Taten des NSU standen ja die Verfassungsschutzbehörden massiv in der Kritik. Wie hat sich das bei Ihnen ausgewirkt? Haben Sie gesagt, wir gucken nach der ???-Bilanz? Haben Sie dann die Vorhalte der Taten für NRW betrachtet? War das dann Tagesgeschäft oder haben Sie und Ihre Behörde sich mit Hochdruck besondere Sachen angeguckt?
K: Also, wir haben natürlich mit Hochdruck in diesem Themenbereich gearbeitet. Wir haben uns auch konzentriert auf mögliche Zusammenhänge zur Szene in NRW. Und ganz klar war, dass nach Aufdecken dieser NSU-Morde man schwerpunktmäßig noch Mal Bezüge zu unserem Land analysieren musste bzw. versuchen musste, was herauszufinden. Immerhin haben wir ja mehrere schlimme Taten in NRW gehabt.
CDU: Ich bitte Sie, da schon etwas konkreter zu werden, denn es geht um die Überlegung mit dem externen Helfer, ???.
K: Ich habe das eben zumindest versucht zu sagen, dieser externe Gutachter hatte mit NSU unmittelbar nichts zu tun. Das war einfach nur die Frage, wie funktioniert Informationsbeschaffung? Gibt es in dem Bereich Schwachstellen? Gibt es Punkte, die wir uns noch Mal anschauen müssen und da haben wir uns eben diesen externen Gutachter bestellt. Das war im Einvernehmen mit der Hausspitze. [Anm.: Gemeint ist das Gutachten von Schubmann-Wagner über die Arbeit des NRW-Verfassungsschutzes.]
CDU: Sie hatten eben gesagt: mit Hochdruck den NSU betrachtet. Können Sie uns das schildern?
K: Also, Herr Abgeordneter, das ist drei Jahre her. Ich habe eben schon ausgeführt, wir sind jedem einzelnen Punkt nachgegangen. Also, Sie haben 16 Behörden, Sie haben das Bundesamt und es kommen Informationsbausteine und jeder Informationsbaustein, der das Land betrifft, den legt man noch Mal zwei Mal um und guckt, ob es da irgendwas geben könnte. Das war unser Tagesgeschäft, also der Schwerpunkt im Rechtsextremismus, das war NSU und das hat auch alle Behörden wahrscheinlich bis jetzt beschäftigt.
CDU: Frau Koller, diese Situation hat Deutschland massiv in Aufruhr versetzt. Ich kann mir da nicht vorstellen, dass man vergisst, was man da als Behörde gemacht hat. Deshalb bin ich mit Ihrer Antwort im Moment nicht zufrieden, muss kritisieren. Nach der Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt hat das BKA in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern die Ermittlungen weitergeführt. Das LKA hier in NRW hat dann die BAO Trio eingerichtet und vorgestellt. In diesem Zusammenhang waren dann auch Vertreter Ihrer Abteilung da. Bei der Aktendurchsicht der BAO Trio habe ich nicht den Eindruck gewinnen können, dass der Verfassungsschutz an Maßnahmen beteiligt war. Seitens des LKA wurde die Funktion des Staatsschutzes betont, aber nicht die des Verfassungsschutzes. Was haben Sie denn konkret getan? Eine der stärksten Abteilungen bundesweit und ich kann mir nicht vorstellen, dass man als Leiterin einer solchen Behörde in dieser Zeit, unter dieser massiven Kritik, das dann vergisst.
K: Ich habe nicht von „Vergessen“ gesprochen, sondern ich habe eben schon mal differenziert zwischen internen Abläufen, die man in einer öffentlichen Sitzung sagen kann, und internen Abläufen, die da eben nicht gehen. Und dann dazu: was gibt es in den Akten und was gibt es nicht. Die Maßnahmen, die Sie ansprechen, sind polizeiliche Maßnahmen. Wir dürfen nicht vergessen, es handelt sich hier um schwerste Straftaten, also mussten die Ermittlungsbehörden sein, die in erster Linie hier aktiv werden. Es gab eben diese polizeiliche Arbeit und auf der anderen Seite, so habe ich das zumindest gespeichert, gab es eine intensive Verfassungsschutz-Arbeit. Und die ist zunächst erst mal im Verfassungsschutz-Verbund gemacht worden und dann hat man natürlich auch sich mit der Polizei zusammengesetzt und hat dann die Ergebnisse ausgetauscht bzw. ergänzt. Tut mir leid, dass ich da jetzt nicht wirklich… (Die Zeugin murmelt leise.)
CDU: Frau Koller, wir werden Sie gleich bitten, dies im nicht-öffentlichen Teil anzugeben, denn ich möchte konkret wissen, was Sie getan haben. LKA, öffentlich gehandhabt, was hat der Verfassungsschutz getan? Haben Sie das lediglich zur Kenntnis genommen. Wenn sie jetzt sagen, das kann nicht in die öffentliche Sitzung, dann können wir das anschließen.
K: Es ist ja so, klar, im nicht-öffentlichen Teil kann ich Ihnen mehr erzählen. Aber das Geschäft des Verfassungsschutz funktioniert ja so, dass es als Vorfeldbehörde kreiert und eingerichtet worden ist und dass der Verfassungsschutz aus der Extremismuslage Informationen sammelt und eine Extremismuslage macht. Und diese Erkenntnisse werden, wenn es zulässig ist, der Polizei dann gegeben. Und im Fall nach NSU wurde der Polizei alles gegeben, was da auf den Tisch kam.
V (zur CDU): Ich würde Ihnen da gern zur Seite springen. Ich hatte ja eben schon gefragt, dass Sie die Ergebnisse…, die können Sie uns doch durchaus mitteilen. Haben Sie denn die Ergebnisse verändert, nachdem der NSU aufgedeckt worden ist? Die Bewertung der rechtsextremen Szene in NRW?
K: Also, Sie sprechen jetzt an: die Erkenntnislage in NRW. Die wird ja jedes Jahr fortgeschrieben, es gibt die Verfassungsschutz-Berichte. Ich bin jetzt raus seit 2012 und aus dem VS-Bericht 2012 ergibt sich ja auch schon eine Veränderung der Einschätzung. Also, die Gewaltbereitschaft wurde, wenn ich das noch richtig im Kopf habe, noch mal sehr stark in den Vordergrund gestellt, Vernetzung untereinander. Und die Arbeit läuft ja so ab, dass wenn man sich mit Extremismus oder Terrorismus beschäftigt, dass man zunächst mal die Phänomene einkreist, dass man sagt, was haben wir hier? Wir haben eine Parteienstruktur, wir haben Kameradschaften, wir haben inhomogene Kleinstgruppen und wie funktionieren die zusammen? Was gibt es da für überregionale Verbindungen? Und dann: wie ist die Gewaltbereitschaft einzuschätzen? Das ist das Arbeitszeug und das haben wir gemacht.
CDU: Haben Sie sich in dieser Zeit konkret mit Personen beschäftigt? Am ??? in seiner Wohnung in Düsseldorf, wurde Carsten S. verdächtigt, die NSU-Gruppe finanziell, logistisch, u.a. auch in der Beschaffung der Schusswaffe, unterstützt zu haben. Lebte in Jena und war von ???-??? im Thüringer Heimatschutz. Bis zu seinem Wegzug nach Düsseldorf im Jahre 2003 gab es Kontakte zur rechtsradikalen Szene. In einer Sitzung des Innenausschusses vom 2.2.2012 haben Sie erklärt, bis zur Aufdeckung des NSU hat der Verfassungsschutz in NRW die Person Carsten S. nicht gekannt. Ab wann hatten sie Kenntnis über ihn und andere Personen? Aber bitte möglichst konkret, im Augenblick habe ich konkret noch nichts von Ihnen erfahren, Frau Koller.
K: Konkret kann man nur was ausführen, wenn man Konkretes weiß. Und die Frage ist, ob ich zu diesen Fragen die richtige Zeugin bin. Das erfordert ein Aktenstudium, gerade diese Carsten S.-Geschichte, die habe ich präsent, da es Innenausschuss-Thema war. Der Mann war in den Folgejahren, aus meiner Erinnerung heraus, aus der Szene ausgestiegen und hatte sich hier in nicht-extremistischem Milieu aufgehalten. Die Thüringer haben uns nicht mitgeteilt, dass der nach NRW umgezogen ist. Wir haben das nicht gewusst. Das ist aber auch einfach gar nichts Ungewöhnliches, weil der Verfassungsschutz ja keine Einzelpersonen beobachtet. Der rennt ja nicht hinter jemandem her und verfolgt den. Sondern er beobachtet Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Und insofern ist es für mich als Bürger ganz beruhigend, dass man nicht jede Bewegung von einem selber mitkriegt. Aber in diesem Fall war es halt so, wir wussten nichts von dem Umzug des Carsten S.. Was sich allerdings bei mir auch festgesetzt hat, ist, dass der in NRW in der rechtsextremistischen Szene keine Rolle gespielt hat, weil er da nämlich rausgegangen ist. Schon wahrscheinlich in Thüringen.
CDU: Woraus schließen Sie, dass er hier keine Rolle gespielt hat?
K: Weil wir es nicht wissen! Wir haben aber danach Nachforschungen angestellt und es ist glaubhaft versichert worden, dass dieser Mann aus der rechtsextremistischen Szene raus ist.
CDU: Vermutung oder Mitteilung?
K: Das war Mitteilung. Das war Beschaffungsarbeit, war Informationsgewinn.
CDU: Sie wirkten so überzeugend in dieser Sitzung des Innenausschusses, da haben Sie auf weitere Nachfrage erklärt, in der Regel mache der Verfassungsschutz des Landes, das ein Extremist verlässt, Meldung an das Land, in das er zieht. Das ist hier nicht der Fall und das haben Sie gerade gesagt. Haben Sie oder Mitarbeiter Ihrer Behörde in Thüringen nachgehakt?
K: Das ist danach sicher passiert. Ich habe jetzt keine konkrete Erinnerung, aber das ist sicher passiert, weil das Tagesgeschäft ist und das ist jetzt in Thüringen eben passiert.
V: Ich möchte da ganz kurz noch Mal einhaken. Sie haben ja sehr ausführlich die Zusammenarbeit eben geschildert. Auch dieses schriftliche Verfahren, da gab es dieses schriftliche Verfahren im Fall Carsten S. nicht?
K: Jetzt aber nicht von nordrhein-westfälischer Seite, sondern aus Thüringer Seite.
CDU: Frau Koller, in einer Sitzung des Innenausschusses unseres Landtages am 15.12.2011 ging es u.a. um aktuelle Erkenntnisse zu den rechten Terrorgruppen. Unter dem Stichwort Axel Reitz ging es um die Frage, ob das Innenministerium Pressemeldungen bestätigen könne, nach denen Axel Reitz Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der Kameradschaft Jena sowie zu führenden Aktivisten des Thüringer Heimatschutzes unterhalten hat. Diese Frage hat der LKA-Direktor Schürmann beantwortet. Es wundert mich, das zu dieser Frage ein Kriminalbeamter geantwortet hat und nicht der Verfassungsschutz. Wie erklären Sie mir das?
K: Die Erklärung kann ich nicht komplett liefern, vielleicht für Sie nicht befriedigend. Aber ein Erklärungsansatz ist, dass die Fakten, die Sie jetzt genannt haben, alle im Zusammenhang zumindest mit dem Verdacht von Straftaten stehen und dass da in erster Linie auch die Polizei Antworten gibt und gefragt wird. Das könnte ein Erklärungsansatz sein.
CDU: Hat denn die Polizei dann von Ihnen Informationen angefordert oder bekommen?
K: Also, Sie können jetzt von mir nicht verlangen, dass ich diese Einzelheiten von vor drei Jahren präsent habe. Da muss man in die Akten schauen, ob das der Verfassungsschutz wusste, ob man das ausgetauscht hat, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.
CDU: Axel Reitz war seit 10 Jahren bekannt.
K: Ja, Axel Reitz ist mir bekannt, sogar persönlich. Aber ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob in der Vorbereitung dieser Innenausschuss-Sitzung die Abteilung Polizei mit dem Verfassungsschutz gesprochen hat oder wo die Erkenntnisse herkamen, das wäre jetzt Spekulation.
CDU: Gab es überhaupt einen Austausch?
K: Es gab einen Austausch. Zwischen der Abteilung 4 und der Abteilung 6 und aus meiner Erinnerung sogar ???
CDU: Haben Sie denn die Person Axel Reitz auch nach dem Auffliegen des NSU noch mal näher unter die Lupe genommen?
K: Das ist jetzt ‘ne Sache, die geht hier nicht.
CDU: Also, dann nicht.
V: Dann wechselt jetzt das Fragerecht zur SPD-Fraktion, der Kollege Kossiski.
SPD: Themenschwerpunkt NSU-Netzwerke, Zusammenarbeit in NRW mit dem NSU direkt. Wir hatten in der letzten Woche Ihren Kollegen Schnieder hier. Da ging es um zwei Veranstaltungen, in Minden und in Borna. Ein Treffen führender Neonazis und dass auch Quellen dort waren. Können Sie sich daran erinnern?
K: Herr Schnieder hat Ihnen ja dann Auskunft gegeben. Sie reden hier mit jemandem, der drei Jahre aus dem Geschäft raus ist. Ich hatte in der Vorbereitung zu dieser Sitzung überhaupt keine Möglichkeit, mich mit Akten zu beschäftigen und das ist es, was mich momentan so irritiert, dass Sie mich so behandeln, als sei ich eine aktive Beamtin, die jetzt gerade von ihrem Arbeitsplatz kommt und noch schnell die letzten Akten gesichtet hat. Es ist für mich nicht möglich, jetzt die einzelnen Treffen Ihnen hier vorzusagen und aus meiner Sicht wäre es auch nicht professionell, gerade weil ich so viel Erfahrung im Verfassungsschutz habe, irgendwas hier hin zu plappern und das mache ich auch nicht.
SPD: Frau Koller, Sie sind über lange Zeit Leiterin in diesem Bereich gewesen. Wir reden hier nicht über irgendwelche Treffen, sondern über bundesweite Führungstreffen von nordrhein-westfälischen Neonazis. Wenn ich jetzt Ihren Worten folgen kann, dann wissen Sie nichts davon, weil Sie drei Jahre aus dem Geschäft sind. Sie haben eben glaubhaft Ihre Betroffenheit beim Auffliegen des NSU geschildert und dann fünf Sätze später gesagt, die Maßnahmen waren Tagesgeschäft. Ich verstehe, dass sie drei Jahre aus dem Geschäft sind, aber zu dem Zeitpunkt, als Sie Beamtin waren, sind entscheidende Treffen und entscheidende Gespräche auch in Ihrem Hause zu Stande gekommen, das haben Sie ja auch bestätigt. Ohne jetzt die Aktenkenntnis zu haben, meine Frage noch Mal, was wissen Sie davon?
K: Im Grunde kann ich noch mal an das anknüpfen, was ich eben gesagt habe. Das Tagesgeschäft hatten Sie etwas falsch interpretiert. Tagesgeschäft nach NSU-Aufdecken war einfach die Analyse des Rechtsextremismus in NRW. Und alles, was da relevant war, was an Treffen war, was auch in den Akten noch geschlummert hat, dass man z.B. irgendwelche Anhaltspunkte gefunden hatte, die in dieses Bild passen könnten, sind natürlich gesichtet worden. Man hat sich ausgetauscht, man hat das auch mit den anderen Behörden, mit denen man sich getroffen hat und mit der Polizei ausgetauscht. Der Grund, warum ich hier sitze, ist sehr wahrscheinlich diese Berichterstattung, die in der „Welt am Sonntag“ losging und da kriegen Sie ja einen kleinen Einblick über das, was ich damals gemacht habe. Nämlich, ich bin sehr akribisch den einzelnen Sachen nachgegangen und ich habe in dem Moment, wo es anstand, bin ich dem Detail nachgegangen und habe dann die Ermittlungsbehörden über alles informiert, was wir hatten. Und insofern möchte ich das auch von mir weisen, dass Sie mir jetzt unterstellen, dass ich hier nicht konkret werden will und dass Sie mir dann unterstellen, dass ich hier mauere. Das ist aber nicht der Fall.
SPD: Sie sitzen hier nicht, weil Sie in der Presse waren. Ich möchte von Ihnen einfach nur konkret wissen, was Sie in dieser wichtigen Behörde vor allen Dingen nach Auffliegen des NSU in dieser Zeit, was haben Sie konkret veranlasst? Das treibt mich hier um. Also, hier will niemand Ihnen etwas unterstellen. Wir bitten Sie inständig, uns über diese Sachen Auskunft zu geben, was Sie in der Zeit Ihrer Verantwortung, was Sie von Gesprächen, was Sie an Wissen haben. Haben in NRW Neonazis mit bundesweit tätigen Neonazis bei Treffen Gespräche geführt? Ist Ihnen davon berichtet worden? Sind daraus Ermittlungsansätze entstanden? Internationale Kontakte? Wir haben uns in der letzten Woche darüber unterhalten. Ich beziehe mich allerdings wieder auf einen Presseartikel, dass Scotland Yard an NRW-Behörden, ich lasse das mal offen, ein 70-Seiten-Dossier zu den Copeland-Anschlägen übergeben hat. Ist dies mal bei Ihnen diskutiert worden? Sind daraus Schlüsse gezogen worden? Sind Ihre Quellen konkret befragt worden? Haben Sie es veranlasst, haben Sie es selber gemacht? Welche konkreten Schritte haben Sie damals unternommen?
K: Also, in der Zeit, in der ich die Verantwortung für den Verfassungsschutz in NRW hatte, da können wir noch mal von vorne anfangen, das war im Dezember 2009, habe ich mir zuerst Mal einen Überblick über die Ist-Lage gemacht. Und zwar in jedem Phänomenbereich. Und für mich war klar, es gibt zwei Schwerpunkte: das eine war Rechtsextremismus und das andere war Islamismus. Der Islamismus hat viel Personal gebunden. Im Rechtsextremismus hatte man einen geringeren Personalansatz und aus meiner Sicht war es so, dass die Wissenschaftler im Bereich Rechtsextremismus weniger in der Analyse der Fakten eingesetzt waren, sondern viel mehr in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Öffentlichkeitsarbeit habe ich als sehr wichtig empfunden, aber ich habe es auch als sehr wichtig empfunden, dass man die gewonnenen Informationen, die über Quellen oder V-Leute gewonnenen Informationen oder über die Analyse von konkreten Schriftstücken dieser Extremisten, dass man die auch mit einer wissenschaftlichen Brille analysiert. Das habe ich gemacht. Ich habe dort die Analyse verwissenschaftlicht, wenn Sie so wollen. Was die Beschaffung betraf, so habe ich mir einen Überblick über die Zugänge verschafft und die Schwerpunkte. Klar erkennbar war, dass in NRW die Parteilandschaft mehr oder weniger im Sinken war. Also, angeführt von der NPD, die immer schwächer geworden ist. Und dass sich die Kameradschaftsszene sehr stark verstärkt hatte. Es aber auch inhomogene Kleinstgruppen gab. Und wichtig, das hatte ich eingangs schon mal gesagt, es einfach sichtbar war, dass eine Vernetzung stattgefunden hat. Und es eine Vernetzung gab. Diese Vernetzung war nicht nur unter den Gruppen, anlassbezogen, sondern diese Vernetzung gab es auch überregional. Die gab es in der BRD insgesamt, aber auch international. Gab es irgendein internationales Treffen, dann waren natürlich auch Leute aus NRW da.
SPD: Im Anschluss: Wie weit haben Sie da z.B. Thomas Gerlach, Kameradschaftstreffen ???
K: Also, die Brille nach Aufdecken des NSU ist natürlich, oder der Fokus ist ein anderer geworden oder es hat sich viel mehr konzentriert auf die Leute, die dann auch überregional mit anderen Neonazis zusammengearbeitet haben. Es ist zu sehen gewesen, dass diese Neonazis sich auch getroffen haben zu überregionalen Veranstaltungen und dann in NRW in der Regel immer dabei waren. NRW ist ein Flächenland und es gibt eben sehr viele Gruppen und es gibt dann eben auch eine Reisebewegung zu überregionalen Treffen. Und da, wenn Sie den Namen Gerlach jetzt nennen, gehörte der natürlich dazu. Aber nicht zu uns, sondern ???
SPD: Konkrete Frage war ja, haben Sie das überprüfen lassen?
K: Wir haben, das wird Ihnen jetzt natürlich auch nicht gefallen, jede Sache überprüfen lassen, die uns aufgefallen ist. Und zwar mit den Mitteln, die wir zur Verfügung hatten. Und es ist kein Baustein irgendwie hängen geblieben aus meiner Sicht. Also, eben kam ja die Sache mit dem Thomas G., als das bekannt geworden ist, sind wir natürlich der Sache nachgegangen. Haben dann die Erkenntnisse gewonnen, die ich eben vorgetragen habe.
V: Dann will ich mich auch noch mal kurz einschalten. Was ist Ihnen denn dann aufgefallen?
K: Uns ist aufgefallen, dass es eine intensive Vernetzung gibt. Ein intensiver Austausch, dass man sich auf Treffen eben intensiv …, ja, dass es eben intensive Beziehungen gab. Also, man hat das gemerkt, dass es über den Kreis NRW hinaus eben auch solche Treffen gab.
V: Das ist Ihnen erst aufgefallen, als der NSU aufgedeckt war?
K: Nein. Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Aber wie der Kollege Abgeordnete gesagt hat, wenn man dann einen Baustein hat, dann schaut man da: der war auf dem Treffen mit dem und so. So ist es eben.
SPD: Ich habe für diese Runde noch eine Abschlussfrage. Wir hatten letzte Woche den Kollegen Kretzer vom LKA hier. Da haben wir über die Zusammenarbeit zwischen den Behörden gesprochen. Sie haben gesagt, dass die sehr gut war. Herr Krezter hat gesagt, dass er keinerlei Infos vom VS erhalten hat. Können Sie sich das erklären?
K: Also, aus meiner Sicht, als ich hier die Abteilung übernommen habe, hat sich mir aufgedrängt, dass die Polizei eine sehr gute Kenntnis der extremistischen Lage hatte. Und sicher auch die Polizei dem Verfassungsschutz Informationen gegeben hat, die der Verfassungsschutz nicht hatte. Was mir aber immer auffällt, jetzt auch durch Ihre Fragen, ist –: ich glaube, der Verfassungsschutz wird in seiner Rolle nicht präzise eingeschätzt. Der Verfassungsschutz ist eine Vorfeldbehörde, er kann Analysen machen, er beobachtet mittel- und langfristig die Extremismuslage und bewertet diese. Konkrete Einzelerkenntnisse, das sind dann eher Ergebnisse der polizeilichen Arbeit in Zusammenhang mit Extremismus-Beobachtung. Das ist meine Wahrnehmung und ich glaube, man muss hier einfach auch sagen, dass die Polizei in diesen Bereichen durch ihre Mittel, die sie hat, durch Hausdurchsuchungen, durch Präsenz bei Demos, uns fällt jemand auf, dabei wesentlich mehr Informationen aufgenommen haben könnte als der Verfassungsschutz.
V: Wenn Sie gestatten, würde ich dann diese Frage noch mal aufgreifen und Ihnen ganz konkret diese Frage stellen. Haben Sie mit dem BAO Trio Informationen ausgetauscht? Sie haben ja eben gesagt, es sind Leute informiert worden. Wen haben Sie informiert?
K: Also, bei der Aufklärungsarbeit sind die VS-Behörden informiert worden und auch die Polizei. Und es gab auch Runden, auch Runden mit der Abteilung 4, es gab Runden mit den Verfassungsschutz-Behörden, an denen auch Polizei teilnahm.
V: Dann wechselt jetzt das Fragerecht an Bündnis 90/Die Grünen, Frau Düker bitte.
Grüne: Dankeschön Herr Vorsitzender. Frau Koller, ich würde Sie gerne befragen zu einer Dienstlichen Erklärung vom 9.2. an den Generalbundesanwalt, die Herr Schnieder in Ihrer Vertretung verfasst hat. Ist die Ihnen bekannt, sagt Ihnen das jetzt was, oder soll ich Ihnen?
K: Müssten Sie vortragen.
Grünen: Dann möchte ich einen Vorhalt daraus machen. Das ist A60754, S. 44-45. Diese dienstliche Erklärung stand ja auch in vielen Zeitungsberichten, die Sie sicherlich auch gelesen haben, in der „Welt am Sonntag“ usw., wir das ja auch draus zitiert, hinlänglich. Zunächst die grundsätzliche Frage: Herr Schnieder hat das unterschrieben in Ihrer Vertretung. Ist ihnen diese Erklärung bekannt, hat Herr Schnieder das mit Ihnen abgesprochen? Haben Sie die verfasst oder Herr Schnieder – wie ist das für uns einzuordnen? Da geht es darum, dass Sie da sagen, eine Überprüfung relevanter Personen, dass es sich hier um eine Ähnlichkeit mit Johann H. handelt und dass Sie am Ende dann aber einen Anhaltspunkt für eine Tatbeteiligung nicht sehen.
K: Ich kenne die Erklärung. Die Tatsache, dass Herr Schnieder das unterschrieben hat, lag sicher daran, dass ich wohl unterwegs war.
Grüne: Ist die Ihnen bekannt?
K: Ja, die ist mir bekannt.
Grüne: Die ist Ihnen bekannt. Also auch der Tatausschluss hier von Johann H.. Der Herr Schnieder hat hier gesagt, dass er die [die dienstliche Erklärung]persönlich nach Karlsruhe gebracht hat und im Zuge dessen gab es weitere Anforderungen seitens des GBA [Generalbundesanwalt] an das Landesamt für Verfassungsschutz. Was haben Sie … – Herr Schnieder hat da auch einige Stichpunkte in öffentlicher Sitzung gesagt, ich würde das gern konkretisieren –, was haben Sie im Zuge dessen an Informationen über Johann H. an den GBA geschickt?
K: Ein Vorgang …, nur weil er in der Zeitung stand, ist es für mich noch nicht aus der Verschlusssachen-Anweisung raus. Und ich sehe jetzt hier, dass es ein VS-NfD-Papier [Anm.: Verschluss-Sache – nur für den Dienstgebrauch] war und jetzt zum Schutz der Personen möchte ich das in der nicht öffentlichen Sitzung klären.
V (zur Zeugin): Ich darf kurz darauf hinweisen, welche Rechtsauffassung der Ausschuss hier hat. Wir haben uns der Rechtsauffassung des Deutschen Bundestags in Absprache mit dem Geheimschutzbeauftragten angeschlossen, dass wir, wenn wir Akten, die VS-NfD eingestuft sind, vorhalten, dass dies dem dienstlichen Gebrauch eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses genügt und diese deswegen in öffentlicher Sitzung vorgehalten werden können. Deswegen würde ich Sie bitten, die Frage zu beantworten.
K: Also, ich habe jetzt nicht das Papier beanstandet, das, was hier VS-Papier ist, ist in der niedrigsten Einstufung, sondern die Folgefragen, was wir dann für den GBA gemacht haben. Gut, ich kann das natürlich so beantworten. Der Vorgang ging ja …, so wie sich das bei mir im Gedächtnis verankert hat …, war das so, dass der GBA dem BfV einen Vorgang, ein Phantombild geschickt hat und gebeten hat, zu prüfen, festzustellen, ob diese Person dort bekannt sei. Das BfV hat dann die VS-Behörde NRW angesprochen und gefragt, ob diese Person hier bekannt sei. Der Fachbereich kam … – und das war auch im Fachbereich selber, also nicht mich persönlich angerufen, sondern eben den Bereich Rechtsextremismus. Und der Leiter des Bereichs Rechtsextremismus kam dann auf mich zu. So hat sich das bei mir festgestellt. Wenn Sie jetzt die Akten lesen, da steht was anderes, muss ich sagen. Aber so habe ich es in Erinnerung. Und dann ist man in den Fall eingestiegen und hat festgestellt, es ist einfach nicht auszuschließen, dass diese Person eine Ähnlichkeit mit dem Phantombild hat. Das Phantombild ist ja auch auf eine Weise entstanden, die, ja, was mit Psychologie und mit Psyche zu tun hat und man war eben nicht sicher: könnte der das sein? Und dann sind wir der Sache nachgegangen und haben den weiteren Schriftverkehr mit dem GBA gemacht, zu …, also, ich beziehe mich jetzt mal auf die „Welt am Sonntag“. Im Grunde ist aus dem Papier ja umfangreich zitiert.
Grüne: Das heißt, Sie haben Informationen, die über Johann H. vorlagen, an den GBA gesandt?
K: Ja.
Grüne: War Ihnen bekannt, dass Johann H. im „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ [(KDS)] organisiert war, der bis zu seiner Auflösung von Thomas Gerlach geleitet wurde, der ebenfalls zu bestimmten Netzwerken gehörte und als möglicher Unterstützer des NSU da auf eine Spur hinführt. Und war Ihnen diese Beziehung H.s zu Gerlach, dadurch dass es dort auch eine Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit zum KDS gab, war Ihnen das zu diesem Zeitpunkt auch bekannt? Ist das auch eingeflossen in die Mitteilungen?
K: Also, ob das zu dem Zeitpunkt bekannt war, kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben uns dann nur mit der Person intensiv beschäftigt und haben festgestellt, dass wir all diese Informationen, die wir haben, auch dem GBA mitteilen. Und in dem Vorgang fällt ja auch auf, dass flächendeckend der GBA informiert worden ist, über das, was wir herausgefunden haben. Die Person wurde auch kontaktiert, soweit ich das noch in Erinnerung habe und das ist auch alles im Einzelnen veranlasst worden und der GBA ist dann auch umfassend informiert worden, weil es sich hier um die Aufklärung einer schlimmen Tat handelte.
Grüne: Noch mal konkret. Weil es geht ja, Sie haben das ja selber ausgeführt… Ihr Job war es, in der Aufarbeitung eine mögliche Vernetzung NSU nach NRW, Stichwort Unterstützernetzwerk, auch aufzudecken. Das war ja Ihr Auftrag und Sie haben ja selber gesagt, da haben wir jeden Stein umgedreht. Deswegen noch mal konkret die Frage: war ihnen dieser Kontakt Gerlach und H. bekannt und ist das bei Ihnen auch aktenkundig gewesen und dann auch an den GBA gegangen?
K: Also, dieses Detail Frau Abgeordnete, kann ich Ihnen nicht sagen. Da müsste ich in die Akten gucken. Aber wenn das zu der Zeit bekannt war, dann ist das dem GBA mitgeteilt worden. Aber das ist jetzt wirklich nur eine Ableitung. Ich kann Ihnen konkret, … oder ich kann Ihnen zu dem Fall nicht sagen, ob das konkret zu dem Zeitpunkt war.
Grüne: Wir könnten da jetzt einen Vorhalt machen, würde ich jetzt aber drauf verzichten. Noch mal weiter, weil wir auch diese Person beleuchten wollen: War Ihnen denn auch bekannt, weil das ja auch eine relevante Größenordnung ist, dass H. bereits Ende der Achtziger Jahre in einer Wehrsportgruppe namens Heimatschutzverband sich bewegte und ja auch hohe Militanz zeigte, bis hin dazu, dass hier in einer Schrift auf den totalen Widerstand, Kleinkriegsanleitung für jedermann, in der Zeitschrift Internationaler Waffenspiegel, also dass H. auch in solchen hoch militanten Szenen Kontakt hatte –. War dem Verfassungsschutz diese Gruppe bekannt und sind diese Kontakte von Johann H. bekannt und sind die auch eingeflossen in die Informationen?
K: Ich fange mal hinten an. Ich habe diese Person vorgefunden und in dem Moment, in dem ich mich mit dieser Person befasst habe, jetzt im Zusammenhang mit dieser Phantombildvorlage, habe ich auch Konsequenzen gezogen. In dem Moment, in dem ich von der Vita erfahren hatte, haben wir die Zusammenarbeit beendet.
Grüne: Die Frage hatte ich ja gar nicht gestellt.
K: Das ist für mich wichtig, weil ich die Person vorgefunden habe. Ich habe diese Person nicht geführt oder ich habe die nicht angeworben, ich habe die vorgefunden. Und in dem Bereich der Quellen habe ich mir eben angeschaut: welche Quellen wollen wir weiterführen und welche nicht und er gehörte eben nicht dazu.
Grüne: Warum Sie die Quelle nicht abgeschaltet haben, das will ich hier gar nicht primär in den Raum stellen, das ist auch eine relevante Frage. Sondern die Frage, was Ihnen in der Aufarbeitung …, weil sie ja auch tatsächlich eine Ähnlichkeit …, finde ich eine gravierende Geschichte, dass sie da zumindest eine Ähnlichkeit mit dem Phantombild gesehen haben, gleichzeitig aber mit dem Vermerk eine Tatbeteiligung zu einem sehr frühen Zeitpunkt ausschließen. Und deswegen noch einmal diese Frage darauf: waren Ihnen diese ganzen Beteiligungen von Johann H. in diesen hoch militanten Gruppierungen bekannt, u.a. eben auch, dass er eine Ausbildung als Scharfschütze hatte und auch in der Lage war Sprengfallen zu bauen, weil er auch da Lehrgänge besucht hatte. Also, alle solche Spekulationen, Vermutungen, sind Sie denen nachgegangen und haben diese auch Eingang erhalten in die Mitteilung? Am Ende steht natürlich die Frage, warum haben Sie eine Tatbeteiligung zu diesem frühen Zeitpunkt ausgeschlossen?
K: Sie müssen vielleicht auf Folgendes noch Mal blicken. Wenn man eine solche Sache betrachtet und man gibt diese Erkenntnisse an eine Strafverfolgungsbehörde, muss man das ja auch mit Augenmaß machen. Die Leute, die diese Person geführt haben, haben mir versichert, dass er eigentlich kein Rechtsextremist ist und dass er im Grunde nur im Auftrag von uns die Szene ausforscht. Und Sie können im Grunde, wenn es dann darum geht, also schon diesen Vorhalt machen, dass man sagt, ich schließe eine Ähnlichkeit nicht aus, muss man das Ganze auch mit Augenmaß machen. Und ob sie jetzt eine Tatbeteiligung ausschließen, das ist dann die subjektive Wahrnehmung. Das war damals die Meinung des Hauses, also des Fachbereichs, dass man gesagt hat: der hatte damit nichts zu tun. Und dass die Behörde, die Ermittlungs-, Strafverfolgungsbehörde eigene Ermittlungen anstellt, das ist aus meiner Sicht der zweite Schritt.
Grüne: Wenn ich dann noch einmal auf den Vorhalt, den Sie ja auch vor sich liegen haben, … draus zitieren darf: dass das BfV am 8.2. dem LfV Phantombilder des Täters, die Sie vorhaltig hatten, in der Probsteigasse übergeben, also sie bekommen das vom BfV und das Bundesamt sagt Ihnen, dass eine Überprüfung ergeben hat, [eine Überprüfung]des Bundesamtes, dass ein Mitglied der sogenannten „Kameradschaft Walter Spangenberg“ usw., also der besagte Johann H., eine Ähnlichkeit hat. Haben Sie diese Ähnlichkeit nicht gesehen? Ist Ihnen die nicht aufgefallen?
K: Wir haben doch die Mitteilung an den GBA gemacht. Aus meiner Erinnerung war das so, das BfV hat überhaupt keine Wertung abgegeben hat, sondern gesagt hat, kennt ihr den?
Grüne: Ja, aber der BfV stellt eine Ähnlichkeit fest …
V: Entschuldigung Frau Kollegin, ich verstehe es aber auch genau umgekehrt.
K: Es ist so, der GBA hat dem BfV als Bundesbehörde dieses Phantombild zugeleitet und das ist ja kein Zufall, weil das zwei Bundesbehörden sind und dann hat die Sachbearbeiterin oder der Verantwortliche im Bereich des BfV, der hat sich an NRW gewandt. So ist das passiert. Und die inhaltlichen Bewertungen haben wir zusammengetragen und dann haben wir auch diesen Vorgang mit dem GBA übernommen.
Grüne: Die Schrittigkeit ist jetzt klar, dass GBA fragt: ist da nicht was Ähnliches? Sie melden zurück: ja, Treffer, könnte sein. Aber, und jetzt noch Mal zu meiner Frage, die ich irgendwie nicht richtig einordnen kann, Ihre Antwort: Wenn Sie dann in einem lapidaren Satz am Schluss eben sagen, Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung bestehen nicht. Wie genau kommen Sie zu diesem Satz?
K: Was hätten wir denn … Wenn Sie schreiben, wir halten eine Tatbeteiligung für möglich und wir haben gar nichts. Also, wir wissen nur, es könnte sein, dass der dem gleicht. Es gab auch Stimmen, die sagten, der sah eigentlich ganz anders aus. Weil es nämlich aus der Zeit nur so verschwommene Bilder gab. Das ist ja schon mal ein Ding, wenn Sie der Strafverfolgungsbehörde mitteilen, es könnte hier eine Ähnlichkeit sein. Sie ist nicht auszuschließen die Ähnlichkeit, das ist eine ganz vage Mitteilung. Und das ist auch wirklich das Augenmaß, das man hier haben muss. Es geht hier um Verdächtigung einer Person und die Unschuldsvermutung ist immer im Raum. Und am Ende ist es ja so: Sie haben weder für das eine noch für das andere einen Beleg. Aber es geht ja hier an die Strafverfolgungsbehörde und die geht dann der Sache nach. Die muss die Ermittlungen führen, die muss die Person befragen, die muss im Umfeld befragen, da geht ja die Ermittlungs-Polizeiarbeit los.
Grüne: Aber genau deswegen verstehe ich ja Ihre Feststellung nicht, das ist ja sozusagen eine Feststellung im Rahmen von Ermittlungen, dafür sind Sie ja gar nicht zuständig. Sie haben gesagt, die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind: wir beobachten, wir informieren, wir speichern. Sie kommen aber am Ende zu einer Wertung im Rahmen von Ermittlungen.
K: Wir haben keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Tatbeteiligung gehabt. Das kann jede Behörde sagen. Immerhin leben wir, macht der Verfassungsschutz ja im Bereich des Extremismus auch Bewertungen.
Grüne: Und die Anhaltspunkte für eine Verstrickung in Neonaziszenen für mögliche
Hinweise, dass er…
K: Die Aussage war Tatbeteiligung. Hier geht‘s um NSU und das wussten wir nicht. Ich weiß nicht, ob das heute jemand weiß.
V: Ich würde gern noch einmal einen Schritt zurückgehen zu der Frage: Sie haben dieses Phantombild und dann haben Sie den Auftrag: gucken Sie bitte in der rechten Szene in NRW, ob Sie die Person auf dem Phantombild möglicherweise wiedererkennen. Die Frage ist, wie haben Sie das gemacht?
K: Ich habe die Frage von der Intention nicht verstanden, Herr Vorsitzender. Wie man das macht mit einem Phantombild?
V: Wie haben Sie die Ähnlichkeit festgestellt?
K: Das kanalisiert sich. Das war so, dass das BfV dieses Phantombild an uns geschickt hat, das geht dann in den Bereich Rechtsextremismus. Und die kennen ja ihre Leute. Und die kennen entweder die Gruppen und die Extremisten, die im Land aktiv sind. Und hier hat eben ein Bearbeiter gesagt, das könnte einer sein, mit dem wir zusammenarbeiten.
V: Wie ist das dann weiter verifiziert worden? Es geht ja um eine Tat, die 2001 begangen worden ist. Und da mussten sie ja jetzt den Zusammenhang herstellen, nicht wie er beim Aufdecken des NSU aussah, sondern damals.
K: Man hat dann Bilder gesucht, man hat Situationen gesucht aus dem Jahr 2001 oder um die Jahrtausendwende, wie der da ausgesehen haben könnte.
V: Haben Sie außer Dokumenten zu suchen, dann auch noch mit Personen gesprochen aus Ihrer Abteilung?
K: Also, der Vorgang ist aus dem Referat auf mich zugekommen und wir haben das dann in der Gruppe besprochen. Das ist dann auch mit der Hausspitze besprochen worden. Wir haben da versucht, da möglichst alles zusammenzutragen. Das noch mal zu Ihrer Frage, das ist sehr konkret gewesen, dass wir versucht haben, jede einzelne Beziehung bzw. einzelnen Baustein genau anzusehen, umzudrehen, ob man da eine Verbindung haben könnte. Und der Fall zeigt doch, dass wir da sehr intensiv gearbeitet haben, den Komplex aufzulösen. Dass der Verfassungsschutz nicht omnipotent ist, vielleicht nicht die Größenordnung hat, wie die Polizei, das wird ja nicht bestritten.
Grüne: Das heißt aber konkret: Sie hatten diesen Wiedererkennungswert, haben Sie gesagt, aufgrund eines Fotos. Dann muss es ja ein aktuelles Foto aus der Zeit in Ihren Akten geben.
K: Also, ich weiß es nicht mehr genau. Ich glaube, es war so ein verschwommenes Gruppenfoto. Es war irgendwas, wo man gesagt hat, das war aus der Zeit. Das hatte keine Personalausweis-Qualität. Das ist in meiner Erinnerung so.
Grüne: Darauf, auf dieses Foto stützt [sich]Ihre Aussage der Ähnlichkeit. Die Frage ist, das ist Ihnen bei der Aufarbeitung nicht aufgefallen …, das war aufgrund des Hinweises aus Berlin, dass Sie das …
K: Diese Hinweise kommen immer aus irgendeinem Anlass. Der Anlass war: der GBA hat das Phantombild geschickt und hat nach Erkenntnissen gefragt. Was Sie jetzt meinen, Frau Abgeordnete, ist, dass man sich Akte für Akte vornimmt und was herausfiltern kann. Das ist aber eigentlich sehr, sehr schwierig, weil es sind zwar alle Akten durchforstet worden, auch in den ersten 14 Tagen, aber diese Phantomgeschichte ist ja erst durch den GBA aufgekommen. Vorher gab es so was ja gar nicht. Das Bild gab es ja nicht.
V: Dann wechselt nun das Fragerecht zur FDP-Fraktion, Herr Stamp bitte.
FDP: Frau Koller, ich würde gern noch einmal nachfragen nach den Ausschlusskriterien für eine Tatbeteiligung. Wie muss ich mir das vorstellen, nach welchen Kriterien wird da vorgegangen? Wann man zu solch einem Ergebnis kommen [kann]. Und in diesem Zusammenhang: ist Johann H. zu irgendeinem Zeitpunkt befragt worden zur Probsteigasse?
K: Nachdem diese Geschichte mit dem Phantombild aufkam, hat natürlich der zuständige Verantwortliche für diese Person mit ihm Kontakt aufgenommen. Und wir benennen in dem Vermerk ja nicht Ausschluss Tatbeteiligung, sondern es gibt keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung. Im Grunde müssen Sie die Frage umkehren oder den Ansatz umkehren. Nämlich der Ansatz ist, Sie müssen ja was haben, was vorhaltbar ist, womit man eine Vermutung belasten kann. Und da gab es eben nichts.
FDP: Angesichts der Ähnlichkeit wäre es doch eigentlich logisch gewesen, den entsprechenden V-Mann-Führer zu befragen, was die Ähnlichkeit angeht, aber vor allem auch den H. selbst nach dem Alibi zu fragen, das ist doch natürlich?
K: Das ist alles gemacht worden.
FDP: Das ist für uns eine neue Information. Seitens der Polizei ist uns anderes dargestellt worden, dass es da keine Kooperation mit der Polizei gegeben hat.
K: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, aber es gibt ja hier zwei Komplexe. Es gibt das, was … – also, ich fühle mich in dem Komplex jetzt sehr, sehr unwohl, von meiner Aussagegenehmigung ist das jetzt eine Gradwanderung. Ich bitte Sie einfach, dass Sie diese ganzen Fragen in die nicht-öffentliche Sitzung verlegen. Es geht hier immerhin um den Schutz einer Person, die mal im Vertrauensverhältnis mit der Behörde stand.
FDP: Dann möchte ich dennoch fragen, die Kommunikation per Dienstlicher Erklärung: kommt so was häufiger vor und wie häufig haben Sie solche Dienstlichen Erklärungen verfasst?
K: Das kann ich Ihnen nicht sagen, sicher eine ganze Menge. Aber die Dienstliche Erklärung ist für die Strafverfolgungsbehörde wichtig, um ein Dokument in der Akte zu haben, dass von verantwortlicher Stelle ein bestimmter Sachverhalt auch mitgeteilt wird. Und das ist dann auch ein Punkt, also eine amtliche Mitteilung, die dann die Strafermittlungsbehörde in ihre Ermittlungen miteinbezieht.
V: Dann wechselt das Fragerecht jetzt zur Piratenfraktion, Frau Kollegin Rydlewski.
Piraten: Zunächst hätte ich noch eine allgemeine Frage zur Arbeit des Verfassungsschutzes. Sie sprachen ja davon, dass es eine Behörde ist, die im Vorfeld handelt und quasi präventiv tätig ist und Sie sprachen von Analysen. In welcher Form darf ich mir diese Analysen vorstellen?
K: Verfassungsschutz-Berichte sind z.B. eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die in einem Jahr in den Gebieten aufgekommen sind.
Piraten: Aber das ist der Teil, der öffentlich ist. Welche Analysen gibt es da noch im Hintergrund?
K: Es gibt eingestufte Analysen, nach der Verschlusssachen-Anweisung. Es gibt in den Ausschüssen des Landtages … . Also, das parlamentarische Kontrollgremium bekommt vertrauliche Analysen. Die Verfassungsschutz-Behörden untereinander tauschen ihre Informationen periodisch aus. Und informieren sich gegenseitig.
Piraten: Dann noch weiter zur Kommunikation untereinander: Es gibt ja sogenannte WE-Meldungen [Wichtiges-Erreignis-Meldungen], also wichtige Ereignisse. Wir hatten letzte Woche eine Befragung, bei der nicht richtig klar war, ob WE-Meldungen grundsätzlich auch an den Verfassungsschutz gehen?
K: Also, wichtige Ereignisse sind mir bekannt. Und in meiner Erinnerung sind die auch regelmäßig. Man weiß ja nicht, was gekommen ist und was nicht. Ich kenne so was.
Piraten: Dann interessiert mich, nach welchen Kriterien diese Dienstlichen Erklärungen an Polizeibehörden gegangen sind? Mal ein Beispiel: Es gab eine dienstliche Erklärung von Ihnen am 30.4.2012, in der Sie der Polizei Aachen eine abgegeben haben zur Verwendung in einem Strafverfahren, und zwar ging es da um zwei Personen, die der rechten Szene angehören und die in einem Ort Plakate geklebt haben. Das würde ich persönlich jetzt nicht so hoch hängen, weil es Sachbeschädigung ist. In welcher Regelmäßigkeit oder welche Straftaten, welche Erkenntnisse wurden grundsätzlich an die Polizei mitgeteilt?
K: An Polizeibehörden werden Erkenntnisse dann mitgeteilt, wenn sie für Ermittlungsverfahren relevant sind oder weiter für polizeiliche Aufklärung.
Piraten: Also grundsätzlich, auch Sachbeschädigung. Dann zum Themenbereich Johann H.: Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe. Haben Sie vorhin gesagt, dass Johann H. im Grunde abgeschaltet worden ist als V-Mann?
K: Ja.
Piraten: Wann? Der Presse konnte man im Grunde entnehmen, dass Johann H. erst im Januar …
K: Das muss ich jetzt noch einmal sagen, wir sind jetzt wieder in so einem Bereich … .
Piraten: Aber das ist ja in der Presse gewesen.
K: Also, die Tatsache, dass etwas in der Presse gewesen ist, das macht noch keinen Vorgang. Das muss schon nach der Verschlusssachen-Anweisung gehen und da ist die Presse nicht der Entschlüsseler von Nachrichten.
Kurze Unterbrechung. Danach beginnt die zweite öffentliche Fragerunde.
V: Es beginnt dann wieder mit dem Fragerecht bei der CDU-Fraktion, Herr Kollege Biesenbach.
CDU: Frau Koller, mir bleibt da immer noch ein Rätsel. Am 9.2. schreiben Sie oder lassen Sie schreiben: eine Überprüfung genannter Personen in der neonazistischen Szene hat ergeben, dass ein Mitglied der sogenannten „Kameradschaft Walter Spangenberg“ aus Köln Ähnlichkeit mit dem Phantombild aufweist. Am 8., einen Tag vorher, haben Sie diese Bilder bekommen, am 9. haben Sie das Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt. Wie ist denn die Überprüfung so von sich gegangen? Wer hat die Ähnlichkeit festgestellt? Wie wurde sie festgestellt? Gab es Personen, die denjenigen kannten? Sie haben anhand von Fotos versucht zu ermitteln, ich gehe aber davon aus, allen war bewusst 2012, wie erheblich das …
K: Herr Abgeordneter, dürfen wir das in der nicht-öffentlichen Sitzung besprechen?
CDU: Nöö. Ich kann Ihnen auch sagen, aus welchem Grund, das ist Prüfungsstand.
K: Das ist ganz einfach. Ich habe das eben schon einmal kurz angesprochen. Die Anfrage kam, vom GBA zum BfV. Das BfV hat uns den Vorgang mitgeteilt. Der geht dann von dem Fachbereich des BfV oder von dem Sachbearbeiter des BfV in den Fachbereich der Behörde in NRW. Und die Mitarbeiter des Bereichs Rechtsextremismus NRW haben gesagt, da könnte eine Ähnlichkeit mit einer uns bekannten Person vorliegen. Dann haben wir uns zusammengesetzt, haben uns das alles angeguckt. Geguckt, wo ist die Person tätig, was könnte es hier für Bezüge geben und dann haben wir das ???
CDU: Diese Überprüfung ist erst am 8.2.2012 erfolgt, also unmittelbar nach der Entsendung oder war die Ähnlichkeit Mitarbeitern Ihrer Abteilung schon vorher bekannt?
K: Aus meiner Erinnerung kann die den Mitarbeitern vorher nicht bewusst gewesen sein, weil das Phantombild ja erst kam von der GBA-Behörde zum BfV. Das war ja das erste Mal, wo die das Bild gesehen haben und dann haben sie das geprüft.
CDU: Das Bild war 2001 bereits in den Medien.
K: Kann ich Ihnen nichts zu sagen, weil ich in der Zeit …, war auch keinem irgendwie präsent.
CDU: Hätte man das denn nicht …?
K: Das ist doch so, Herr Abgeordneter, wir reden jetzt wieder über die Aufklärung einer Straftat. Und 2001, das war ein Sprengstoffdelikt. Und was 2001 zwischen den Verfassungsschutz-Behörden mit der Polizei, den ermittelnden Stellen, in dem Zusammenhang gelaufen ist, da bin ich überfragt.
CDU: Sie sagen, dass war an diesem Tag nicht Gegenstand unserer Besprechung? Wir haben ohnehin bei unseren Arbeiten festgestellt, wie unterschiedlich Daten auch festgehalten werden.
K: Wenn Sie mir sagen, dass wir … – also, könnten Sie die Daten jetzt noch einmal wiederholen? Sie haben jetzt ein Zeitfenster von 24 Stunden gehabt. Da gibt es eben eine Anfrage, die vom GBA über BfV an LfV gesteuert wird und dann prüft der Bereich das, dann haben wir das geprüft. Und haben festgestellt: da lässt sich eine Ähnlichkeit nicht ausschließen und haben geantwortet.
CDU: Frau Koller, gerade diese 24 Stunden. Sie sagen heute viel vorsichtiger: eine Ähnlichkeit ist nicht auszuschließen. Wenn Sie den Text mal sehen, da steht drin: hat sich ergeben. Nächste Situation: Sie sagen, wir habe keine Anhaltspunkte, wir können dazu nichts sagen. Sie schreiben: Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung bestehen nicht. Sie schreiben Fakten und heute klingt das alles viel vorsichtiger. Das ist für uns ein Punkt, doch nachzuhaken und zu fragen: wie war denn die Arbeit beim Verfassungsschutz? Wenn Sie sagen, es bestand die Notwendigkeit, in 24 Stunden zu antworten … – es waren wahrscheinlich keine 24 Stunden. Und dann die nächste Frage: gab es das Bild bereits schon vorher? So, wer wusste das denn? Hat man es vielleicht gesagt, vielleicht geguckt? Das sind doch die Punkte. Wir wollen feststellen, das ist unser Auftrag: wie war die Arbeit? War sie gründlich, war sie zuverlässig oder womöglich ein wenig anders? Versuchen Sie doch, den Eindruck bei uns zu erwecken, dass wir keine Zweifel haben. Aber der Eindruck ist noch nicht da. Nicht bei Ihnen. Deswegen die Bitte, uns doch deutlich zu machen: wer war beteiligt, wie passiert das denn? Guckt man drauf und wir finden nix, deswegen Tatbeteiligung bestehe nicht. Das sind doch unserer Punkte, nach denen wir fragen. Eine solche Erklärung! Sie sind Volljuristin, ich bin Volljurist. Eine solche Erklärung hat doch irgendeine Wirkung. Wenn mir das Innenministerium schreibt, ein Tatanhaltspunkt bestehe nicht, dann muss ich dann auf die Idee kommen zu sagen: nein, die hatten nix? Da glaube ich, das war ein bisschen mehr. Wie ist diese Aussage erfolgt? In Zusammenarbeit mit der Polizei? Oder wie Sie gerade heute sagen: wir hatten keine Anhaltspunkte? Heute machen Sie ganz andere Aussagen. Hätten die da drin gestanden, wäre das wahrscheinlich ganz anders gewichtet. Aber nein, Sie beziehen es faktisch. Ende, aus, Punkt. Das ist doch der Punkt. So, warum ist denn verschwiegen worden in dieser Dienstlichen Erklärung, dass dieser junge Mann 85 bereits wegen eines Sprengstoffdeliktes verurteilt worden ist? Weil das Zuständigkeit der Polizei war? Ist denn da eine Mauer? Sie hatten jetzt eben gesagt – das hat mich auch gewundert –, Sie sagen: die polizeilichen Erkenntnisse im Rahmen der Extremismusbeobachtung waren viel ergiebiger als unsere. Wofür brauche ich dann den Verfassungsschutz? Die Polizei kann nur im Rahmen der Straftaten vorgehen, die hatten auch lange keine Quellen. Das hat sich alles ein Stückchen geändert. War das wirklich so das Leben, die einen links, die anderen rechts? Das sind die Punkte, da bitte mal …, da jetzt konkret, wir möchten die Arbeit uns vorstellen können, täglich in der Praxis. 2012 war die Sensibilität bei allen hoch.
K: Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt einen ganzen bunten Strauß zusammen gebunden aus allen Vorurteilen, die man gegen den Verfassungsschutz hat. Und die dringenden Fragen, warum braucht man ihn und die Fragen, warum wurde zu welchem Zeitpunkt etwas gemacht im Vorfeld eben nicht. Also dieser Tatzeitpunkt 2001, warum hat man das da nicht schon gesehen? Und dann, warum ist 2012 dann in einem Tag diese Antwort gekommen? Ich erlaube mir, festzustellen, dass es hier wirklich verschiedene Bereiche gibt. Diese GBA-Angelegenheit war ein konkreter Fall. Es ist nach einem bestimmten Faktum gefragt worden. Es wurde ein Phantombild übersandt, es wurden die VS-Behörden angefragt: kennt ihr die Person? Und dann ist die Prüfung ausgelöst worden. Und das Ergebnis dieser Prüfung wurde dem GBA mitgeteilt, wie es Ihnen vorliegt. Tatbeteiligung ausschließen, das habe ich eben schon bei der Kollegin Dücker versucht auszuführen. Wie will ich denn sagen, ich habe Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung, wenn ich nichts weiß. Aus unserer Sicht, also in der Behörde Verfassungsschutz, gab es keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung.
Zur Befragung der Person: die Person wurde befragt. Das ist hier die Schnittstelle, das muss man nachher in der nicht-öffentlichen Sitzung besprechen. Das zu dem Komplex: also ganz konkrete Nachfrage führt zu einer ganz konkreten Antwort. Und zu dem Zeitpunkt war eben nur zu sagen: Ähnlichkeit nicht auszuschließen, es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte für [eine]Tatbeteiligung. Punkt! Was die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist und [welche]die der Polizei und die Schnittstellen, das erleben wir ja schmerzlich spätestens seit der NSU-Dramatik. Und das sind aber ganz andere Fragen, die wahrscheinlich hier in dem Ausschuss nicht geklärt werden können. Inwieweit gibt es Schnittstellen zwischen Polizei und VS und in dem Zusammenhang ist auch die Frage total legitim: braucht man den Verfassungsschutz? Aber ich denke, das ist jetzt nicht das Aufklärungsziel dieses Ausschusses. Ich kann‘s Ihnen auch nicht beantworten. Es ist auf jeden Fall so, dass der VS entstanden ist in der jungen Bundesrepublik …
CDU: Meine Frage …
K: Die habe ich doch beantwortet!
CDU: Konkreter geht‘s nicht?
K: Wie konkret soll es sein. Es gibt eine Anfrage des GBA, diese Anfrage geht an das BfV, das BfV schickt das an das LfV, LfV NRW, NRW prüft mit den zuständigen Leuten und dann gibt es die Erklärung an den GBA. Das ist doch konkret.
V: Also, ich habe Sie ja eben schon gefragt, Frau Koller: wie haben Sie die Ähnlichkeit feststellen können? Ich vermute, dass eine Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und der Person bestanden hat.
K: Das ist passiert über Leute, die die Person kennen. Es gibt dieses Phantombild. Sie sitzen gerade an der Aufklärung von rechtsextremistisch motivierten Morden und anderen schweren Straftaten und dann haben Ihnen Leute, die in dem Bereich tätig sind und auch die Person kannten, gesagt: der Sache müssen wir jetzt nachgehen. So ist das passiert
CDU (Hendriks): Frau Koller, konkrete Nachfrage, wer hat denn die Bitte geäußert oder Ihnen den Auftrag gegeben, eine Einschätzung abzugeben?
K: Die Frage habe ich jetzt nicht verstanden.
CDU: Sie haben ja in Ihrer dienstlichen Mitteilung die Aussage zum Schluss, dass Sie davon ausgehen, dass er nicht tatbeteiligt sein kann. Haben Sie das aus freien Stücken, sozusagen als Information, weitergegeben oder hatten sie eine konkrete Anfrage, Ihre Einschätzung mitzuteilen?
K: Also, bei der Prüfung muss ja festgestellt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass die Person an der Tat beteiligt war. Und da gab es von den Leuten, die das bewerten konnten, die Leute, die mit der Person zusammengearbeitet haben, aus unserem Haus, keine Anhaltspunkte dafür, die weiter konkretisiert hätten, dass er an dieser Tat beteiligt war.
CDU: Ja, das irritiert mich auch. Denn das ist eigentlich auch das, was Sie uns vorhin als Polizeiarbeit beschrieben haben, und es wurde trotzdem in Ihrem Haus gemacht. Lassen wir das mal so stehen.
K: Nein, es geht darum, dass es sich um eine Person handelt, da sind wir aber wieder an der Schnittstelle, zu der der Verfassungsschutz eine besondere Beziehung hat. Er antwortet aus seiner Sicht, nach seiner Erkenntnislage und die Polizei macht ihre Sache. Jetzt weiter gehen muss die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Das ist ja wahrscheinlich auch passiert.
CDU: Und dann noch die zweite Nachfrage in diesem Komplex. Sie haben vorhin gesagt, dass jemand aus Ihrem Hause Herrn H. befragt hätte.
K: Ja.
CDU: Das ist richtig?
K: Ja.
CDU: Können Sie, jetzt wahrscheinlich nicht in öffentlicher Sitzung, aber in nicht-öffentlicher, sagen, wer das war?
K: Nein.
CDU: Sind Sie sich wirklich sicher, dass das jemand aus Ihrem Hause gemacht hat?
K: Ja.
CDU: Danke.
CDU (Güler): Frau Koller, ich hätte noch eine Nachfrage, zu den Personen aus Ihrem Hause, die mit Ihnen zusammengearbeitet haben, wo Sie sagten: in den 24 Stunden konnten diese Personen sagen, dass könnte passen. Da die Frage: wussten Sie damals, wie lange diese Personen schon mit H. zusammengearbeitet haben? War das schon 2001 bekannt?
K: Das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sagen, muss man in der Aktenlage gucken. Aber das ist auch wieder: nicht-öffentlicher Teil.
CDU: Gut, ich kann die Frage ja noch einmal im nicht-öffentlichen Teil stellen, aber es geht …
K: Das wäre mir lieb.
CDU: Ja. Ob sie als Leiterin denn diesen Personen auch die Frage gestellt haben, ob 2001 durch die öffentliche Berichterstattung, wo das Phantombild ja auch veröffentlicht worden ist, … die Frage gestellt haben, wieso diese Ähnlichkeit damals nicht schon aufgefallen ist?
K: Das macht man ja.
CDU: Das heißt, Sie haben das gemacht?
K: Das habe ich gemacht.
CDU: Und die Antwort?
K: Die muss „Nein“ gewesen sein, sonst hätten wir ja geschrieben: Tatbeteiligung ist möglich.
CDU (Biesenbach): Frau Koller, wie wir heute wissen, folgte der Dienstlichen Erklärung vom 9.12. eine weitere am 15.[12.]. Und zwar eine bestimmte Dienstliche Erklärung, die auch als geheim eingestuft wurde, die aber zunächst sich nicht bei den Akten befand. Nur weil die „Welt am Sonntag“ diese zweite Erklärung bekannt gemacht hat, ist uns bekannt, dass Sie in diesem weiteren, als geheim eingestuften Schreiben mitgeteilt haben, dass H. seit 1989 als geheimer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes tätig sei. Warum ist das erst 8 Tage nach dem ersten Vermerk erfolgt und warum ist dieses Schreiben nicht bei den Akten gewesen? Und [es ist]auch nicht bei den Akten angekommen?
V: Wollen Sie darauf antworten, Frau Koller?
K: Ich sage dazu in der öffentlichen Sitzung nichts. Das ist von meiner Aussagegenehmigung her nicht gedeckt.
CDU: Frau Koller, mich interessieren auch noch die Umstände ihres Rücktritts. Ich bitte einmal einen Vorhalt einzuspielen, damit Sie den lesen können. Vorhalt: A12212, S. 130/131, Vermerk vom 20.6.2012: da ist ein Absatz, den bitte ich Sie zu lesen. Hier fertigen Sie einen Vermerk, in dem Sie mitteilen, dass Sie im Zusammenhang mit der Zusammenstellung der Unterlagen für den Untersuchungsausschuss des Bundestages, von dem, jetzt wörtlich: „hier nach vorliegendem Aktenrückhalt zu dem Tatort Keupstraße am 9.6.2004 Kenntnis erhalten“ – Ende des Zitates. In diesem Vermerk heißt es weiter wörtlich: „bereits unmittelbar nach dem Anschlag sind die VP-Führer von der damaligen Referatsleitung aufgefordert worden, die von ihnen geführten Quellen zu dem Anschlag zu befragen. Insbesondere haben die Befragungen der Quellen mit einem örtlichen Bezug zum Tatort stattgefunden. Zu diesen Befragungen wurden Berichte mit einem niedrigem Verschlusssachengrad gefertigt, um sie ggfs. für die Polizei antragbar zu machen. Nach damaliger Bewertung erhielten wir aber nur allgemeine Stimmungsbilder, keine Informationen, die dazu geeignet gewesen wären, die Ermittlungen der Polizei voranzubringen. Insbesondere haben sich damals keine Erkenntnisse ergeben, die auf einen rechtsextremistischen Zusammenhang hingedeutet haben.“ [Zitate nach eigener Wahrnehmung]
Da wäre meine erste Frage: Können Sie uns bitte das Zustandekommen dieses Vermerks näher erläutern und uns sagen, für wen dieser Vermerk gefertigt worden ist? Und wer Kenntnis davon erhalten hat? Und welche Reaktion dieser Vermerk bei den Betroffenen ausgelöst hat?
K: Also, zu allen Punkten: nein.
CDU: Sie können schon …
K: Nein! Sie müssten dann den gesamten Vermerk, aber das ist auch eine Verschlusssache, was Sie jetzt hier aufrufen. Wir sind in einer öffentlichen Sitzung.
CDU: Sie haben vom Vorsitzenden gehört …
K: Ok, das ist dann Ihre Verantwortung. Aber ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich müsste das Gesamtwerk kennen und müsste wissen, woher Sie das haben. Für mich jetzt, aber das ist reine Spekulation, war das hier eine Anfrage vom UA Edathy [Anm.: gemeint ist wohl der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU] und wir sind noch mal zu dem Ereignis Keupstraße befragt worden. So sieht das aus, aber das weiß ich nicht sicher.
CDU: Zu diesem Vorgang stelle ich Ihnen die nächste Frage. Ich stelle Sie Ihnen jetzt einfach mal, mal sehen, ob Sie was sagen: welche Akten sind denn zum Tatort Keupstraße damals zurückgehalten worden und um welche Quellen mit einem örtlichen Bezug ging es denn da? Welche Informationen sind damals zurückgehalten worden, die vielleicht geeignet gewesen wären, die Ermittlungen der Polizei voranzubringen? Hätten, aus der heutigen Sicht, die Ermittlungen in die Richtung eines rechtsextremistischen Hintergrundes anders verlaufen können, wenn diese Informationen nicht zurückgehalten worden wären? Ich will Ihnen sagen, warum das für uns so wichtig ist: dieser Vermerk ist einen Tag vor Ihrem Schreiben mit dem Gesuch Ihres Rücktritts erfolgt. Und wir, zumindest ich, bin nicht geneigt zu glauben, es lag an der Auseinandersetzung mit Herrn ???, dafür ist mir dieser Zusammenhang zu eng. Vielleicht müssen Sie uns da auch ein Stück Verständnis entgegenbringen.
K: Aber ich verstehe die Zusammenhänge nicht, das müssten Sie mir noch mal erläutern. Also, es geht hier um die Keupstraße, das war 2004. Da war ich nicht im Amt. Es geht wahrscheinlich um eine Anfrage des NSU-[Untersuchungs-]Ausschusses im Bundestag und es geht darum, dass man noch mal zusammengetragen hat: was haben wir dazu? Und was könnte das jetzt bedeuten, ob ich zurücktrete? Erstens mal, kann ich gar nicht zurücktreten, sondern ich kann bitten oder jemand versetzt mich in den einstweiligen Ruhestand. Aber ich begreife das nicht ganz. Ich habe das auch mehrfach in der Presse gelesen, was dann so zusammenspekuliert worden ist, weil: für mich gibt das gar keinen Sinn. Weil, das sind Fakten, das sind Vorgänge, die werden bearbeitet. Mich hat keiner unter Druck gesetzt, es hat keiner mir irgendwie Vorwürfe gemacht, weil es auch nicht ging. Im Grunde war ich in einer ähnlichen Situation, in der Sie heute sind. Ich habe mich nach dem NSU-Drama über die Akten gebeugt und habe Leute befragt, um überhaupt Licht in dieses Dunkel bringen zu können, zumindest den Versuch zu unternehmen. Insofern verstehe ich den Ansatz nicht, dass irgendein Vorgang in der Aufarbeitung NSU mit meinem Ausscheiden aus dem Amt in Zusammenhang stehen könnte. Das hat sich mir noch nicht erhellt.
CDU: Frau Koller, der Deutsche Bundestag hat seinerzeit sehr heftig reagiert. Warum? Weil angeblich alle Sendungen aus Düsseldorf vollständig gewesen sein sollen. Waren sie aber nicht. Und wir haben hier, ich habe es damals selbst mitgemacht, sehr aktiv den Innenminister angeschossen. Deswegen ist mir mehr die Vermutung nicht so ganz abwegig, zu sagen, dass man sich dann möglicherweise mit dem Chef der zuständigen Abteilung unterhält, der dafür zuständig war. Denn das fällt in Ihren Dienst.
K: Nee. Das kann ja nur 2004 gewesen sein. Also, erst einmal, die …
CDU: Es geht um den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
K: Ja. Da steht doch: Akten von 2004. Also, ich fühle mich da überhaupt nicht angesprochen.
CDU: Es ging um Akten, die nicht nach Berlin gekommen sind von hier. Das waren doch Akten, die beim Verfassungsschutz lagen. Der Bundestag hat all diese Dinge untersucht und hat von Düsseldorf die gesamten Akten gekriegt, die sind heute noch in Berlin. So! Und die waren nicht vollständig.
K: Gut, das war doch damals auch gang und gäbe. Und dann hat das ??? noch mal nachgeschoben. Wir reden hier über Kilometer Aktenbestände und wir reden darüber, dass die VS-Behörden hier in erster Linie dafür verantwortlich gemacht werden, dass diese Morde nicht aufgeklärt werden. Das sollte jetzt keine Rechtfertigung sein, weil ich das nicht so verstanden haben will. Aber in der Aufarbeitung dieser Ereignisse ist aus meiner Wahrnehmung nie vollständig alles direkt geliefert worden. Sondern dann hat man da noch mal was gefunden und da was gefunden. Wir reden hier ja auch über ganz lange Zeiträume. Das geht von 2001 bis 2007.
CDU: Frau Koller, nach meiner Kenntnis wurde immer dann was gefunden, wenn Berlin gesagt hat, da müsse aber noch was sein.
K: Möglich.
CDU: Ja, das heißt aber nicht unbedingt, dass Sachen ???
K: Sie müssen natürlich das exekutive Handeln auch mal in dem Zusammenhang durchleuchten. Sie haben eine Abteilung, – also, das soll jetzt nur mal ein Versuch sein der Verobjektivierung dieser Arbeitsabläufe. Wir haben in einem Bereich vielleicht zehn Leute, die sich damit beschäftigen. Es gibt einen UA, es gibt aber auch Aufklärungsinteresse. Sie können ja nicht die ganze Beobachtung einstellen, nur um die Akten zusammenzumachen. Das muss alles nebeneinander herlaufen und das ist auch zu erklären. Ich habe das ja auch ganz nah mitgekriegt, wie das im BfV gelaufen ist, das die meiste Schelte gekriegt hat. Die haben 2 Kilometer Akten gehabt, machen Sie das mal mit 30 Leuten – ich weiß jetzt nicht, wie viele Leute die da dran gesetzt haben. Das ist einfach so. Die wirkliche, traurige Wirklichkeit. Was wir ja alle nicht wollen, ist, dass diese Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutz, so aufgerüstet werden, dass wir uns selber nicht mehr in unserer Demokratie wohl fühlen. Also, das ist alles aus dem eigenen Bestand gemacht worden.
CDU: Nehme ich so entgegen.
V: Das Fragerecht wechselt zur SPD-Fraktion, Herr Kossiski bitte.
SPD: Ich würde Sie bitten, konkrete Fragen mit konkreten Antworten zu beantworten. Ich versuche es mal mit internationalen Kontakten. Hat ihre Abteilung Beobachtungen zu extrem rechten Entwicklungen gemacht?
K: Auslandsbeobachtung ist ja erst mal eine Angelegenheit des BND. Wenn es internationalen Rechtsextremismus betroffen hat oder betrifft, dann wird das koordiniert im BfV und wenn ein Land dazu Informationen hat, dann teilt es die natürlich mit und man arbeitet da zusammen. Bei uns gab‘s das auf jeden Fall. Und wir haben diese internationalen Bewegungen, also wenn Rechtsextremisten teilgenommen haben an solchen Treffen oder es Kontakte gab, haben wir das mitgeteilt. Das muss aber über das BfV gesteuert werden.
SPD: Wir haben hier einen Fall Sebastian Seeman, V-Mann bis 2007, der bei internationalen Konzerten tätig war und auch entsprechend internationale Kontakte pflegte, jemand aus NRW oder mit Bezügen zu NRW. Das ist Ihnen bekannt?
K: Das war vor meiner Zeit. Das war ein Fall, der die Abteilung ziemlich traumatisiert hatte, weil da die Informationen über eine Vertrauensperson, über eine Quelle eben, nach außen gedrungen sind.
SPD: Um da mal konkreter zu werden, gab es Kontakte von NRW zur rechten Szene in Großbritannien, insbesondere ???
K: Die gab es über die Konzertszene und da hat man sich auch gegenseitig besucht.
SPD: Gab es Verbindungen der Neonaziszene aus NRW nach Belgien oder in die Niederlande?
K: Das steht in jedem VS-Bericht. Es wird berichtet über die internationalen Treffen, die stattfinden, dazu gehört auch Belgien.
SPD: Frau Koller, meine Fragen gehen ja direkt an Sie, Sie haben ja eine lange Erfahrung und die allgemeinen Verweise auf Verfahren reichen nicht aus. Ich möchte wissen, was Sie in Ihrer Funktion konkret zu diesen Kontakten öffentlich sagen können, was Sie da für Schlüsse gezogen haben, immer im Rückblick auch auf mögliche Kontakte zum NSU. Ich habe vorhin schon einmal das Thema Copeland angesprochen. Es gibt Hinweise, auch aus den Akten teilweise, dass entsprechend diese Tatbegehung [Anm.: gemeint sind die Nagelbombenanschläge in London von April 1999. Als Täter verurteilt wurder britische Neonazi David Copeland] in England möglicherweise auch für bestimmte NSU-Taten in Deutschland oder für das ganze NSU-Prozedere Vorbild sein könnte. Haben Sie sich in Ihrer Funktion, in Ihrer Tätigkeit, in Gesprächen, in entsprechenden Rückermittlungen, … – also, die konkreten Antworten, also die Beschreibung, was der Verfassungsschutz macht, wie die Kombination zwischen Land und Bund ist, dass es dann natürlich öffentliche Veranstaltungen sind –was konkret haben Sie daraus für Schlüsse gezogen, in der Zeit, in der Sie verantwortlich waren? Und vor allen Dingen: nach dem Aufdecken des NSU.
K: Also, die Strategie, die Sie ansprechen, die haben wir auch analysiert und in dem Zusammenhang ist ja auch deutlich geworden, dass es so zu einer Einzelkämpfer-Strategie werden könnte. Dass man also in Kleinstgruppen oder mehr oder weniger allein den politischen Gegner angreift, wozu auch der Staat gehört. Und unbescheiden jetzt gesagt, hat das bei uns ein Wissenschaftler herausgegraben, dass ist also mehr oder weniger in NRW aufgegangen, dass diese Strategie hier auch auf den NSU passen könnte.
SPD: Können Sie sagen oder gehen Sie davon aus, dass diese Täter alleinige Täter waren oder haben Sie Ideen, was ja auch Teil dieses Untersuchungsausschusses ist, ob Netzwerke speziell in NRW bestehen können? Unterstützer? Tatbeteiligung, Hilfen, Unterstützungsdienste.
K: Also, aus meiner Sicht ist es sehr, sehr schwer nachvollziehbar, dass die drei dissoziiert durch die BRD gezogen sind und sich dann so konkrete Ziele ausgesucht haben.
SPD: Speziell den Tatort Probsteigasse?
K: Speziell auch der iranische Tatort, der als Ausländertatort gar nicht so identifizierbar ist. Deshalb war immer so meine Idee oder die Vorstellung, es muss Verbindungen geben. Und wir haben aber, zumindest in meiner Zeit, keine konkreten Strukturen herausgefunden. Ich weiß nicht, wie das jetzt gelaufen ist, wir sind wieder drei Jahre weiter. Aber nach meiner Einschätzung muss es infrastrukturelle Verbindungen geben.
SPD: Vielen Dank.
V: Dann wechselt das Fragerecht zum Bündnis 90/Die Grünen, Frau Dücker bitte.
Grüne: Ich knüpfe noch mal an den Kollegen Biesenbach [CDU] an, weil er einen Vorhalt gebracht hat, auf den ich auch noch mal eingehen möchte, im Bereich Keupstraße. Das ist ja eben noch mal von Herrn Biesenbach vorgelesen worden, das ist ja auch noch nicht so lange her, 2012. Sie haben ja damals an den Bundestags-Untersuchungsausschuss berichtet: Die V-Mann-Führer, dass die damals zu den von ihnen geführten Quellen zum Anschlag in der Keupstraße befragt wurden. Und nach damaliger Bewertung erhielten Sie nur allgemeine Stimmungsbilder, keine relevanten Informationen. Auf diese Mitteilung, die Sie damals gemacht haben, noch mal eine konkrete Nachfrage: aus welchem Beobachtungsbereich wurden denn diese Quellen befragt. Denn wir wissen ja, Stichwort iranischer Geheimdienst, einer der Ermittlungsansätze, ist das im Bereich Ausländerextremismus erfolgt oder gab es tatsächlich auch Quellenbefragungen im Bereich Rechtsextremismus?
K: Die Keupstraße ist ja nicht der iranische Komplex, sondern die Nagelbombe in der Keupstraße. Da kann ich Ihnen nur sagen, was man mir gesagt hat. Es ist in der Zeit intensiv nach allen Seiten ermittelt worden, aber der Schwerpunkt der Ermittlungen ging schon eher dahin, dass man gesagt hat, dass das was mit …, dass das ‘ne Geschichte ist, die unter den Leuten selber dort zu suchen ist.
Grüne: Die Quellen, auf die Sie sich in Ihrem Bericht beziehen, die befragt wurden, können Sie das konkret nicht sagen, aus welchem Phänomenbereich die Quellen stammten?
K: Ich kann Ihnen das nur pauschal nach meiner Erinnerung sagen. Das hat man mir ja berichtet, das ist ja eine Zeit, in der ich keine eigenen Erkenntnisse gewinnen konnte, dass das aus jedem Phänomenbereich war. Ausländerextremismus, also Rechts, Links. Also, ich denke, Links ist immer ein Thema, vor allen Dingen, was militante Autonome betrifft, wobei das jetzt mit der Klientel nicht zusammenpasst. Das ist jetzt aber auch wirklich nur eine Ableitung, das kann ich Ihnen nicht konkret sagen. Man wird hier im Schwerpunktbereich Ausländerextremismus und Rechtsextremismus sich intensiv mit der Quellenlage beschäftigt haben. Weil es sich eben um Migranten oder um einen Migrationsbereich handelte. Und dann eben diese beiden Sachen, [dass es]Auseinandersetzungen zwischen diesen Gruppen geben könnte oder eben Rechtsextremismus. Das wären die Klassiker gewesen.
Grüne: Dazu würde ich gern noch mal einen Vorhalt machen: Ein Schreiben von Herrn Schnieder an das PP Köln [d.i.: Polizeipräsidium Köln], im Zusammenhang Keupstraße A10732, S. 35+S.36, 18. Juli 2004, es geht um folgenden Auszug: „In Kölner Kreisen mit Kontakten zu dem ausländer-extremistischen Bereich ist folgende spekulative Version des o.g. Anschlags erörtert worden: Im Moment wisse man nur, dass es sich im kriminellen Bereich abgespielt habe, es gehe um einen lange währenden Streit zwischen Kurden und Türken. Eine dieser Gruppen habe Osteuropäer damit beauftragt, diesen Streit endlich zu beenden. Anhaltspunkte, die diese Spekulation bestätigen oder weitere Ermittlungsansätze bieten können, liegen mir nicht vor.“
Und wie gesagt, zwei Monate später gibt es noch Mal in dem Zusammenhang ein Schreiben: „Nach einer vertraulichen, in der Ermittlungsakte nicht verwertbaren Quelleninformation wird in Kölner Kreisen mit Kontakten zu den ausländer-extremistischen Kreisen gemutmaßt, dass die Zahlungsmoral unter Kurden sehr viel besser geworden ist.“
Diese Schreiben aus Ihrem Haus …, Sie haben ja dann im Nachhinein …, Sie waren damals ja nicht zuständig, aber Sie hatten ja den Auftrag …, Sie haben das ja am Anfang auch noch mal sehr klar gemacht, diese Dinge abzuarbeiten, durchaus – und ich meine, das gehört ja auch zur Aufarbeitung dazu, vielleicht kritisch zu beleuchten, was damals geschehen ist bzw. nicht geschehen ist. Würden sie die damaligen Berichte …, wie würden Sie diese einstufen und bewerten? Wären die aus ihrer Sicht ermittlungsleitend?
K: Ich kenne beide Vermerke. Wir hatten die damals auch ganz gezielt, also das Material, zusammengetragen, weil ja ganz klar war, dass wir die Tatorte in NRW beleuchten müssen. Wir haben uns ja schwerpunktmäßig auf die Tatorte in NRW konzentriert und diese Vermerke sind mir auch vorgelegt worden. Und in dem Zusammenhang haben wir auch darüber gesprochen, dass wir jetzt eben feststellen, dass das auch ein großes Unrecht war, was man diesen dort lebenden Menschen angetan hat. Und mein Eindruck war, dass man Anfang der 2000er Jahre in dem Bereich komplett in eine andere Richtung gedacht hat. Man hat ja auch diese Tat aus meiner Erinnerung heraus, nicht in Zusammenhang gebracht mit den Taten, die in Bayern waren, ich glaube Bayern war zuerst 2 Mal. Man hat das alles nicht zusammengebracht.
Grüne: Sie haben eben ausgeführt, dass Sie Quellenbefragungen durchgeführt haben in beiden Phänomenbereichen, sowohl im Bereich Ausländerextremismus als auch im Bereich Rechtsextremismus.
K: Das habe ich unterstellt.
Grüne: Dieser Vermerk bezieht sich jetzt nur auf den Bereich Ausländerextremismus. Gibt es denn noch weitere Vermerke mit Quellenmeldungen, die Ihnen bekannt sind?
K: Also, aus dem Bereich Rechtsextremismus zu der Zeit damals ist mir nichts bekannt. Nach meinem Eindruck hatte man sich relativ früh auf das Ausländerphänomen konzentriert. Man hat diese Tat als Tat unter diesen Gruppen deklariert.
Grüne: Sehen Sie denn diese Spekulation, die damals durch den Verfassungsschutz getätigt wurde, als Aufgabe des Verfassungsschutzes? Und noch mal: Aufgabe des Verfassungsschutzes, das haben Sie selber ausgeführt, ist Beobachten, Dokumentieren, Informieren. Aber hier wurde ja eine klare Wertung vorgenommen. Ist da, aus Ihrer Sicht heute, hier auch eine Grenze überschritten worden, was die Aufgabe des VS angeht?
K: Also, ich sehe es nicht als Grenzüberschreitung. Ich sehe es aber so im nebulösen Bereich. Das gehört sicherlich nicht zum Verfassungsschutz. Hier wird nämlich einfach nur eine Meinung wiedergegeben, was in der Zeit so kursiert ist an Gerüchten. Eigentlich ist der Verfassungsschutz nicht dafür da, um Gerüchte zu transportieren.
V: Ich würde gern an dieser Stelle, wenn Sie gestatten, Frau Kollegin, einhaken. Wir haben ja jetzt hier an dieser Stelle über den Tatkomplex Keupstraße gesprochen. Konnten Sie aus Ihrer Recherche, Aufarbeitung Zusammenhänge finden, dass der Verfassungsschutz in ähnlicher Weise für die Probsteigasse um eine Einschätzung, wie auch immer die zu bewerten ist, gebeten worden ist?
K: Das weiß ich nicht. Aber ich erinnere mich, dass auch die Probsteigasse nicht als Rechtsextremismus eingetütet worden ist. Dass man das nicht in den Phänomenbereich eingegliedert hat.
V: Können Sie sich erinnern, ob das eine Einschätzung aus Ihrer Abteilung gewesen ist?
K: Kann ich nicht.
V: Können Sie sich daran erinnern, ob Ihre Abteilung beteiligt war?
K: Weiß ich auch nicht.
Grüne: Zurück zur Probsteigasse, weil Sie hier ja jetzt auch schon jede Menge Befragungen vorgenommen haben und nach wie vor ein Widerspruch im Raum ist, wo Sie uns vielleicht weiterhelfen können – nämlich der Widerspruch dahingehend, dass durch Zeugen sehr klar gesagt wurde, durch WE-Meldungen oder aber durch eine Weitergabe an die Staatsschutzabteilungen und an das BfV – ist der Vorgang Probsteigasse definitiv auf dem Tisch des LfV gelandet. Er hätte dort landen müssen. Es wurde nicht gesagt, hätte dort landen müssen – Konjunktiv – sondern: er ist dort angekommen. Das BfV hatte ihn auf jeden Fall und er hat dort auch Bezug genommen. Also, wir haben relativ viele Tatsachen, Feststellung, dass er dort angekommen sein muss. Gleichzeitig sagt Herr Möller, damaliger Leiter, im Untersuchungsausschuss des Bundestages aus: Probsteigasse? Nie gehört, war bei uns kein Thema. Ich habe jetzt nicht das genaue Zitat, aber Sie kennen ja seine Aussage sicher. Aber [er hat]ganz klar gesagt: Davon haben wir überhaupt nichts mitgekriegt, das war für uns kein Thema und wir haben auch nichts gemacht. Das heißt: wie erklären Sie sich erst einmal die grundsätzliche Frage? Sie waren ja dann auch mit der Aufarbeitung beschäftigt, Sie mussten dann ja auch auf diesen Widerspruch stoßen? Wie erklären Sie sich das, dass das offenbar nie angekommen ist? Aber klar sein muss, es hätte ankommen müssen?
K: Also, ich kann ihnen dazu jetzt nicht sagen, warum ein Schriftstück, wenn’s das vom BfV war, in der Abteilung nicht angekommen ist oder ob es angekommen ist. Für mich hat sich aber festgesetzt, dass Probsteigasse kein Thema war für die Abteilung. Also jetzt auf der Basis der Analyse der Akten und der Besprechung mit den Mitarbeitern. Und dass die Keupstraße vielleicht mal so im Ansatz angesprochen wurde, aber dann sich auch sehr schnell so festgesetzt hat, dass hier eine Fehde unter Ausländern sein könnte.
Grüne: Ich kann das auch noch Mal konkret sagen, dass das der Zeuge Kretzer gesagt hat, dass es eine Abfrage aller Staatsschutzstellen, aller Landeskriminalämter von Bund und Ländern und damit auch der VS, gegeben haben muss. Gehen wir mal davon aus, das ist jetzt so richtig. Wenn Sie aber sagen, wir haben keine Dokumentation mehr davon, allgemein gefragt – wenn da so eine Abfrage kommt: Wir haben hier eine Sprengfalle, wisst ihr was? Wie wird denn mit so was generell umgegangen?
V: Vielleicht zur Klarstellung, ich will mich da jetzt nicht in die Frage einmischen, trotzdem, vielleicht sagen Sie mal den Zeitpunkt.
Grünen: Ja, aber er hat auch in dem Zusammenhang gesagt, dass es damals eine Abfrage gegeben haben muss. Wir hätten auch noch einen Vorhalt in Bezug auf die WE-Meldung, wo wir auch noch mal dokumentieren können, dass das Bundesamt sich auf diese WE-Meldung bezieht und auch auf eine Besprechung. Also, das heißt, das BfV bezieht sich darauf und es muss sie gegeben haben. Es gibt mindestens die WE-Meldung, aber eben auch eine konkrete Abfrage. Die Frage noch Mal: Werden solche Vorgänge dann irgendwie gelöscht irgendwann oder wie können Sie sich das denn erklären, dass das nicht mehr da ist?
K: Also, Sie bestätigen mir jetzt, dass es einen solchen Vorgang nicht gibt, in der Abteilung 6?
Grüne: Herr Möller hat das so ausgedrückt. Und Herr Schnieder hat uns das mitgeteilt, dass ihm das auch aufgefallen sei, dass Herr Möller das ausgesagt hat. Deswegen hätte auch er nochmal extra nachgeschaut und keinerlei Spuren des Vorgangs gefunden.
V: Jetzt muss ich mich doch noch Mal einmischen. Frau Kollegin, wenn wir über den Zeitpunkt 2011 sprechen, BAO Trio, dann kann es durchaus eine eigene, persönliche Wahrnehmung der Zeugen geben. Zeitraum 2004, Sie haben ja selber gesagt, dass Herr Möller diese Aussage gemacht hat.
Grüne: Ja, da geht es um Ihre Rolle, indem Sie das jetzt aufgearbeitet haben, dass diese Probsteigasse nicht in den Akten war, ob Sie das bestätigen können. Und wenn Sie bestätigen können: ja, ich habe nichts gefunden – wir aber Hinweise darauf haben, dass es einen Vorgang irgendwie gegeben haben muss, wie man diesen Widerspruch erklärt. Also, den Widerspruch finde ich erst mal offensichtlich durch die Aussage von Herrn Möller vor dem Untersuchungsausschuss und die Tatsache, dass wir eben auch nachweisen können, dass es aber irgendwie dort gelandet sein muss.
V: Hier ging es um die Frage, auf welchen Zeitpunkt der persönlichen Wahrnehmung von Frau Koller Sie sich beziehen.
K: Also, ich habe das jetzt so zweischichtig wahrgenommen. Einmal, Sie möchten die Arbeitsweise erläutert haben, wie so was läuft, wenn die Polizei eine Meldung…
Grüne: Weil, Sie können es konkret ja auch gar nicht sagen, deswegen …
K: Ja, genau. Der zweite Teil ist: was habe ich jetzt genau gewusst, zur Aktenlage Probsteigasse? Also, zum Komplex Behandlung von Informationen, die von der Polizei oder anderen Behörden eingehen, läuft das so, dass diese Anfrage oder Mitteilung in den zuständigen Fachbereich geleitet wird und dieser Fachbereich zwei Sachen macht. Einmal schaut der nach seiner Erkenntnislage, also: hat der dazu Erkenntnisse, gibt es dazu was. Und der zweite Punkt ist: die Vertrauensleute werden ganz gezielt nach diesem Ereignis gefragt. Und dann werden die Vertrauensleute gefragt, die in dem Bereich eingesetzt sind. Das ist in NRW ja so, dass wir ein Flächenland sind und dann gibt es eben Leute, die sind im Kölner Raum eingesetzt. Die anderen sind eben in Ostwestfalen-Lippe und andere sind, was weiß ich, im Aachener Land unterwegs. Und dann fragt man da gezielt nach. Bei so einer Anfrage wie dieser WE, die ich als wahr unterstelle, ich weiß es nicht, aber die Polizei arbeitet da ja auch nach einem bestimmten Schema und das ist dann einfach zu unterstellen, dass so eine Meldung kam. Es wird dann zuerst mal vorsortiert, in welchen Phänomenbereich könnte das fallen. Und was ich mir vorstellen kann, ist, dass man in dem Bereich tatsächlich in die Kurdenkiste gepackt hat. Das man gesagt hat, dass könnten jetzt wirklich so Konflikte unter Türken, nationalistisch oder was es so alles gab und dass man dann in den Bereich geschaut hat. Ich muss Ihnen das leider wieder sagen, obwohl es Ihnen nicht gefällt, es ist alles sehr lange her und das sind Einzelbausteine, die Sie von mir wissen wollen. Bei mir hat sich festgesetzt, dass Keupstraße in unserem Bereich unter dem Aspekt Rechtsextremismus …
Grüne: Es geht um die Probsteigasse jetzt, die ganze Zeit.
K: Ich denke, wir reden die ganze Zeit von der Keupstraße? Weil Sie ja den Keupstraßen-Vermerk haben.
Grüne: Gehen wir doch noch mal zurück zur Probsteigasse.
K: Aber können wir dann denn mal Keupstraße abschließen?
Grünen: Gern, können wir dann abschließen.
K: Gut.
Grüne: Weil, da ist ja auch eine Angelegenheit, wie auch in der Probsteigasse, durchaus bei Ihnen gelandet und da ist im Gegensatz zu Keupstraße, da sind ja Quellen befragt worden, was auch dokumentiert ist. In der Probsteigasse kam es zu dem Widerspruch, dass es ja irgendwie bei Ihnen gelandet sein muss, darauf bezog sich meine Frage. Probsteigasse faktisch für Sie, so Herr Möller, kein Thema war. Und diesen Widerspruch, da hatte ich noch mal drauf Bezug genommen …, Entschuldigung, vielleicht hätte ich es etwas deutlicher sagen müssen, war mein Fehler. Also, da auch noch mal zurück zur Probsteigasse – können Sie das bestätigen, dass das bei Ihnen gar nicht gelandet ist? Sie haben auch nix gefunden in den Akten dazu?
K: Also, ich kann das nicht bestätigen, weil ich jetzt ganz konkret diese Frage nicht geprüft habe. Ich würde mich da gern an Herrn Schnieder anhängen, weil Herr Schnieder dann sehr sorgfältig den Bereich noch mal beleuchtet hat. Das ist ja dann auch später passiert. Also, 2012 hat er sich ja dann noch mal damit beschäftigt, sagt er.
Grüne: Sie nicht? Sie haben sich 2012 in Ihrer Rolle als „Chef-Aufklärerin“, haben Sie sich mit dem Vorgang Probsteigasse und Verfassungsschutz gar nicht mehr beschäftigt, bis auf den Sachverhalt Johann H.?
K: Ich habe mich intensiv mit der Probsteigasse beschäftigt im Zusammenhang mit dieser Anfrage des GBA. Aber ich habe jetzt keine Vergangenheitsbewältigung betrieben. Für mich war klar, dass der Verfassungsschutz, für andere kann ich nicht reden, aber der Verfassungsschutz diese Taten nicht unter die Kategorie Rechtsextremismus substituiert hat. Das war für mich klar.
Grüne: Ist Ihnen denn da nicht irgendwie die Frage gekommen, warum es offenbar ja wohl einen Widerspruch gibt, noch Mal, dass Sie überhaupt nichts gefunden haben in den Akten, so Herr Schnieder und Herr Möller, Sie aber ja sehr wohl hätten gefragt werden müssen? Weil Sie haben ja gerade das abstrakte Verfahren dargestellt: so eine WE-Meldung kommt, Sie beschäftigen sich damit, u.U. in die falsche Richtung, was auch immer. Aber sind Sie dem nicht nachgegangen, warum es letztlich überhaupt keine Spuren aus der damaligen Zeit zur Probsteigasse gibt in den Akten, hat Sie das nicht gewundert?
K: Also, das wäre ja nicht zielführend gewesen. Was wir machen mussten, 2011 und folgende, das war aufklären, wer in diesen Taten mit involviert sein könnte aus dem Bereich NRW. Das war ja unser Ding. Wir haben ja die Täter noch gar nicht. Also, aus meiner Sicht ist ja noch überhaupt kein einziger Fall jetzt wirklich eindeutig geklärt.
Grüne: Aber zuordnungsbar. Und Probsteigasse ist durch das Video und die CD klar zuordnungsbar.
K: Ja, das ist ein Anhalt, warum wir uns da noch Mal mit beschäftigt haben. Aber es ist bis heute, … jetzt sind wir drei Jahre an der Aufarbeitung des NSU-Komplexes – ist bis heute kein konkreter Tatnachweis, jetzt für alle Taten in NRW, möglich. Man spekuliert, man hat diese Kameras bei Viva gesehen und man glaubt, die Personen Mundlos und Böhnhardt gesehen zu haben oder erkannt zu haben. Aber da gibt es auch noch eine andere Person, die eben nicht da rein passt. Also, wir sind alle noch nicht in der Lage oder wir haben alle noch kein Ergebnis erzielt. Und jetzt eine Vergangenheitsbewältigung zu machen, was 2001 schief gelaufen war, das haben wir gemacht, indem wir gesagt haben, wir haben dazu nichts gehabt. Ich unterstelle das jetzt einfach mal, da gibt es eine WE-Meldung, die der Bereich prüft, die Phänomenbereiche, das wären dann Ausländer gewesen, Rechtsextremismus weiß ich nicht, ich unterstelle: dass nein – und dann sagen die: keine Erkenntnisse und dann ist der Vorgang beantwortet.
Grüne: Aber dann wäre es ja ein Vorgang gewesen, der nicht mehr auffindbar ist. Können Sie denn ausschließen, dass der Vorgang vernichtet worden ist im Nachhinein? Wird so was gelöscht?
K: Also, Sie kennen ja die Löschungsfristen. Es gibt ja im VS-Gesetz Löschungsfristen und da müsste man einfach mal nachgucken, wann die gelöscht werden müssten. Das ist ja ein abgestuftes Verfahren.
V: Da ergab sich bei mir jetzt noch eine Verständnisfrage. Aber wir haben ja trotzdem einen Strafprozess, der momentan läuft.
K: Na ja, wir haben einen Strafprozess und dieser Strafprozess läuft seit 2 Jahren. Die Hauptangeklagte sagt nichts, die mitangeklagten Mittäter machen auch widersprüchliche Aussagen. Also, so richtig weiter sind wir da nicht. Und der Richter hat jetzt auch schon glaube ich für 2017 Frühjahr terminiert. Das ist doch eigentlich das Verstörende.
V: Sie meinen den weiteren Zusammenhang, wer könnte dieses Thema ausgeführt haben, wer könnte da ggfs. …?
K: Ja. Also z.B. das Netzwerk, was wir alle suchen. Was Sie ja auch suchen, worüber ich unheimlich dankbar bin, dass man sich dieser Frage widmet. Gibt es eine Infrastruktur? Also, das ist doch irgendwie unwahrscheinlich, dass jemand aus Thüringen oder Sachsen kommt und dann sich hier ganz gezielt Tatorte sucht und dann Verbrechen begeht, ohne dass er eine Anbindung hat. Das ist aber nicht mehr als einfach nur Vermutung. Das wäre schön, wenn Sie da weiterkämen.
Grüne: Letzte Frage, ich habe da schon das Gefühl, dass Sie da ein wenig ausweichen. Dieser verloren gegangene Vorgang Probsteigasse im Verfassungsschutz. Ich selbst bin da ja auch lange Jahre in dem Bereich tätig gewesen, dass einmal was verloren geht beim VS, das kenne ich eigentlich nicht. Und das mit den Löschungsfristen bezieht sich nicht auf solche Vorgänge, dass Sie hier offensichtlich einen Prüfvorgang auf dem Tisch haben, der im Nachhinein nicht mehr da ist. Deswegen noch mal konkret nachgefragt: Sie haben in Ihrer Funktion in der Aufklärung dieser Fälle, dieser Zusammenhänge, … gibt es die oder gibt es die nicht … – haben Sie von Löschungen von der Probsteigasse gewusst, Sie persönlich?
K: Nein.
Grüne: Sie können es aber auch nicht ausschließen? Sie wissen schlicht nicht, wo das ist?
K: Was man nicht weiß, kann man nicht ausschließen.
Grüne: Das heißt, Sie wissen auch nicht, wo das geblieben sein könnte, dieser Vorgang? Wie auch immer der dann bewertet wurde. Wir wissen es ja nicht. Es muss einen gegeben haben und wir wissen nicht, wie der bewertet wurde seinerzeit 2001, als das PP Köln [d.i.: Polizeipräsidium Köln] beim Verfassungsschutz offenbar angefragt hat. Wir wissen es ja nicht und das heißt, Sie können es weder ausschließen noch bestätigen?
V: Frau Düker, wenn Sie es konkreter fassen? Dazu haben ja auch schon andere Zeugen Aussagen gemacht, zu dieser Frage. Ich finde es sehr spekulativ.
K: Also, wenn ich das richtig wahrnehme, geht es Ihnen darum, Frau Abgeordnete, herauszufinden, oder: erstens Mal wird unterstellt, dass es eine WE-Meldung oder was es auch war, eine Anfrage der Polizei an den VS, gab. Das ist sehr naheliegend, weil, wenn so ein Ereignis passiert, kann man die politische Dimension nicht ausschließen. Wie dieser Vorgang dann weitergegangen ist, das weiß ich nicht. Also, ganz konkrete Antwort.
V: Dann wechselt jetzt das Fragerecht zur FDP-Fraktion, Herr Dr. Stamp.
FDP: Ja, Herr Vorsitzender, wie haben ja hier auch eine kritische Öffentlichkeit, die im Rahmen dessen, was tatsächlich möglich ist, ja auch Informationen bekommen muss. Deswegen möchte ich noch einmal zwei kurze Fragen stellen. Sie haben, wenn ich das richtig verstanden habe, vorhin ausgeführt, dass Sie bei der Vita des Johann H., ich glaube: „Skepsis“ war der Begriff, den Sie genannt haben, jedenfalls haben Sie das kritisch beurteilt und gesagt, daher hätte es eine Notwendigkeit der Abschaltung gegeben. Dann stellt sich für mich in der Logik die Frage, warum die Abschaltung nicht früher entstanden ist? Und wie es dann auch zur Diskrepanz von verschiedenen anderen Einschätzungen kommt, die ihn aber wiederum als sehr, sehr zuverlässige oder gar als bürgerliche Existenz beschreiben? Das wäre die erste Frage.
K: Das kann ich Ihnen in öffentlicher Sitzung nicht beantworten.
FDP: Ok. Dann die zweite Frage. Sie haben vorhin dezidiert, auch auf Nachfrage, ausgeführt, dass es eine Vernehmung von Johann H. zum Thema Probsteigasse gegeben hat, oder zumindest eine Befragung – andere Mitarbeiter Ihres Hauses haben das ausgeschlossen. Können Sie sich das erklären?
K: Nein.
FDP: Ok, dann nachher.
V: Dann wechselt das Fragerecht noch mal zur Piratenfraktion, Frau Kollegin Rydlewski.
Piraten: Zunächst, weil es vorhin etwas hin und her gegangen ist und ich mich auch an eine Aussage von letzter Woche erinnere, noch mal zur Klärung: Wer hat jetzt die Ähnlichkeit Phantombild / Johann H. festgestellt? Das BfV oder das LfV?
K: (murmelt, spricht undeutlich)
Piraten: Ich meine mich daran zu erinnern, dass Herr Schnieder gesagt hat, das Bundesamt hätte es festgestellt.
K: (seufzt)
Piraten: Können wir jetzt nicht klären. Andere Frage, auch noch zur Probsteigasse. Diese „Kameradschaft Walter Spangenberg“, da gehe ich im Grunde davon aus, dass Sie sich mit dem Namensgeber auch ausführlich beschäftigt haben. Inwieweit war es Teilen Ihrer Ermittlungen oder Ihres Kenntnisstandes bekannt, dass Walter Spangenberg in der Nähe des Tatortes Probsteigasse gewohnt hat und getötet wurde?
K: Das kann ich jetzt nicht sagen. Also, wir haben diesen Fall intensiv beleuchtet, nachdem wir dieses Phantombild bekommen haben und haben dann entsprechend einen Vermerk an den GBA gemacht.
Piraten: Dann komme ich noch einmal zurück auf den Vermerk, den Herr Biesenbach eingangs eingebracht hatte, zur Keupstraße. Die Nummer ist A12212, ich weiß nicht, ob das noch bei Ihnen auf dem Bildschirm ist. Und zwar geht es mir um die Seite 131. Da gibt es eine Stelle, zwei Zitate daraus: [Zitat in etwa:] „… eine qualifizierte Dokumentation dieser Zusammenarbeit ergibt sich aus der Akte nicht“, haben Sie über die Zusammenarbeit mit der Polizei zusammengefasst, sozusagen. Und ein weiterer Teil ist, Zitat: [in etwa und indirekt formuliert:]dass der jetzt aufgefundene Vorgang Keupstraße nicht dem heutigen Qualitätsmaßstab der Abteilung entspreche. Da würde mich interessieren: Was hat Sie dazu veranlasst, dies in dem Vermerk festzuhalten und an welcher Stelle hat sich der Qualitätsstandard geändert? An welcher Stelle hat sich das zeitlich geändert, im Nachgang 2004? War das schon vor Ihrer Zeit verbessert oder hat sich das erst später ergeben?
K: Also, ich habe festgestellt, jetzt auch im Zusammenhang mit der Analyse der Akten, im Nachgang der NSU-Morde, dass sich der Qualitätsstandard der Nachrichteninformationsbeschaffung in der Abteilung im Laufe der Jahre und vor allem in dem Jahrzehnt 2000–2010 verbessert hat. Es sind andere Leute gewesen, es gab Personalwechsel und man hat auch die V-Leute anders geführt als das vielleicht früher in dem einen oder anderen Fall war. Also, die Qualität der gewonnen Informationen hat sich in diesem Jahrzehnt verändert.
Piraten: Was war der Anlass, dass Sie diese Vermerke geschrieben haben? Das war jetzt wegen des Bundestagsuntersuchungsausschusses?
K: Also, ich kenne das Dokument ja nicht, ich hab‘s ja heute zum ersten Mal …, oder ich hab‘s ja unterschrieben und wir haben es ja auch erstellt, aber ich kenne den Zusammenhang jetzt nicht nach dieser langen Zeit. Ich gehe davon aus, dass das eine Antwort an den Untersuchungsausschuss des Bundes war. Und damit wollten wir zum Ausdruck bringen, dass das, was z.B. 2004 nicht erkannt worden ist, möglicherweise 2011/12 vielleicht schon erkannt worden wäre. Dass man sich heute oder in der Zeit, in der wir dann waren, sich intensiver mit diesen Vorgängen befasst.
V: Dann frage ich noch einmal, ob eine weitere Fragerunde benötigt wird? Dann würde ich die Sitzung unterbrechen und die Nicht-Öffentlichkeit herstellen.
Die Befragung der Zeugin Mathilde Koller wird unterbrochen, die Öffentlichkeit muss den Sitzungssaal verlassen. Die Vernehmung wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt.
Vernehmung Aloys Hoppe
Da die Einlassungen des Zeugen Hoppe wenig ergiebig war, verzichten wir vorerst auf die protokollarische Wiedergabe seiner Äußerungen, sondern geben im Folgenden nur eine kurze Zusammenfassung der ohnehin kurzen Vernehmung. CDU und SPD stellten keine Fragen. Der pensionierte Kölner Polizist Aloys Hopp (69 Jahre alt, seit neun Jahren im Ruhestand) war auf Antrag der Piraten-Fraktion als Zeuge geladen, die auch nach dem Vorsitzenden mit der Befragung begann. Er sollte erklären, warum man die minderjährige Schwester der beim Anschlag in der Probsteigasse verletzten jungen Frau in Abwesenheit ihrer Eltern vernommen hat. Die Schwester hatte damals ausgesagt, keine Erinnerung an den Bombenleger zu haben. Als sie 2012 nach Aufdeckung des NSU nochmals vernommen wurde, gab sie an, den Täter gesehen zu haben.
Hoppe äußerte zu den Fragen der Abgeordneten, dass er keine konkrete Erinnerung mehr an den Fall habe: „Ich kann mich an die Mitarbeit bei dieser Sache nicht erinnern. Ich war zwei Tage in der Ermittlungskommission, danach hatte ich mit ihr nichts mehr zu tun. Ich weiß auch nicht mehr, was ich dort gemacht habe.“ Danach habe er nichts mehr mit dem Fall zu tun gehabt.
Auf die Frage der Piraten, warum er die 14-jährige Schwester der Geschädigten in Abwesenheit ihrer Eltern vernommen hatte, antwortete er: „Daran kann mich nicht erinnern, dass ich die Vernehmung gemacht habe. Wenn ich den Auftrag bekommen habe, dann war das wohl so. Aber mehr kann ich nicht dazu sagen.“ Als er gefragt wird, ob er damals Schulungen zum Umgang mit traumatisierten Menschen erhalten habe, blockt der Zeuge ab: „Ich weiß nicht, was das jetzt mit dem Fall heute zu tun haben soll. Meine Aussagegenehmigung beschränkt sich nur auf diesen Fall, nicht auf die Fortbildung. Ich werde nicht über die allgemeine Ausbildungssituation sprechen.“
Auf die Frage der Grünen, ob es üblich sei, eine Zeugin so kurz nach einer belastenden Situation zu vernehmen, erwiderte er: „Wenn die Zeugin einen nervösen oder geschockten Eindruck macht, wird man sie fragen, ob sie überhaupt jetzt was sagen wollen, ob sie sich überhaupt danach fühlen, Fragen zu beantworten? Im Hintergrund steht aber natürlich immer, durch Zeugenaussagen festzustellen, ob es Hinweise auf Täterspuren gibt.“ Als Grund für eine schnelle Vernehmung, nennt er das Interesse so schnell wie möglich Hinweise auf die Täterschaft zu erhalten. „Wenn die Vernommene dann schluchzt und weint, wie im Fall der 14 jährigen – da kann ich mich jetzt halt nicht erinnern dran – dann würde die Vernehmung abgebrochen“, so Hoppe.
Die FDP beantragt, dass der Zeuge seine Dienststelle anruft. Der Abgeordnete Stamp ist der Ansicht, dass Fragen zu Schulungen im Umgang mit traumatisierten Zeugen von der Aussagegenehmigung gedeckt sind. Die Sitzung wird kurz unterbrochen, der Zeuge telefoniert.
Nach der Unterbrechung antwortet er auf die gestellte Frage: „Ich habe eine Ausbildung bei der Übernahme zum Kriminalkommissar genossen. Ich bin von älterem Kollegen angelernt worden. Damals waren es noch eher Frauen, die Verhöre mit Kindern und Frauen durchgeführt haben. Aber bei dem Anlernen habe ich das bestimmt mitbekommen. also die Vernehmungen mit Frauen oder Kindern. Einen 14-Tage-Kurs oder so habe ich nicht genossen. Also keine spezielle Ausbildung.“
Um 18:40 Uhr ist die Befragung abgeschlossen und der Vorsitzende beendet die öffentliche Sitzung.