Protokoll der Sitzung vom 1. Dezember 2015

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In der 22. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum NSU war ausschließlich der ehemalige Referatsleiter des NRW-Verfassungsschutzes, Hans Peter Lüngen, geladen. Die Verfassungsschutzabteilung (VS) ist als „Abteilung 6“ Teil des Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW. Der Zeuge eigentlich bereits am 25. August gehört werden, wurde aber aus Zeitgründen abgeladen.

Im Folgenden dokumentieren wir die Vernehmung. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um ein offizielles Wortprotokoll der Sitzung handelt, sondern um unsere Mitschrift. Trotz der großen Sorgfalt, mit der wir dieses Protokoll erstellt haben, können wir keine Gewähr für eine komplett fehlerfreie Wiedergabe leisten. Stellen, die wir nicht richtig verstehen konnten, haben wir mit »???« markiert. Mit eckigen Klammern haben wir Anmerkungen gekennzeichnet.

Vernehmung Hans Peter Lüngen

Um 14:00 Uhr eröffnet der Vorsitzende Sven Wolf (V) die Sitzung und belehrt den Zeugen. Er fragt zudem nach dessen beruflichen Werdegang.

Hans Peter Lüngen (L): Ich bin seit Jahrzehnten Landesbeamter. Ich habe bei der Bezirksregierung (BZR) Düsseldorf und im Innenministerium 2-3 Jahrzehnte in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet. Fünf Jahre lang war ich Referatsleiter des Bereichs Auswertung Rechtsextremismus in der Abteilung 6.

V: Wir würden gerne erst mal erfahren grundsätzlicher Natur, wie die Arbeit der Auswertung in der Abteilung 6 aussah?

L: Die Auswertung war ein Referat, keine Abteilung. Damals war das so. Heute ist das anders. Es gab damals eine strikte Trennung zwischen Auswertung und Beschaffung. Genau das ist heute anders. Wir haben mit offenem Material, Publikationen, Zeitungen und Internetauswertungen gearbeitet. Internet war damals noch ein ganz neues Medium. Bei der Auswertung haben wir auch schriftliche Quellen bewertet, die man von der Beschaffung bekam.

V: Die haben Sie zusammengetragen und gesichtet?

L: Es war ein Versuch, einen Einblick in einzelne extremistische Bereiche zu bekommen. Nicht alle waren Gewalttäter. Manche waren rein intellektuell tätig. Aber die waren genauso gefährlich. Ein wichtiger Schwerpunkt war damals die „Neue Rechte“. Wenn man Verfassungsschutz-Berichte anschaut, steht das auch so da drin. Ich weiß gar nicht, ob die alten Verfassungsschutz-Berichte heute auch noch elektronisch zur Verfügung stehen. Damals war man anders aufgestellt, v.a. was Namensnennungen angeht. Heute wird das sensibler gehandhabt. Namen werden nicht mehr vollständig benannt, da man im Internet ja alles finden kann, was man will. Daher gibt es Unterschiede zwischen den VS-Berichten von damals und heute. Also die alten in digitalisierter Form – da ist nicht mehr all das drin, was in den schriftlichen VS-Berichten von damals stand.

V: Wie funktionierte die Zusammenarbeit von der Abteilung 6 und der Staatsanwaltschaft? Also, welche verwaltungsinternen Vorschriften gab es da bzgl. der Zusammenarbeit?

L: Im Prinzip ist das alles über gesetzliche Regelungen geklärt. Es ist auch nicht so, dass die Auswertung von der Staatsanwaltschaft oder den Polizeibehörden angesprochen wird oder ständiger Kontakt herrscht. Wir sind keine polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlungsbehörde, wir sammeln Informationen und werten sie aus. Die treten nur an uns ran, wenn sie meinen, dass wir ihnen helfen können oder z.B. um im Vorfeld vor Demos Hintergründe und Einschätzung zu bekommen. Z.B. wie viele aus dem extremen Spektrum kommen werden – auch bzgl. Gegendemonstranten. Das waren die klassischen und häufigeren Berührungspunkte mit der Polizei. Aber Einzelanfragen bzgl. Straftaten waren sehr sehr selten

V: Welche Arten von Anfragen waren das dann?

L: Solche Fälle – ich nehme an, sie spielen auf Erkenntnisse von Straftaten der schwersten Art an – das wäre dann eine Selbstverständlichkeit gewesen, wenn wir davon erfahren hätten, die entsprechenden Behörden zu informieren. Solche Dinge sind mir in den fünf Jahren aber nicht geläufig geworden. Also damit meine ich terroristische Gewalttaten oder Ähnliches. Es gab nur sehr niederschwellige Einzelfälle.

V: Können Sie mir erklären, warum das so selten vorkam?

L: Ich kann mich schlecht zum Abfrageverhalten der Polizei äußern. Ich kann nur Spekulationen äußern. Und man sollte ja eher eigene Wahrnehmungen darstellen. Erst wenn die Polizei Personen mir rechtsextremen Bezügen hatte, haben sie sich an uns gewandt. Ich kann mich nur spontan an einen spektakulären Fall erinnern.

V: An welchen?

L: Ich glaube, das war der Anschlag am Wehrhahn in Düsseldorf.

V: Wie konnten Sie sicher stellen, dass bei möglichen Straftaten die entsprechenden Informationen weiter gegeben wurden? Gab es dazu Dienstanweisungen?

L: Man ist ja täglich mit den Auswertern zusammen. Wirklich täglich. Da machen wir nicht noch zusätzlich eine große Besprechung. Das muss man nicht extra noch sagen. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Ebenso auch für alle meine Kollegen.

V: Sie haben uns gerade erzählt woher die Infos für die Auswertung kamen. Da spielt ja die Frage des Quellenschutzes bestimmt auch eine wichtige Rolle, oder?

L: Ich bin überrascht. Die Fragestellung nähert sich einem Bereich an, also ich habe ja nichts zu verbergen, aber ich habe da Zweifel, ob ich darüber so in einer öffentlicher Sitzung reden kann. Was ich aber sagen kann ist, das mir ein solcher Fall, wo das eine Rolle hätte spielen können, dass ich den nicht präsent habe.

V: Gab es Fälle, wo diese Verpflichtung, etwas weiter zu geben, durchbrochen wurde, durch den Quellenschutz?

L: Da ist mir nichts präsent

V: Auch nicht bei den Bombenattentaten in Köln?

V: Ich war von April 1989 bis Mitte Oktober 2003 in der Abteilung 6 tätig. Das macht deutlich, dass ich zum Zeitpunkt des Anschlages in der Keupstrasse schon gar nicht mehr im VS-Bereich war. Ansonsten – natürlich ist das selbstredend. Wenn sie auf den Sprengstoffanschlag auf den Laden in der Probsteigasse anspielen – ich erinnere mich. Da war eine Tochter das Opfer. Ich habe im Einsetzungsbeschluß ihre Vita gelesen und gesehen. Aber, es wird Sie überraschen, ich habe keine Erinnerung daran, dass wir uns damit beschäftigt haben. Es ist ja auch so, dass nicht jede Tat mit einem Opfer mit Migrationshintergrund einen rechtsextremen Hintergrund hat und bei uns landet. Ich selber habe diese Straftat auch überhaupt nicht wahrgenommen. Wir lesen kaum die Kölner Lokalpresse, da war das ja bestimmt das Thema. Aber ich bin ja kein Kölner und habe das daher nicht mitgenommen. Wir sind auf jeden Fall nicht gezielt angesprochen worden, dass hier möglicherweise eventuell ein rechtsextremer Hintergrund zu vermuten sei und man uns gebeten hätte, Infos von in den Fokus geratenen Personen anzubringen.

V: Und Sie hatten auch keine Infos von Quellen aus der Szene?

L: Wenn wir solche Infos gehabt hätten, hätten wir sie auch weiter gegeben. Wir decken keinen Mord oder Totschlag.

V: Dann würde ich gerne beim Verfassungsschutz-NRW bleiben: Inwieweit gab es eine Verpflichtung andere Abteilungen zu informieren? Sie haben das Beispiel Demonstration und Polizei genannt – da wurde angefragt. Gab es auch den Phänomenbereich, bei dem sie andere informiert haben?

L: Das kam automatisch. Wir haben meistens unsere Einschätzungen ausgegeben. Bei den Demos, die ja meistens am Wochenende stattfanden, haben wir die noch am Freitag raus gegeben, damit die Polizei ihre Einsatzkräfte disponieren kann.

V: Wie funktionierte der Informationsfluss an die Hausspitze?

L: Man informiert ganz normal auf dem Dienstweg. Nach oben lässt sich das schwer konkretisieren. Wenn etwas besondere politische Bedeutung hat, unterrichtet man den Staatssekretär und dann geht s noch weiter nach oben. Es gab ja auch bspw. das NPD Verbotsverfahren. Das war ja nicht das erste. Es gab auch andere Klageverfahren. Unser Klientel war sehr klagefreudig gegenüber dem Verfassungsschutz. Vor allem, weil sie sich meist zu Unrecht beobachtet fühlten. Beispielsweise Pro Köln, die REP s, das „Bündnis für Deutschland“, die „Junge Freiheit“ oder das Publikationsorgan „Der Schlesier“. Solche Klagen waren natürlich auch im politischen Interesse. Wir haben nie verloren. Wir hatten ausreichend Material. Man macht so was nicht leichtfertig. Man weiß um die Klagefreudigkeit der Dinge, wenn man das in Schriftform im VS-Bericht niederlegt. Unser Auftrag war die Aufarbeitung für die Öffentlichkeit. Wir haben ja auch viele Fortbildung gemacht. Auch wenn das manche als Tabu ansehen. Auch das ist eine wichtige Aufgabe, die der VS hat. Unser Schwerpunkt war die Aufbereitung der Berichte. Also des Halbjahres und des Jahresberichtes. Da gab es auch ein gewisses mediales Interesse daran. Daher muss man aufpassen, was man sagt, damit man sich nicht angreifbar macht. Der VS stellt sich sehr unterschiedlich dar. Wenn man den terroristischen Bereich hat, ist das ganz anders geartet, als bei bspw. den politischen Bestrebungen von Parteien oder anderen, die man beobachtet. Damals gab es ja auch noch die DVU. Das war ja eine Partei, die bei Landtagswahlen über  10 % erreichte. Die REP s waren auch sehr stark. Die NPD gab es auch, aber die hatten damals noch keinen hohen Wähleranteil. Bei uns wurde auf die intellektuelle Neonaziszene besonderer Wert gelegt und das war auch wichtig. Wenn sie bzgl. terroristischer Strukturen was wissen möchten – da haben wir keine erkannt oder gesehen. Ob es welche gab ich weiß es nicht, weil wir keine gesehen oder erkannt haben.

V: Ich möchte beim Allgemeinen bleiben. Haben sie auch Rückmeldungen von der Hausspitze bekommen, welcher Schwerpunkt wichtig war?

L: Die erfolgten wohl, aber die landeten eine Leiter höher.

V: Beim Abteilungsleiter?

L: Ja. Aber wir hatten den Schwerpunkt Rechtsextremismus bis zu 9/11. Das war der dickste Teil der Berichterstattung über Extremismus. Damals war der Verfassungsschutz nicht auf dem rechten Auge blind, wie uns oft ungerechtfertigterweise vorgeworfen wird. Das ist natürlich kein Vorwurf gegenüber den Anwesenden.

V: Der VS-NRW – wie war da die Zusammenarbeit mit anderen LfV-Ämtern und dem BfV? Gab es da Abgleiche oder Vergleiche mit anderen Ländern?

L: Das wurde von den Sachbearbeitern routinemäßig gemacht, wenn das andere Länder betraf oder landesübergreifend war. Es gab auch einmal im Jahr die Auswerter- und Beschaffungstagung. Da erfolgte ein Meinungsaustausch. Da war ich auch immer. NRW war ja das einzige Land mit der Konzentration auf die intellektuellen Neonazis. Da standen wir auch oft in der Kritik anderer Länder.

V: Gab es feste Regeln innerhalb des Referates, wie man mit Phänomenbereichen umging, die ein anderes Bundesland betrafen? Mussten Sie andere Länder anrufen?

L: Nein – anrufen nicht. Wie gesagt, das war Routine. Da gab es Quellenberichte, die wurden weiter gegeben an Länder, die betroffen waren. Wenn wir Infos bekamen über Treffen, auf denen sich Personen aus anderen Ländern herumtreiben, dann ist das natürlich klar, dass wir diese Länder darüber informiert haben.

V: Sie haben auch ins Referat Informationen aus anderen Ländern bekommen?

L: Ja.

V: Aus ihrer Einschätzung heraus, würden Sie sagen umfangreich, ausreichend, mäßig?

L: Das setzt Kenntnisse voraus, die ich nicht haben kann. Ich müsste ja erst mal wissen, welche Kenntnisse die insgesamt hatten und welche nicht. Das kann ich nicht einschätzen. Wir haben immer nur das weiter gegeben, bei dem wir meinten, das wäre relevant. Aber keiner ist perfekt. Kann auch sein, dass das eine oder andere, was eventuell wichtig gewesen wäre, nicht weiter gegeben wurde, weil wir manche Verknüpfung nicht erkannt haben. Wir haben immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

V: Sie haben gesagt, Ihr Schwerpunkt sei Rechtsextremismus gewesen – kann das sein, dass ein anderes Land das nicht als Schwerpunkt hatte. Meinen Sie damit, dass das also einen anderen Schwerpunkt hatte?

L: Da müsste man die Behördenstrukturen der anderen Länder genauer angucken. Kann ich nicht sagen. Ein Land wie Bremen beispielsweise hat natürlich nicht die Leistungsfähigkeit wie wir, schon von der Größe her. Gewisse Dinge konzentrierten sich in Ostdeutschland. Das war deutlich erkennbar. Es gab auch ab und zu Berichte, die in diesem Bereich angelegt waren.

V: Ich würde gerne noch zu einem anderen Bereich kommen. Die Frage des Datenschutzes. Bzgl. des VS Bericht etc. da haben sie das begründet mit der Klagefreudigkeit des Klientel. Zu dem Bereich insgesamt – welche Fristen gibt es da im Referat?

L: Nageln Sie mich nicht fest – das war unterschiedlich je nach Spektrum. Ob einfaches Parteimitglied oder rechtsextremistisches mit Gewalttaten… Wenn einer einfaches Mitglied war und austrat, da war das natürlich eine andere, kürzere Frist als bei einem, der Hardcore-Rechtsextremist war. Bei einem der 10 Jahre im Bau sitzt – der kann ja nicht so viel anstellen , das macht ja nicht so viel, den drin zu behalten. Hängt von der Gefährlichkeit ab.

V: Können Sie Sich daran erinnern, ob was zum Untersuchungsgegenstand gelöscht wurden?

L: Ich bin nicht mehr da drin seit 2003. Woher soll ich wissen was danach passiert ist? Natürlich haben wir damals nichts mit NSU-Bezug gelöscht, da es ja keinen NSU-Bezug gab. Natürlich gab es immer wieder Löschungen. Das war ganz normale Routine. Es gab natürlich auch Gespräche mit den Sachbearbeitern. Da spielen ja auch individuelle Einschätzungen eine Rolle bzgl. des Erkenntnisstandes.

V: Könnten Sie bitte genauer eingehen auf Ihre Tätigkeit? Insbesondere auf den Fall „Probsteigasse 2001“. Aus vorherigen Vernehmungen wissen wir, hat der Staatsschutz Köln eine Zweitakte erstellt und die wurde aus der Abteilung heraus übersandt. Können Sie Sich daran erinnern?

L: Wer hat was an wen gesandt?

V: Der Herr Mittler, er war Ermittlungsleiter aus Köln. Der hat diese an den Staatsschutz weiter geleitet.

L: Der VS ist nicht der Staatsschutz.

V: Es geht jetzt darum, wer wohin die Akten geleitet hat.

L: VS und Staatsschutz sind ganz unterschiedliche und getrennte Abteilungen. Die Polizei ist die Polizei. Der Verfassungsschutz ist der Verfassungsschutz. Da gibt es Berührungspunkte aber auch Ängste der Polizei gegenüber dem VS, aber nicht umgekehrt.

V: Sie haben über einige Jahre die rechtsextreme Szene in NRW beobachtet. Sie haben schon ausgeführt über die intellektuellen Neonazis. Können Sie was sagen zum gewaltbereiten Rechtsextremismus? Gab es da Veränderungen?

L: Da gab es keine signifikanten Änderungen. Das gewaltbereite Spektrum aus Skins und Neonazis war vermischt mit einer allgemeinen kriminellen Szene. Es gab auch mal Ausflüge in die Fußball- oder Rockerszene. Die waren konstant auf einem hohen Niveau. Signifikante Sprünge nach oben in der Masse der Szene sind nicht bekannt. Es gab eine Zeitlang auch ein explosionsartiges Ansteigen. Es wurden einfach mehr Anschläge gemacht. Wenn denn mal was gemeldet wurde. Die Statistik macht ja die Polizei. Wir bekommen ja nicht alle Polizeimeldungen über Straftaten. Wir bekommen nur die über die politisch motivierten (PMK). Und das Meiste sind ja Propagandadelikte.

V: Sie haben das mit Gewaltbereitschaft umschrieben. Können Sie sagen, ging das auch in den konkreteren Bereich der Gewaltanwendung? Die, sagen wir mal so, „Wir schlagen mal zu“ – Tendenz?

L: Es gab keine Tendenz. Ein Bevorstehen von terroristischen Strukturen war nicht erkennbar. Es gab Einzelpersonen, die waren besonders gewalttätig. Aber es gab keinen Gesinnungsterrorismus. Es gab keine Erkenntnisse über terroristische Strukturen. Dass das immer eine Gefahr ist, das ist eine Selbstverständlichkeit. Gerade Kleinstgruppen oder Einzeltäter mit terroristischen Bestrebungen, das konnten wir natürlich schwer einschätzen. Da mussten wir schon das Glück haben eine Quelle aus direktem Umfeld zu haben.

V: Wenn Sie so eine Einschätzung hatten, wie sind Sie damit umgegangen?

L: Es gab doch die VS-Berichte. Wir haben das schon immer zitiert. Wir haben das nicht nur in einem kleinen klandestinen Bereich getan, wir haben das auch medial breit in die Kamera gestreut. Was wollen Sie machen? Rund um die Uhr beobachten? Das geht ja nicht mit unserem Personal.

Der Vorsitzende eröffnet die Fragerunde, die CDU-Fraktion beginnt.

CDU (Heiko Hendricks): Ihre Tätigkeit liegt 12 Jahre zurück – nur 5 Jahre davon haben Sie im Bereich des VS gearbeitet- einige konkrete Fragen. Ich hoffe, Sie können sich erinnern. Die Fragen beziehen sich konkret auf Kameradschaften. Vorab: Probsteigasse – aus unseren Unterlagen geht hervor, dass das BfV in einer bestimmten Frage involviert war. Ich habe Sie richtig verstanden – Sie, bzw. Ihre Abteilung, waren nicht involviert? Niemand hat Sie gefragt? Ist das so richtig?

L: Im Prinzip muss ich das bestätigen. Ich kann mich an keine Anfrage erinnern. Aber Sie wissen ja, wie das mit der Erinnerung ist. Es ist ein Konstrukt aus realem, gehörten, gelesenen, also ein Konglomerat. Ich habe keine Erinnerung daran, dass wir die Probsteigasse hatten. Bei einem Sprengstoffanschlag – wenn sich da jemand an uns wendet – dann bleibt das in Erinnerung, weil das außergewöhnlich ist. Da hätte ich mich daran erinnert.

CDU: Das war die grundsätzliche Frage, weil es um das BfV geht. Die zweite Frage: in Ihrer fünfjährigen Amtszeit gab es irgendwann die Situation – völlig losgelöst von der Probsteigasse – eine Anfrage mit der Bitte: Weiterleitung an die Behörden – und dann den Fall: wir reichen nicht weiter?

L: Das sind Fragen, die ich nicht beantworten kann. In der Abteilung kann ich nicht die Hand ins Feuer legen für andere. Es ist mir auf jeden Fall nicht erinnerlich. Es gab Kontakte, in andere Bereiche. Es kann sein, dass die in dem Bereich der Beschaffung enger waren, das will ich nicht ausschließen.

CDU: Jetzt eine Frage, extra auf Ihren Bereich bezogen. Ich erlöse Sie jetzt. Ich habe von 2000-2002 die analogen VS-Berichte durchgeblättert und durchgelesen. In der Beschreibung gibt es einen Vergleich. Mitte der 80/90er Jahre wird die regionale Bedeutung der lokalen Szene herausgearbeitet. Das wird auch in den VS-Berichten 2000/2002 auch beschrieben. Da geraten in den Fokus Dortmund , Düsseldorf und Köln. Bezogen auf ihre fünfjährige Tätigkeit  da gab es wenige Infos über diese Kameradschaften und ihreVerbindungen in die Nachbarschaft, Belgien/Holland. Können Sie da mehr sagen?

L: Das steht ja teilweise drin. Nicht alles würde Quellen gefährden. Es gab Kontakte, die werden skizziert und beschrieben, insbesondere Verbindungen in die Niederlande und nach Belgien. In Belgien gab es einmal im Jahr ein internationales Treffen der Rechtsextremen – da sind natürlich auch Personen aus Deutschland/NRW hingefahren. Wenn Sie Sich häufiger Demos angeschaut haben, sehen Sie, dass Personen – erkennbar an Fahnen – auch aus dem Ausland und anderen Bundesländern da waren.

CDU: Da möchte ich anschließen. Auch im VS-Bericht steht, dass ein Austausch bundesweit auf großen Veranstaltungen durchaus stattgefunden hat. Es gab auch Treffen mit besonderen Kameradschaften – erinnern Sie Sich daran?

L: Eher selten. Das kann ich nicht auf Knopfdruck abspulen. Was nicht ausschließt, dass es solche Hinweise gab. Zahlreiche Erkenntnisse von Kameradschaftstreffen waren eher selten. Wir wussten, dass es diese Szene gibt und sie vernetzt ist. Optischer Gradmesser waren die zahlreichen Demos. Die hatten bundesweite Bedeutung.

CDU: Inwieweit haben die Kontakte zum NSU Trio gebildet. Und inwieweit waren die vernetzt mit anderen Bundesländern und dem befreundetem Ausland? Mit dem Fokus auf die Kameradschaft Dortmund. Da gab es „SS-Siggi“. Wer hat da sonst noch eine Rolle beim VS in der Beobachtung gespielt?

L: Aus dem Bereich Dortmund – das liegt ja eine Weile weg. Daher fällt es mir schwer, mich zu erinnern.

V: Ich nennen Ihnen mal einen Namen: Marko Gottschalk.

L: Hab ich mal gehört, jetzt wo Sie es sagen.

CDU: Ein Sachverständigerr hat angegeben, Gottschalk habe ein Konzert mit Jan Werner geplant. Ein „Blood &Honour“-Konzert. Jan Werner hat Kontakt zum NSU. Ich weiß, es ist lang her, 2001. Aber sind Ihnen diese Personen bekannt?

L: Nein, an solche Einzelvorgänge habe ich keine Erinnerung. Sie müssen sich mal die Abläufe vorstellen. Sie bekommen hunderte von Quellenberichten. So ist das menschliche Gehirn nicht konstruiert. Mir sagt es überhaupt nichts. Kann auch sein, dass wir solche Erkenntnisse nicht hatten.

CDU: Marko Gottschalk war bei der Band „Oidoxie“ eine zentrale Figur. Ich will ja nicht nachbohren. Wenn Sie Sich nicht erinnern können, wobei „SS-Siggi“ war Ihnen dann ja doch bekannt.

L: Ja. Der ist ja auch heute noch in den Medien. Das bleibt dann besser in Erinnerung, als die andere Personen, die nicht täglich in der Presse auftauchen.

CDU: Kameradschaft Düsseldorf. Sagen Ihnen die Namen Skoda, Wagner, Schirmer etwas?

L: Partiell ja. Einer hatte eine Führungsfigur inne, an den Zweiten kann ich mich erinnern. Der Dritte sagt mir überhaupt nichts.

CDU: An den Sprengstoffanschlag Düsseldorf-Wehrhahn konnten Sie sich erinnern und sind auch angefragt bzw. befragt worden. Wir haben Unterlagen gefunden, wo ihr Name im Zusammenhang mit der Überprüfung von Personen genannt wird.

L: Ja, das hatte ich ja schon erwähnt. Es hat in diesem Kontext Anfragen nach Personen gegeben. Im Kontext polizeilicher Ermittlungen sind diese Kenntnisse weiter gegeben worden. Es hat sich aber in Folge nicht weiter verdichtet, so dass es nicht zu einer Anklage in dem Kontext gekommen ist. Daher ist das ein Bereich, der mehr von Polizei und Staatsanwaltschaft beurteilt werden kann. Warum sich Tatverdacht nicht verdichten ließ? Das war so, dass die ersten Indizien sich nicht verdichten ließe. Aber das kann ich nicht beurteilen, ob der Mann damit nichts zu tun hatten. ob die sogar Erkenntnisse hatten, die ihn von den ersten Indizien reingewaschen haben. Es war auf jeden Fall eine Person, die uns bekannt war .

CDU: Michael Berger, der sagt Ihnen aber was, oder? Der Polizistenmord am 14. Juni 2000. Der Verfassungsschutz – spielte der bei dem Komplex in irgendeiner Weise eine Rolle? Inwieweit waren Sie damit beschäftigt?

L: Dazu hatten wir im VS-Bericht ja was geschrieben. Das steht da drin. Die Polizei hat angefragt – auch weiterhin. Was Sie sonst damit andeuteten, habe ich nicht verstanden.

CDU: Vorhalt A 21829 – Seite 211 – Mitteilung des LfV an das PP Dortmund – einen Tag nach dem Mord von Berger.

V: Es geht um ein Telefax vom Juni 2000.

Das Dokument wird dem Zeugen gezeigt

CDU: In dem Fax teilen Sie dem PP Dortmund mit, Berger sei seit 1989 Mitglied in der DVU, er habe Interesse an der NPD gezeigt. Weitere Erkenntnisse lägen nicht vor. Sie hatten ja dargestellt, dass man Daten aufbewahrt habe. Wir haben nichts darüber gefunden, dass der VS mitgeteilt hat, dass Berger auch möglicherweise bei den REPs war.

L: Nein. Es ist ja auch so – da wird nachgeguckt. Das macht der Referatsleiter nicht selber. Das machen Kollegen. Mir wird das dann vorgelegt. Wenn das da nicht auftaucht, gehe ich davon aus, dass es der Auswertung nicht vorgelegen hat. Es gibt ja keinen Grund, das zu verschweigen.

Das Fragerecht wechselt zur SPD-Fraktion.

SPD (Andreas Kossiski): Nochmal zu Dortmund: Marko Gottschalk – in seiner Funktion als Mitbegründer einer „Combat 18“ (C18) Struktur – war das je Thema bei Ihnen?

L: C18 sagt mir was. Aber ich habe keine konkrete Erinnerung daran, welche Personen aus NRW diesem Bereich zuzuordnen sind.
SPD: Wir wissen, dass sich 2000 eine Gruppe gebildet hat und Staatsschutz und Verfassungsschutz, die beobachtet haben. Welche Kontakte gab es nach England?

L: Da kann ich aus der Erinnerung jetzt nichts mehr zu sagen. Natürlich, die Ursprünge lagen in England. Über Einzelkontakte kann ich nach all den Jahren jetzt nichts mehr sagen. Ich bekommen ja tausende von Informationen, einzelne Quellenberichte kann man über Jahre nicht in Erinnerung behalten.

SPD: Ja, das haben Sie ja mehrfach gesagt. Das gestehe ich Ihnen auch zu. Sie waren zuständig für die Strukturbewertung und Auswertung. Sie sollten also erkannt haben, dass England das Mutterland war, quasi die Blaupause für Kleinstgruppen, aus denen C18 entwickelt worden ist. Minden 1999 – was sagt Ihnen das? Es gab Hinweise auf V-Männer aus Ostdeutschland, die Infos über den Aufbau von C18-Gruppen gegeben haben.

L: Ich weiß nicht, auf welche Informationen Sie anspielen – ich habe keine konkrete Erinnerung daran.

SPD: Vorhalt A12216, Seite 31

V: Es geht um ein Schreiben des MIK von 2012 an den GBA. Es wird aus einem Quellenbericht zitiert.

SPD: Eine Person „Carola“ soll 1999 in einem Lokal in Minden angegeben haben, gute Kontakte zu C18 in England zu haben. Gute Kontakte. Das war also zu ihrer Zeit. Lag Ihnen das zur Auswertung vor?

L: Möglicherweise. Aber ich werte doch als Referatsleiter nicht alles selber aus. Sie haben doch keine Infos über alle Details. Wann das war, kann ich nicht sagen.

SPD: Sie könne sich an einzelne Sachen nicht erinnern: Die liegen auf dem Tisch. Die lagen auch damals auf dem Tisch. Was uns erstaunt, ist, dass die von Ihnen verfassten Berichte aussagen: „Es gibt solche Strukturen nicht.“ Selbst auf den Hinweis einer anderen Behörde sagen sie: „Das gibt es nicht.“

L: Es ergibt sich nicht so. Da ist von Absichten die Rede. Bevor ich hier was dazu sage – muss ich doch dazu sagen …

SPD: Sie sind zu der Bewertung gekommen, dass es das nicht gegeben hat.

L: Das schließen Sie daraus. Der Referatsleiter macht nichts alleine. Dafür sind die Sachbearbeiter zuständig. Auch wenn ich natürlich die Verantwortung nicht abschieben möchte.

SPD: Dafür habe ich auch kein Verständnis.

L: Aus diesen Texten kann ich nicht erkennen, dass eine solche Organisation in NRW terroristisch tätig ist. Sie müssen auch immer fragen: war das ein einzelner? Gab es Strukturen, gab es weitere Hinweise?

SPD: Ich versuche es noch mal zu dem Treffen – da ist handschriftlich vermerkt worden – „wenn C18 existiert und wirklich im Aufbau ist, sollten wir diesen Weg gehen“. Vorhalt A12216, Seite 25

L: Dazu kann nichts sagen. Mir liegt hier nichts vor. Sie müssen mir auch die Gelegenheit geben, das zu lesen.

V: Sie können das auch gerne lesen. Wir können auch eine Pause machen, dann können Sie das ganze Schreiben lesen.

SPD: Der Kern meiner Frage ist der: Sie waren für die Auswertung von Strukturen zuständig. Wie sind Sie damals zu diesen Schlüssen gekommen?

L: Wir können nur sagen, wir haben Kenntnisse von terroristischen Strukturen, wenn wir die haben. Wenn wir die nicht haben, können wir auch nichts sagen. Einzelne Quellenberichte müssen sie in einen Gesamtkontext einordnen. Ich muss wissen, wer wann was gesehen hat.

K: Ich weiß, ich habe meine Schlüsse gezogen.

L: Ja, darauf würde ich auch Wert legen.

Zeuge liest Dokumente aus dem Vorhalt

V: Vermerk vom 27.7.1999

L: Nachdem was ich gelesen habe, ist das aus dem Bereich der Beschaffung, das muss nicht unbedingt der Auswertung vorgelegen haben. Das ist eingestuft, VS-NfD, die Sitzung ist öffentlich. Da gibt es einen Dissens.

V: Da gibt es keinen Dissens. Wir halten uns daran, wie der PUA im Bundestag. Das ist eine Rechtsauffassung, die wir auch mit der Landesregierung hier so beschlossen haben. Da gibt es keinen Widerspruch.

L: Meine Bemerkung dazu, das ist ein reines Papier der Beschaffung. Auch alles, was da stand, sagte mir überhaupt nichts. Was ist das für ein Papier? Von wem ist es? Was ist der Stand der Dinge? Die ganzen handschriftlichen Bezeichnungen sind nicht von mir und wir kommen direkt in einen nichtöffentlichen Bereich; das sind Vermerke aus dem anderen Referat.

SPD: Es wird etwas beschafft, aber nicht ausgewertet.

Das Fragerecht wechselt zur Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“.

GRÜNE (Verena Schäffer): Es geht um „Combat 18“, vorgeschaltet aber eine andere Frage: Haben Sie als Referatsleiter an der Arbeitstagung der VS-Ämter am 9. Oktober 2003 teilgenommen? Da waren Sie doch noch im Amt, oder nicht? Können Sie Sich daran erinnern?

L: Das weiß ich nicht.

GRÜNE: Da hat es auf jeden Fall einen Vermerk gegeben, wo genau über C18-Strukturen, gesprochen wurde.

L: Ich weiß nicht, ob ich daran teilgenommen habe, weil das kurz vor meinem Ausstieg war. Aber das sind jetzt schon wieder Interna. Das wird hier immer mehr eine Gratwanderung von öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichen. Was die Tagung betrifft, so habe ich den Bereich, Skins, Neonazis, etc. an einen anderen Kollegen abgegeben. Deshalb kann ich nicht sagen, ob ich daran teilgenommen habe. Habe auf jeden Fall keine Erinnerung daran, ob ich kurz vor dem Ausstieg daran teilgenommen habe. Vermutlich war mein Kollege dort.

V: Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Sie wechseln?

L: Ja. Und es war vorher klar, dass ein bestimmter Bereich zu meinem Kollegen, der nachher auch das Referat übernommen hat, wechselt.
GRÜNE: Ich würde gerne aus dem Bericht zitieren, was Ihre Arbeit zu C18 anbetrifft, um Ihre Erinnerung aufzufrischen. Es geht um diesen Vermerk – Vorhalt A1223 Seite 6.
Zeuge liest den Vermerk

V: Datum 9.Oktober 2003 – Die Vorbereitung auf 15./16. Oktober 2003 / AK 4 Sitzung

L: Sie wissen, wer im AK 4 sitzt? [Anm.: Mit AK 4 ist vermutlich ein Arbeitskreis der Innenministerkonferenz gemeint]

GRÜNE: Ja, nichts desto trotz ist es ein Bericht der dem NRW-VS vorliegt, da steht welche Berichte vorlagen und ausgewertet wurden. Im Zweiten Satz steht – Der Top 2 befasse sich mit dem Thema C18 in Deutschland. Es lägen Hinweise auf Marko Gottschalk als Person im C18 Umfeld vor, aber C18 habe diesen zur Hervorhebung der eigenen Bedeutung gedient.

L: Es ist immer sehr schwer, wenn man so zwischen den Zeilen liest. …..das Entscheidende fehlt, die Unterschrift, das Papier ist wohl nicht von mir.

GRÜNE: War das Thema oder nicht beim VS-NRW in Ihrer Abteilung?

L: Ich kann überhaupt nicht drüber reden. Ich weiß nicht, was in der Beschaffung vorlag. In dem Bereich, in dem ich dort war, habe ich keine besonderen Erkenntnisse über C18 gehabt. In der Zeit gab es schon die Arbeitsteilung.

GRÜNE: Ihr Referat war das Referat 612?

L: Ich komme in Interna rein – das ist Ihnen wohl nicht bekannt. Da gab es aber schon Arbeitsteilung.

GRÜNE: Wer war das?

L: Das war damals nicht eindeutig. Es gab so eine Doppelspitze. Das war mein Kollege,
der mittlerweile verstorben ist. Es sieht jetzt so aus, als ob ich die Verantwortung abgebe. Aber das war damals leider so.

GRÜNE: Ist Ihnen die deutsche Ausgabe des Magazins „Stormer“ – ein rechtsextremistisches Heft, in dem Terror und Strukturen besprochen wurden, bekannt? In den Texten gab es z.B. Anleitungen für terroristische Gruppenbildungen, eine Blaupasue für den NSU. Davon gab es nur eine Ausgabe in Deutschland. Ist es richtig, dass Ihnen das Heft nicht bekannt ist?

L: Ja. Was ja nicht heißt, dass das nicht im Bereich der Beschaffung bekannt war. Es ist lange her. Ich kann mich an das Heft nicht erinnern.

GRÜNE: Ein herausragendes Heft – eine einzige deutschsprachige Fassung. Die bekannt sein müsste! Wenn nicht, dann wäre das erschreckend! Dann sagt Ihnen wahrscheinlich auch das Totenkopfmagazin nichts? Dort finden sich terroristische Angaben zum führerlosen Widerstand und zur Zellenbildung. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie das auch nicht kennen?

L: Ich kann nicht ausschließen, dass das in die Auswertung gelangt ist. Das kann ich aus dem Gedächtnis nicht sagen. Sie stellen das als einzigartig da. Das ist nicht immer so. Aber das Prinzip „Führerloser Widerstand“ ist ja nicht neu. Das war ja ein verbreitetes Konzept, das auch im VS-Bericht stand.

GRÜNE: Mir geht es nicht um den VS-Bericht. Der Verfassungsschutz besteht doch nicht nur aus dem VS-Bericht?

V: Ich würde gerne auch noch was fragen – Sie haben sich, laut Aktenlage, mit dem Phänomen C18 befasst.

L: Auch der VS hat begrenzte Möglichkeiten. Er kann nur das auswerten, was er hat. Es ist nicht so, dass wir alles mitbekommen. Nicht hinter jedem Rechtsextremen sitzt eine Quelle. Bei der Unmenge der Publikationen, die wir auch nicht alle haben und bei den begrenzten Personalressourcen, sind diese Vorwürfe wirklich nicht berechtigt.

V: Jetzt zum September 2003, Vorbereitung einer Amtsleitertagung. Auf Anregung von Schleswig Holstein sollte dort über „Combat 18“ diskutiert werden. Vorhalt. (???) Wer hat diesen Vermerk erstellt?

L: Wenn der Entwurf meinen Namen hat, dann muss der von mir sein.

V: Schleswig Holstein, da gab es einen antisemitischen Vorgang in Neustadt. Das liegt wohl in Holstein. Da wird der Sachverhalt geschildert und am Schluss kommen sie zu einem Votum.

L: Da kann ich sagen, der kam von mir. Das Magazin „Stormer“, Frau Schäfer, das muss wohl bekannt gewesen sein. Wenn das Ihre Frage beantwortet. Nach so vielen Jahren kann das nicht präsent sein. Man schreibt sehr viel. Man kann nicht alles behalten, was man mal geschrieben hat

V: Aus Ihrem Votum geht hervor, dass es keine verfestigte C18-Struktur gab?

L: Wenn das da drin steht, dann ist das der Zustand der damaligen Bewertung. (liest noch mal) Ja. Steht ja da darin. Es gibt keine konkreten Hinweise, sprich keine entsprechenden Quellen.

V: Wie haben Sie dieses Votum erstellt? Sie werden doch wohl vorher noch Akten gesichtet haben und das im Referat besprochen haben, oder?

L: Das wurde nach vorherigen Bewertung erstellt . Das ist das, was sich auf Grundlage des Materials ergeben hat.

GRÜNE: Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass C18 in NRW keine Organisation ist und dass  C18 als Tattoo zu tragen an sich nicht besonders aussagekräftig sei? Es ist kein T-Shirt, sondern ein Tattoo.

L: Ich teile Ihre Schlussfolgerung nicht. Nur das Tattoo heißt ja nicht, dass er Mitglied bei C18 ist. Das ist eine gewagte Behauptung, die wir nicht geteilt haben. Wir sagen nicht, es gibt sie nicht. Wir sagen: wir haben keine Erkenntnisse. Was ist hier der Gegenstand der Untersuchung? Also, wenn ich das richtig verstehe, machen Sie ja auch alle NRW-Nazistrukturen zum Gegenstand ihrer Untersuchung. Dann muss man das vorher sagen, also dass Sie alle Dinge aus lang zurückliegender Vergangenheit hervor graben wollen. Da müssen Sie nicht überrascht sein, wenn nichts raus kommt, nach all der Zeit, was Sie erwarten. Das ist realitätsfremd.

GRÜNE: Wenn Sie alles gelesen haben, haben Sie das auch im Einsetzungsbeschluss lesen können. Da steht das drin. Und da spielt auch Dortmund eine Rolle bzgl. Oidoxie und „Weisse Wölfe“. Sind die Ihnen ein Begriff? Haben Sie die beobachtet?

L: Ja. Natürlich waren die ein Begriff. Die tummelten sich in der Szene im Bereich Dortmund. Was verstehen Sie unter Beobachtung? Man hat die durchaus im Auge. Ich kann verstehen, dass Sie solche Strukturen im Fokus haben. Da würde ich meine Zweifel zurückziehen. Im Beschluss steht ja auch unsere Bewertung drin. Da steht auch drin, das es damals keine konkreten Hinweise zu möglicherweise sich verfestigenden C18 Strukturen gibt. Sondern nur vage Hinweise, dass es einen bestimmten interessierten Personenkreis geben könnte.

GRÜNE: Es geht um Kontakte ins benachbartes Ausland – können Sie Sich erinnern, dass Neonazis aus Dortmund Kontakt mit dem Neonazi Will Browning hatten?

L: Daran kann ich mich nicht erinnern. Generell gab es in Richtung England eher wenige Erkenntnisse.

Um 15:56 Uhr wird eine kurze Unterbrechung eingelegt. Um 16:19 Uhr wird die Befragung fortgesetzt. Das Fragerecht hat die FDP

FDP (Marc Lübke): In dem Moment, als NSU aufgeflogen ist, was geht einem da durch den Kopf?

L: Zu persönlichen Empfindungen, dazu kann ich nur sagen, das ich nicht nur über den Umstand selber überrascht war, also, dass es eine Zelle gegeben hat. Das Menschen gezielt Einzelpersonen auf Grund ihrer Herkunft umbringen, das war neu. Das rechtsextreme Menschen ausländischer Herkunft nicht mochten, das war ja nicht neu. Aber gezielt Einzelpersonen umzubringen, ohne das Moment der Einschüchterung zu nutzen, ohne das publik zu machen, hätte ich nicht für möglich gehalten. Da fehlte das politische Signal. Terroristische Strukturen kann man nicht ausschließen und konnte man nicht ausschließen. Das zeigt ja auch der Fall Hoffmann und das Oktoberfestattentat, die vor meiner Zeit stattfanden. Die Vorstellung, dass es keine rechtsextremistischen Terrorstrukturen gab, das war ja klar. Nur, die Umsetzung über Einzeltäter, also….. das war neu für mich.

FDP: Denkt man darüber nach an der einen oder anderen Stelle, das hätte ins Profil gepasst? Kam Ihnen mal der Gedanke?

L: Nein. Auch wenn es nicht populär ist. Man muss sich auch immer sich vor Auge halten, Ressourcen sind endlich. Man kann nie alles wissen. Gerade auch in Bezug auf Einzelpersonen oder Kleingruppen. Wir haben nicht alle Personen im rechten Bereich vor Augen. Jetzt sind die Behörden in diesem Bereich sensibilisiert. Ausschließen kann man solche Dinge auch für die Zukunft nicht. Die VS-Behörden werden noch mehr versuchen in diese Strukturen ein Ohr reinzukriegen, was schwierig ist. Auch wenn es nicht mein Bereich ist, wie bekommen Sie überhaupt solche Infos? Sie können nicht einfach sagen, ich hätte gerne mehr Quellen in den Bereichen.

FDP: Ist nicht ein Problem die Trennung von Beschaffung und Analyse?

L: Meine rein persönliche Einschätzung, eine Trennung der Strukturen gab es damals ja, heute hat man das aufgehoben. Ich sehe die Aufhebung positiv. Sie bekommen viel mehr mit, wenn Sie mit den sogenannten Quellenführern sprechen. Damals bekamen Sie nur schriftliche Berichte. Da gehen die Zwischentöne verloren. Wenn Sie mit den Leuten reden, die die Quellen betreuen, da haben Sie die ganzen Zwischentöne. Es gibt da unterschiedliche Sichtweisen. Zum Beispiel: Wissen nur wenn nötig, einfach nicht zu viel wissen. Es gibt welche, denen die Quellen das Allerheiligste sind. Ohne Quellen kann der VS nicht arbeiten. Aber, je mehr davon wissen, desto gefährlicher ist es. Da kann man nur Vertrauen in gefasste Quellen haben. Sie müssen clandestin [Anm.: geheim] vorgehen. Selbst mit den neuen elektronischen Überwachungsmöglichkeiten. Dazu muss man wissen, Überwachungsmaßnahmen waren damals schon nicht hilfreich, weil alle wussten, das sie abgehört werden, neben den rechtlichen Hürden. Dinge, die vertraulich bleiben sollten, z.B. Vorbereitungen von Anschläge, das werden die nicht am Telefon besprechen.

FDP: Wie ist das Innenverhältnis gewesen zwischen der Beschaffung und der Auswertung? Es sei hilfreich das besser zu verzahnen, meinten Sie. Haben Sie das damals angeregt oder sich daraufhin bewegt?

L: Das war ein ständiges Diskussionsthema. Aber dass man das damals konkret ins Auge gefasst hat, das kann ich nicht sagen. Aber das geht wieder in den Bereich nichtöffentlich rein. Die Aufhebung ist positiv, ist gut, führt zu einer verbesserten Grundlage für Bewertung. Auch eine psychologische Einschätzung, die bekommen Sie auf Papier gar nicht rübergebracht. Ebenso Einschätzung der Quellenführer darüber, was das überhaupt für eine Person ist.

FDP: Neben der Aufhebung. Gibt es da Dinge, die Sie anders machen würden als damals?

L: Der Informationsfluss ist wichtig. Der kann immer verbessert werden. Das betrifft politische und rechtliche Fragestellungen. Es ist ja auch so gewesen, wegen des VS-Gesetzes, dass Grenzen bestehen. Also, das was die Auswertung nicht mitbekommt, was im Rahmen der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen gar nicht mitgeteilt werden darf. Es gibt immer noch das Trennungsgebot. Das ist gut und richtig wegen des historischen Hintergrundes. Das war ja eine Frucht aus der Nazi-Zeit, dass man nicht wieder eine Gestapo haben wollte. Das will man ja auch heute nicht. Da muss man dann gewisse Informations-Defizite in Kauf nehmen. Man kann die Trennung nicht aufgeben. Natürlich wäre es super gewesen, wenn man gewusst hätte bei einer Beschlagnahmung der Polizei bei Verdächtigen, was das eigentlich für Flugblätter etc. waren.

FDP: Gab es mehr Probleme bei Ihnen im Haus?

L: Das sehe ich nicht so. Ich weiß nicht, wann die Entscheidung gefällt worden ist. Da müsste man Kollegen fragen, die beide Zeiten erlebt haben, ob sich da was verbessert hat.

V: Sie haben gesagt, Sie haben auch Fortbildungen gemacht. Richten die sich auch an Polizeibeamte?

L: Ja.

V: Auch um sie zu sensibilisieren?

L: So detaillierter war das nicht. Mehr ein Überblick über die Gruppierungen der Rechtsextremen.  Auch die intellektuellen Vorbilder spielten eine Rolle.

Das Fragerechte wechselt zur Piraten-Fraktion.

PIRATEN (Birgit Rydlewski): Uns liegt die Info vor, dass das Polizeipräsidium Köln die Kameradschaft Walter Spangenberg (KSWS) verbieten lassen wollte. Zwei Mal. Warum wurde dieser Bitte nicht entsprochen?

L: Das ist zu lange her. Da kann ich nur aus dem Bauchgefühl heraus was zu sagen. Ich weiß nicht, ob das damals verschriftlicht worden ist. Die Kameradschaft in Köln hatte einen Verbalradikalismus plus einer Führerperson, die noch nicht dem Teenager-Alter entwachsen war. Meine Einschätzung war, das war keine Gruppierung oder der Personenkreis, bei dem ich die größten Bedenken gehabt hätte. Nicht immer schlägt Verbalradikalismus in Gewalt um. Ich habe diese Führerperson häufig gesehen. Es fiel mir auf, dass er sehr auf äußere Wirkung erpicht war, um Anerkennung in der Szene. Er hatte ein Foto von Adolf Hitler und hat vor dem Spiegel seine Reden geübt.

PIRATEN: Welchen Personen hätten Sie schwere Straftaten zugetraut?

L: Ich kann Ihnen einzelne Namen nennen. Ich weiß nicht, was heute mit denen ist. Zu mindestens in öffentlicher Sitzung. Sonst ständen die am Pranger.

V: Gut, dann werden wir das nach hinten stellen und in der nichtöffentlicher Sitzung behandeln.

PIRATEN: Was meinen Sie mit „das waren keine Gruppierungen“?

L: Naja, das waren einzelne Personen. Nicht die klassischen Kameradschaften. Nicht alle waren so strikt an Kameradschaften gebunden.

PIRATEN: Bzgl. des Kameradschaftsverbots und der Initiative des PP Köln – in der zweiten Anregung gab es handschriftlich die Bemerkung: „Was soll das jetzt schon wieder?“ Das klingt ziemlich genervt.

L: Ich traue mir einen solchen Kommentar zu, manchmal reagiere ich emotional. Das muss nicht sein, aber das kann schon von mir sein. Welche Einschätzung dahinter stecken könnte, das habe ich ja im Hinblick zur Kameradschaft Köln erklärt.

PIRATEN: Warum wurde das später anders gehalten?

L: Kann ich nicht sagen. Wir sind für Verbote nicht zuständig sind.

PIRATEN: Haben Sie dazu eine persönliche Einschätzung?

L: Man braucht ja schlagkräftige und gerichtsfähige Beweise, um eine Kameradschaft zu verbieten. Die Kameradschaft Köln waren ja medienerpicht. Die haben ja eine Menge gesagt, auch gerade die Führungsperson. Das hätte vielleicht gereicht. Aber Verbote werden von anderen Behörden ausgesprochen. Und das ist auch gut so.

PIRATEN: Im November 2000 hatten Sie Verbote generell von Kameradschaften erörtert. Dazu möchte ich einen Vorhalt machen: A 12256 – Seite 57ff –

V: Das ist ein Vermerk aus dem November 2000.

L: Das kann ich erkennen. Das ist von mir.

PIRATEN: Es geht um Seite 58 und die Folgenden.

L: Wenn man das liest, kommen Erinnerungen, die schon längst verschüttet waren. Ja, da erkenne ich mich wieder.

PIRATEN: Konkret haben wir die Info gefunden, dass Quellen und Informationen eine verfassungsfeindliche und aggressive Haltung von Kameradschaften belegen, Sie aber von der Benutzung dieser Informationen abraten, da das ansonsten die Quellen gefährden würde.

L: Ja. Es ist ja nicht unsere vornehmliche Aufgabe für Verbote von Kameradschaften zu sorgen. Es ist ja auch so, dass Verbote nicht viel bringen. Das haben sie ja in den 80/90er Jahren gesehen. Sie können die Kameradschaften verbieten, aber die Menschen machen trotzdem weiter. Nur hat man dann kein Ohr dran und kein Auge drauf. Die Frage ist, ist es sinnvoll, wenn sie nicht gerade unmittelbar terroristische Strukturen aufbauen. Wenn Sie sie verboten haben, geht damit die Verbrennung der Quelle einher und sie können solche Tendenzen nicht mehr erkennen.

PIRATEN: Können sie uns Beispiele nennen für Informationen von Quellen, die etwas verhindert haben? Ein Beispiel vielleicht?

L: Das ist schwer zu sagen. Prognostisch – hätten wir was gewusst, hätten wir das weiter geleitet.

PIRATEN: Als Beispiel, die Verhinderung eines Anschlages auf eine Asylunterkunft?

L: Wenn man davon Kenntnis erhält, sieht das anders aus.

PIRATEN: Bitte nennen sie ein Beispiel? Gab es so was?

L: Nein. Keine Erinnerung

PIRATEN:In den fünf Jahren nicht?

L: Die Rechtsextremen kündigen Körperverletzungen in der Regel ja nicht an. Das ist schwierig. Ich könnte jetzt nicht sagen, wir haben damit einen terroristischen Anschlag oder eine Körperverletzung verhindert. Nein. Es haben ja auch NPD-Mitglieder, hochrangige Funktionäre, körperliche Attacken ausgeführt. Hätten wir das im Vorfeld gewusst, hätten wir das verhindert.

PIRATEN: Gab es Straftaten, die durch den Einsatz von Quellen aufgeklärt wurden?

Längeres Schweigen des Zeugen

L: Innerlich, nein. Gerade wenn es um Gewaltdelikte geht. Die Gewaltdelikte der NPD sind ja auch so aufgeklärt worden.

PIRATEN: Ich möchte Sie um eine Einschätzung von Michael Berger bitten. Können Sie mir erklären, warum sich die Naziszene so stark auf ihn bezieht?

L: Vor der Tat war mir der Name Michael Berger kein Begriff. Und wenn Sie Sich heute darauf beziehen, dann nur wegen der Tat.

PIRATEN: Er kann kein kleines Licht in der Szene gewesen sein.

L: Er ist mir nie besonders aufgefallen, wir haben 1000 Personen in der Szene. Das Referat war für andere Bereiche zuständig. Auf jeden Fall war er eine nicht so hervorgehobene Person. Ansonsten kann ich ja sagen, dass da Leute waren, die speziell für diesen Bereich zuständig waren. Ich war nur Referatsleiter.

PIRATEN: Vorher war Michael Berger für Sie kein Begriff. Inwieweit gibt es Erkenntnisse dazu, mit wem er Kontakt hatte?

L: Es wurden die Erkenntnisse abgefragt, die vorhanden waren. Die sind ja weiter geleitet worden.

PIRATEN: Zu Parteien – aber nicht die Beziehung zu Personen, Waffen etc. ?

L: Ich weiß nicht, was Sie sich vorstellen?

PIRATEN: Naja, was haben Sie danach getan? Vor der Tat war er kein Begriff für Sie, aber was war danach? Auch angesichts der schnellen Bezugnahme der Neonaziszene auf die Tat von Michael Berger?

L: Das ist zu lange her. Das hätte man ja auch nur über die Beschaffung machen können. Das ist nicht mein Revier. Ich kenne da die Quellensituation nicht.

Das Fragerecht wechselt zur CDU-Fraktion.

CDU (Peter Biesenbach): Sie betonen, dass Sie keine Erinnerung haben. Ich sitze in zwei PUAs. Und die Erfahrungen hier haben mein Bild vom Verfassungsschutz und dem BKA völlig neu geprägt. Unsere Aufgabe muss sein, daran was zu ändern. Wir können nur sagen, wir können keinen Schutz erwarten, auch gerade vor der aktuellen Salafistenbedrohung. Zeugen aus dem anderen PUA haben zum Teil brillante Erinnerungen. Wir werden keine lobenden Erwähnung bzgl. BKA und VS ausstellen. Bei Ihnen scheint vieles nach dem Prinzip Zufall abgelaufen zu sein. Wir haben in einer Statistik für Taten zwischen 1992 und 2001 keine signifikante Veränderung sehen können. Weder bzgl. von Straftaten noch von Deliktgruppen. Eine Unterteilung in Regionen findet nicht statt. Uns interessieren Dortmund, Düsseldorf und Köln. Wie hat sich da was geändert in der rechtsextreme Szene?

L: Eine Bemerkung: Erinnerungsschwäche – da habe ich andere Erfahrungen. Je nachdem, wen Sie befragen, haben die vorher Akteneinsicht. Ich hätte keine bekommen. Bei mir ist das gleich null. Ich habe keinerlei Möglichkeit, jemanden zu fragen. Würde sich jemand bei einem Routinevorfall plötzlich erinnern – dem kann man nur misstrauen. Die ganzen Vorhalte, die ich heute gesehen habe, habe ich seit 14-15 Jahren nicht mehr gesehen. Ich kann nur sagen, das ist keine böse Absicht. Ich habe nichts zu verbergen.

CDU: Sie haben gesagt: heute weiß ich mehr als früher. Sie haben aber auch gesagt, das wurde auch nicht besonders gewichtig gesehen, das fiel nicht auf. Es ist ein Riesen-Heuhaufen, den Sie da haben, in dem man keine Nadel findet. Diese Strukturen machen mir Sorge. Sie sind ja nicht der einzige, der das sagt.

L: Sie können ja nur die Erkenntnisse auch mit Prognose bewerten, wozu Sie belastbare Erkenntnisse haben. Und Sie haben nicht zu allen Rechtsextremen eine tolle Erkenntnislage gehabt, dass Sie Ihnen nicht durch die Lappen gehen. Die VS-Kenntnisse sind begrenzt. Der VS kann nicht alles wissen. Er hat nur begrenzte Ressourcen. Der VS führt seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen aus. Unser Schwerpunkt liegt in der Beobachtung. Und wir hatten keine Erkenntnisse über bestehende rechtsterroristische Gruppierungen. Der VS stellt sich auch ganz anders auf, wenn Sie Erkenntnisse darüber haben, dass solche terroristische Gruppierungen existieren. Da stellt man sich einfach anders auf.

CDU: Wenn die Polizei Flugblätter findet, kamen die nicht automatisch zum VS?

L: Nein.

CDU: Das unterliegt doch nicht dem Verbot?

L: Sie kamen nicht zur Auswertung. Ich weiß nicht, wie es bei der Beschaffung war.

CDU: Dann liegt es in der Kiste?

L: Die Gewichtung der Neonaziszene hat sich verschoben – auch medial. Manche wurden unwichtiger, starben fast ab. Andere gewannen an Bedeutung – gerade auch in Thüringen. In Dortmund haben sich heute die Gewichte völlig verschoben. Heute scheint es ein Zentrum geworden zu sein, damals war es das nicht. Damals war es das Sauerland. Bestimmte Bereiche starben ab. Das hing mit den Führungspersonen zusammen, die inaktiv wurden. Dann war teilweise die Szene auch am Ende oder orientierte sich neu. Die Dortmunder Szene war am Anfang nicht dominant. Sie wurde erst später gewichtiger.

CDU: 2003 erfahren Sie durch das PP Frankfurt a.d. Oder, dass Toni Stadler von Brandenburg auf eigenen Wunsch nach NRW ziehen wollte und zwar nachdem er als V-Mann enttarnt worden war. Hat der Staatsschutz PP Dortmund diese Info an den Verfassungschutz weiter geleitet?

L: Selbst wenn, das wäre nicht Thema der Auswertung gewesen.

CDU: Am Morgen des 18. Juni 2000 gab es eine dpa-Meldung – Dazu möchte ich einen Vorhalt machen: A10269 – Seite 206/207. In der dpa-Meldung steht: Der Polizisten-Mörder von Dortmund könnte an den Vorbereitungen zu einem terroristischen Anschlag beteiligt gewesen sein. Der VS überprüfe, ob seine mögliche Enttarnung Grund für den Amoklauf gewesen sein könnte. Es wurden Waffen und ein Wurf-Stern gefunden. Können Sie Sich erinnern, ob er vom VS, wegen seiner Zugehörigkeit zur rechten Szene, da bereits Untersuchungen bzw. Beobachtungen unterzogen war?

L: Da kann ich nur spekulieren. VS ist nicht gleich VS. Es gibt unterschiedliche Bereiche – wenn man vor Ort recherchiert, befragt man Quellen. Das läuft nicht in der Auswertung, das läuft in der Beschaffung.

CDU: Diesmal geht das nicht so leicht weg. Ich möchte einen weiteren Vorhalt machen: A10269, Seite 206 vom 18.6.2000. Laut Polizeimeldung um 10:13 Uhr ist ein Rückruf Herr Lüngen notiert – worum es geht? Um eine Bewertung des Herrn Berger bzgl. der dpa-Meldung. Da heißt es: „Der Täter ist dem VS bekannt“.

L: Der Name war mir bekannt. Der war dem VS bekannt, dazu werden Namen ja gespeichert. Aber wir haben über 1000 Personen gespeichert. Vielleicht 0,5 – 1 % davon haben Bezug zum Rechtsextremismus. Wäre das so gewesen, hätte mir der Name auf Anhieb was gesagt

CDU: Ich erwarte nicht, dass Sie das wissen, aber Sie oder der VS, das ist ein Unterschied. Es geht um klare Kommunikation. Wenn Sie sagen „ich nicht“ ist das klar. Wenn Sie sagen „der VS“, ist das auch klar. Am 16.6., zwei Tage nach der Tat, wurden bei Berger Telefonnummern/ Adressen gefunden, auch von Sebastian Seemann. War Ihnen das bekannt?

L: Da vermute ich mal stark, dass mir das nicht bekannt war

CDU: Ist ihnen der Name Seemann bekannt?

L: Nein. Da gilt das gleiche wie bei Berger.

CDU: Und kannten Sie den Aufkleber: „Berger war ein Freund von uns – 3:1 für Deutschland“?

L: Der ist mir bekannt. Ich vermute, dass ich entsprechende Aufkleber gesehen habe. Ich vermute, dass die in die Auswertung gelangt sind.

CDU: Sind weitere Recherchen zu Seemann getätigt worden? Oder auch zu Seemann und Berger?

L: Wenn wir Ermittlungen anstellen, heißt das ja bspw. Seemann – was haben wir? Wenn wir zusätzliche Erkenntnisse haben wollen, dann kann man nur den Auftrag an die Beschaffung geben: Versucht mal was raus zu bekommen. Soweit ich es noch weiß, hat das die Beschaffung wohl recherchiert.

CDU: Sagt Ihnen der Name Johann H. etwas?

L: Schemenhaft. Ich meine den Namen schon mal gehört zu haben.

CDU: Es macht also keinen Sinn, Sie etwas zu H. zu fragen?

L: Nein.

CDU: Ich habe noch eine Frage zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden – Wenn Mitarbeiter anderer Behörden in NRW arbeiten, erfahren Sie davon etwas? Melden sie sich bei Ihnen an?

L: Da fragen Sie die Quellenführung, das ist nicht unser Bereich. Wenn überhaupt, dann kann ich nur in nichtöffentlicher Sitzung dazu was sagen. Und davon bekomme ich nur indirekt was aus zweiter, dritter Hand gerüchteweise zugetragen. Das war nicht meine Baustelle. Wenn Sie mich Dinge fragen, die nicht meine Baustelle sind, kann ich Ihnen auch nichts antworten.

CDU: Ich enthalte mich eines Kommentars.

L: Warum fragen Sie mich dann überhaupt?

CDU: Das kann ich Ihnen sagen. Es gibt Personen, die bewaffnet durch Köln laufen, das kann ich Ihnen sagen. Es gibt hier Themen, an die geht keiner ran. Wir haben hier Personen, die hier rumlaufen, Waffen tragen, aber keiner kennt sie?

L: Die Auswertung läuft nicht bewaffnet durch die Gegend. Das ist, wenn überhaupt, eher eine Sache der Beschaffung.

Das Fragerecht wechselt zur SPD-Fraktion.

SPD (Andreas Kossiski): Unsere gemeinsame Baustelle sind mindestens 11 Morde. [unverständlich] ???

Das Fragerecht wechselt zur Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“.

GRÜNE (Monika Düker): Bzgl. der Probsteigasse möchte ich einen Vorhalt machen: A74068.  Es handelt sich um eine Info, die auch an das Innenministerium gegangen ist vom PP Köln. Ich möchte den Zeugen bitten, da noch mal drauf zu schauen. Es geht um eine Erkenntnisabfrage vom 19.1.2001, X-mail, Ausgedruckte Email, da stehen viele Kürzel – erkennen Sie die?

L: Ich vermute mal, IM steht für Innenministerium. Ansonsten sagen mir die alle nichts.

GRÜNE: Wo kann das dann gelandet sein? Das ist der Hintergrund unserer Frage. Sie haben ja gesagt, Ihnen ist der Vermerk nicht bekannt.

L: Daran kann mich nicht erinnern. Was ja auch kein Wunder ist. Es kamen hunderte Polizeimeldungen herein. Es kann durchaus sein, dass das routinemäßig bearbeitet wurde, auch wenn es relativ belanglose Meldungen also, selbst wenn das belanglos gewesen wäre.

GRÜNE: Wir haben das in einer BfV-Akte gefunden nicht in einer LfV-Akte. Kann das sein, dass das bei Ihnen gelandet ist?

L: Das wäre hochspekulativ. Ich kann nicht sagen, wo und wann und an wen das gegangen ist.

GRÜNE: Was würden Sie dann spekulieren?

L: Im Bereich Ausländerextremismus könnte das gelandet sein.

GRÜNE: Die Polizei meldet sich und bittet um Erkenntnismitteilung.

L: Da sind ja keine Personen mit rechtsextremem Bezug. Wenn so eine Meldung bzgl. Rechtsextremismus aufgelaufen wäre – was hätten man denn in Bezug auf die Personen des Opfers sagen können? Sie hatten ja keinen Bezug zu Rechtsextremismus. Wenn wir keinen Pack haben. Wir sind ja keine Ermittlungsbehörde.

GRÜNE: Wenn solche Anfragen kommen, werden die aufgehoben oder weggeworfen?

L: Da bin ich überfragt.

GRÜNE: Sie sind doch damit umgegangen?

L: Ich nicht.

GRÜNE: Was passiert danach mit den Dokumenten? Sie waren ja Referatsleiter. Sie müssten doch wissen, ob solche Dokumente aufgehoben werden?

L: Das weiß ich nicht. Es gab ja dutzende davon.

GRÜNE: Gab es auch dutzende von Sprengstoffanschlägen?

L: Nein.

GRÜNE: Wenn Sie das bekommen hätten, hätten Sie es dann aufgehoben?

L: Wir hätten geantwortet.

GRÜNE: Ich möchte nur wissen, warum das Dokument beim Landesamt nicht vorhanden ist. Herr Möller hat gesagt, sie werden beim LfV zur Tat Probsteigasse nichts finden.

L: Solche Anfragen waren nicht alltäglich. Wenn wir uns angesprochen gefühlt hätten – hätten wir geantwortet.

V: Zu dem Fax/Telex der Polizei haben sie keine konkrete Erinnerung?

L: Nein

V: Bekamen Sie diese Anfragen auf den Tisch?

L: Wenn eine polizeiliche Anfrage kommt, kommt die in der Regel nicht als Fax. Sie landet auf meinem Tisch. Dann wird die an den zuständigen Kollegen weitergegeben, wenn er sie beantwortet, dann wird es aufbewahrt.

GRÜNE: Ihre Einschätzung der rechtsextremen Szene zu Beginn der 2000er Jahre – da hätte ich einen Vorhalt zu machen: A10321 Seite 36-46. Ich lese nur einen Absatz daraus, es geht um ihren Vermerk. Referat 6 A2 – 18.8.2000, Seite 38, vier Zeilen, für den IM für einen Bericht in der Fraktionssitzung. Da steht „In NRW sind allerdings bislang keine Entwicklungen zu erkennen, die auf bevorstehende rechtsterroristische Aktivitäten hinweisen.

V: Moment – er bekommt einen Ausdruck

GRÜNE: Am 18.8.2000 verfassen Sie diese Einschätzung. Keine vier Wochen vorher, am 27.7.2000, hatte es gerade den Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn gegeben – der auch medienmäßig viel Echo hatte. Vier Wochen danach berichten Sie schon über ihre Ergebnisse in der Fraktion, dabei wurde noch ermittelt – auch im Bereich Rechtsextremismus. Wie kamen Sie zu so einem frühen Zeitpunkt schon darauf, einen rechtsextremistischen Hintergrund auszuschließen? Wie würden sie das mit ihrer „heutigen Brille“ einschätzen?

L: Der VS hat keine Erkenntnisse – das war eine völlig subjektive Einschätzung. Ich gebe Ihnen Recht. Der Anschlag Wehrhahn deutete auf rechtsextremistische Hintergründe hin. Das ließ sich aber nicht nachweisen. Wir hatten keine Erkenntnisse. Auch die Polizei hatte keine und hat sie auch bis heute nicht. Man weiß es bis heute nicht und ich habe bis heute ein ungutes Gefühl, dass es aus der Ecke kommen könnte. Man hat versucht alle Quellen zu sensibilisieren. Damals hatte man wenigstens die Illusion oder Hoffnung, dass, wenn das aus der Ecke kommen würde, man das mitbekommen würde, weil die damit strunzen würden. Da kam aber nichts. Ob es dann objektiv so ist? Man kann immer nur Einschätzungen abgeben.

GRÜNE: Hat sich die Einschätzung zu rechtsextremen Szene in Bezug auf Militanz und Gewalt irgendwie geändert? Oder war die komplett gleich über die fünf Jahre?

L: Jetzt muss ich reflektieren. Was habe ich damals, 2003, gedacht. Wenn ich was sage, dann eher aus der Perspektive von heute. Ich vermute, ich muss hier spekulieren, da hat sich nicht großartig was geändert. Ich habe das Risiko nach wie vor für möglich gehalten. Wir hatten die Hoffnung, Strukturen a la RAF, zu finden. Ich habe die potentielle Gefahr stets gesehen.

GRÜNE: In den fünf Jahren haben sie keine großartige Veränderungen bzgl. der Szene in Erinnerung?

L: Ja.

GRÜNE: Wer hat was gelesen? Wer wurde zitiert? Wer mit einbezogen in die Auswertung?

L: Die Kollegen haben solche Dinge durchaus auch gelesen. Man las natürlich primär, was in der Szene selbst geschrieben wurde. Danach – das muss man auch sehen – die verbale Bereitschaft war schon 1998/99/2003 da. Also, die verbale Radikalisierung. Da gibt es ja Affinität zu Militär, Gewalt, und Waffen. Insofern gab es immer eine potentielle Gewalt-Bedrohung etc..

GRÜNE: Magazine, wie die „Lotta“ oder das „Antifa Infoblatt“ – das waren Blätter, die ja bekannt waren und auch durchaus zur Auswertung hinzugezogen worden sind. Dort gab es Erkenntnisse über eine neue Orientierung der rechten Szene. Die hatten durchaus eine andere Sicht, oder?

L: Ich habe immer schon gesagt, da könnte sich was Gefährliches entwickeln. Ich habe das damals aber nicht entdecken können.

GRÜNE: Sie erinnern sich an 9.7.2000 Überfall von Neonazis auf die KZ-Gedenkstätte? [Anm.: gemeint ist die Gedenkstätte Kemna bei Wuppertal]

L: Das ist untypisch. Das waren Vertreter aus einem Bereich, die das sonst nicht machen. Da mussten sie parteiinterne Konsequenzen ziehen. Das waren JN-Funktionäre. Aber das war ein Ausrutscher, kein Klassiker. Das kann nicht als Beleg für steigende Gewaltbereitschaft gesehen werden.

GRÜNE: Was ist mit dem Brandanschlag auf ein Wuppertaler Flüchtlingsheim, durchgeführt durch das „Nationale Forum Niederberg“ – war das auch ein Ausrutscher? Wurde da jemand verurteilt?

L: Das galt nicht als Ausreißer – es war ein Symptom für die Gewaltbereitschaft. Hier kann man sehen, dass es auch mal in Taten umschlagen kann. Man muss fragen: war das eine Tat, die Tage, Wochen, Monate voraus geplant war oder war das eher eine Tat aus einer Mischszenen mit Skinheads, die morgens noch nicht wussten, dass sie abends ein Flüchtlingsheim überfallen und anzünden würden? Wenn wir von Terrorismus sprechen, dann reden wir von Taten, die geplant sind.

GRÜNE (Verena Schäffer): Noch mal zum Verbot der Kameradschaft Köln. Ok, Sie sind keine Verbotsbehörde – aber nach unserem Aktenstudium ist bei uns der Eindruck entstanden, dass vom PP Köln gefragt wurde, ob es möglich wäre, sie zu verbieten und Sie der Polizei Infos vorenthalten haben. Ihr Referat antwortete am 15.04.99 dem PP Köln sinngemäß, dass Sie deren Meinung nicht teilen würden, dass die KS Köln eine Nachfolgeorganisation der FAP sei. Sie würden starke Zweifel hegen, dass die KS Köln nach Vereinsgesetz verboten werden könne, mit der Begründung, dass die Satzung der Kameradschaft nie verabschiedet wurde. Hier gab es eine sehr konkrete Anfrage der Polizei, ob man die Kameradschaft verbieten kann. Können sie sich an die Diskussion erinnern?

L: Das ist doch schriftlich niedergelegt worden. Die Einschätzung ist so ergangen. Ich würde nicht sagen, dass das eine grobe Fehleinschätzung gewesen ist. Das muss ja noch von der Behörde entschieden werden. Die Entscheidung treffen ja nicht wir.

GRÜNE: Wie würden sie ihren Einfluss einschätzen? Also, wenn sie als VS sagen „Nein“, wird das dann einen Einfluss haben oder nicht?
Schäffer zitiert aus Dokumenten der Kameradschaft Köln. Sie zitiert aus der Satzung der Gruppe, in der steht, dass sich diese als nationalsozialistisch versteht.
Da fragt man sich schon, ob das nicht ausreichend für ein Vereinsverbot ist.

L: Sie haben jetzt viel gesagt. Es war auch zweifelhaft bzw. unklar, ob die Satzung so Bestand hatte.

G: Die Polizei hat diese Satzung bei Axel Reitz vorgefunden.

L: Das ist ja Sache des Verwaltungsgerichtes. Die müssen handfeste Beweise für ein Verbot haben, dass die KS Köln eine Nachfolgeorganisation der FAP ist. Das würde ich heute noch so sehen, dass die KS Spangenberg keine Nachfolgeorganisation des KDS war.

V: Ihre Einschätzung zum Vorhalt: Vermerk an den Innenminister A 31652. Können Sie mir sagen, wer den Vermerk erstellt hat?

L: Das steht oben drüber. Das muss von mir sein. Bei einem Entwurf steht da kein Name – nur der Referatsleiter. Da bin ich jetzt etwas irritiert.

V: Bitte gucken Sie Sich die letzte Seite an. Da sehen Sie die Unterschrift von Dr. Möller. Da steht, die Einschätzung bzgl. Rechtsextremismus, die sagt, es fehle an Konzepten, Infrastruktur und Köpfen.

L: Ja, das klingt nach mir. Man kann immer nur das wiedergeben, wozu man Erkenntnisse hat. Es wird ja auch durchaus darauf hingewiesen, was es gibt. Reale Möglichkeiten, aber eben nicht mit konkreten Erkenntnissen bzgl. NRW.

V: Sie kommen aber auch zur der Erkenntnis, dass es „Waffen“ , also „illegale Waffen“ gäbe.

L: Das ist nicht mehr als eine Binsenweisheit. Und keine bahnbrechende Erkenntnis. Das sind alles, mehr oder weniger, Dinge, die Allgemeingut sind. Entsprechend hatte ich mich ja auch gegenüber Frau Düker geäußert. Die Einschätzung hieß ja „gleichbleibend“ und nicht „als vernachlässigbar“ anzusehen. Nach damaligem Stand war das eine Einschätzung, die hier auch, aus meiner Sicht, nachvollziehbar nachgewiesen wird. Bzgl. des führerlosen Widerstandes, oder wilden Zellen, die man eher von der ETA oder der RAF kennt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das in diesem Kontext in einem VS-Bericht stand. Das zeigt schon an, dass es eine solche Möglichkeit immer gegeben hat. Aber eben keine konkreten Erkenntnisse, dass es in NRW soweit ist. Es gab einige Personen, die ich für viel gefährlicher hielt. Das ist in dem Bericht damals auch genannt worden.

Die FDP-Fraktion hat keine weiteren Fragen. Das Fragerecht wechselt dann zu den Piraten.

PIRATEN (Birgit Rydlewski): Wie läuft das mit den WE-Meldungen normalerweise?

L: WE-Meldungen – wenn das ein Bericht über eine Demo war, dann geht das an den Bereich Neonazis. Wenn es um die REPs geht, dann geht es an den Bereich REPs.

PIRATEN: Wie sieht das mit Bedrohungslagen aus?

L: Wenn das beim VS ankommt, landet das im Posteingang. Dort machen Sie dann eine Vorsortierung: Linksextremismus/Rechtsextremismus/Ausländerextremismus. Wenn Sie die Anfrage zur Probsteigasse meinen: da waren ja auch Namen genannt worden. Die einzigen Namen, die genannt worden sind, waren die der Opfer. Daher gab es allenfalls eine Bedrohungslager für Iraner. Das ist ja nicht spezifisch Rechtsextremismus. Das klingt eher nach dem Bereich Ausländerextremismus/Ausländergeheimdienst, die nicht vor Mord und Totschlag zurückschrecken. Das war kein Klassiker für einen rechtsextremen Anschlag. Wie gesagt, ich habe den nicht bewusst wahr genommen, den Anschlag. Die kommen ja nicht auf uns zu und sagen: Jetzt ermittelt ihr mal. Das ist nicht unsere Aufgabe

PIRATEN: Sind Sie jemals von anderen Landesämtern nach dem Trio Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gefragt worden?

L: Es mag mal eine Anfrage gegeben haben, so was wie: ist der bei euch aufgetaucht….? Da wir ja die Leute nicht kennen, selbst wenn das bei uns aufgelaufen ist, geben wir das weiter an die Beschaffung mit dem Auftrag: fragt mal eure Quellen.

V: Frau Schäffer? Haben Sie noch eine Frage?

GRÜNE: Ja, ich möchte doch noch eine Frage stellen. Kennen Sie die rechtsextreme Zeitung „Fördertum“?

L (direkt): Ja. Die war untypischer. Die war etwas gehaltvoller.

GRÜNE: Wissen Sie etwas über die Macher?

L: Damals ja, heute nicht mehr

GRÜNE: Wissen Sie, dass da, wo das Trio gelebt hat, man einen handschriftlichen Zettel von Mundlos gefunden hat, mit dem Namen? Wussten Sie das?

L: Da kann ich trefflich spekulieren. Das tu ich ja schon den ganzen Tag. Der „Förderturm“ war ja was gehaltvoller.
GRÜNE: Ihnen ist also nicht bekannt, ob es Kontakte der Macher des „Fördertums“ nach Thüringen gegeben hat?

L: Die Szene ist gut vernetzt. Ich weiß nichts genaues, aber die gehen alle auf Konzerte, Veranstaltungen, also können sie sich auf dort getroffen haben. Das ist so möglich, aber ich weiß es nicht genau.

GRÜNE: Sie sagten „herausragend“. Was meinten Sie damit?

L: Der war etwas niveauvoller, nicht ganz so platt, wie manches andere Magazin.

GRÜNE: Wir haben eine Ausgabe gefunden, in dem die militanten rechtsextreme Szene angesprochen wird und die „Turner Diaries“ erwähnt werden.

L: Das war ein Blatt, das in den Kreisen verbreitet wurde und wo sie sogar stolz drauf waren, dass sie das hatten. Ob das jetzt ein Blatt war, das Gewalt befördert hat, das ist reine Spekulation. Gewaltbereitschaft war immer präsent. Die musste nicht gefördert werden. Die wächst aus anderen Zusammenhängen hervor.

GRÜNE: Kennen Sie den Verbreitungsweg des Förderturms?

L: Wie es in der Neonaziszene häufig der Fall ist, es wurde weitergegeben, auf Skinkonzerten verkauft, etc. Es gab auch Skinmagazine, Fanszines, die sind bundesweit verbreitet worden, auch wenn da der Schwerpunkt der Macher eher in Ostdeutschland lag.

GRÜNE: Können Sie etwas sagen zu den Verbindungen der Macher zu Strukturen von B&H oder C18?

L: Dazu kann ich nichts Genaues sagen, aber feste C18-Struktur haben wir in Deutschland nicht, zumindest ist es mir nicht bewusst. Die Erkenntnislage ist jedoch kein Abdruck der Realität.

Um 18:09 Uhr muss die Öffentlichkeit den Saal verlassen. Der PUA tagt nichtöffentlich weiter.

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