Geladen waren im öffentlichen Teil der 32. Sitzung des PUA die folgenden Zeugen:
- Christian Hüser von der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des Polizeipräsidiums Dortmund
- Michael Schenk, Leiter der Mordkommission zu den Morden des Michael Berger und Ermittlungsleiter im Mordfall Mehmet Kubaşık
Vernehmung Christian Hüser
Der stellvertretende Vorsitzende Peter Biesenbach (CDU), der die Sitzungsleitung für den verhinderten Ausschussvorsitzenden Sven Wolf (SPD) übernahm, erinnerte zunächst an die letzten beiden Opfer der Čzeská-Mordserie, Halit Yozgat und Mehmet Kubaşık, die vor 10 Jahren in Kassel und Dortmund ermordet wurden. Er teilte zudem mit, dass in Absprache mit den übrigen Obleuten beschlossen worden sei, dass die Befragung des Zeugen Christian Hüser ausschließlich vom Vorsitzenden durchgeführt werde.
Der 50-jährige Christian Hüser arbeitete 2004 im Kriminalkommissariat 43, der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des Polizeipräsidiums Dortmund. Am 4. April 2006 wurde er um die Mittagszeit zum Tatort gerufen und übernahm dort zusammen mit einem Fotografen die Spurensicherung. Er erhielt den Auftrag (vermutlich von der damaligen Leiterin der Mordkommission, Barbara Lichtenfeld), die am Tatort gefundene Patronenhülse auf dem schnellsten Wege zum BKA zu überbringen, was dann per Hubschrauber geschah. Ein Kollege aus Dortmund sei mitgeschickt worden. Beim BKA sollte eine komplette Untersuchung der Hülse stattfinden. Hüser sagte, er habe den Auftrag dazu geschrieben, er könne sich aber nicht mehr erinnern, warum dann bei der BKA-Untersuchung eine DNA-Analyse und eine daktyloskopische Untersuchung ausgeschlossen worden seien. Er selbst habe keinerlei Untersuchung ausgeschlossen. Und das sei auch vollkommen üblich. Gewohnheitsgemäß würden grundsätzlich keine Untersuchungen ausgeschlossen, vielmehr werde das Asservat verschickt und die ausführende Behörde entscheide über die Untersuchungen. [Der mit der Untersuchung der Hülse befasste BKA-Beamte Leopold Pfoser wurde am 18.03.2016 im PUA gehört.]
Er, Hüser, glaube, dass er damals mit dem LKA telefoniert und dort die Auskunft bekommen habe, dass die Erfolgsaussichten einer derartigen Untersuchung sehr gering seien. Die Spuren seien durch die hohe Temperatur beim Abfeuern in der Pistole nicht mehr nachweisbar. Seiner Meinung nach hätte die Untersuchung aber trotz geringer Erfolgsaussichten durchgeführt werden müssen.
Auf Frage äußerte der Zeuge, dass er eine Beeinträchtigung der Spurensicherung durch die große Zahl anwesender Personen für gegeben halte, konkret könne er dies aber nicht bewerten. Die Zeitspanne von 35 Minuten bis zum Eintreffen der Spurensicherung am Tatort sei durchaus üblich, sie käme durch die Bereitstellung und das Beladen des Fahrzeuges und den Anfahrtsweg zustande.
Die Befragung Hüsers endete nach einer halben Stunde.
Vernehmung Michael Schenk
Für den Zeugen Michael Schenk war es der zweite Auftritt im PUA, er war bereits am 15. Januar 2016 vernommen worden. Michael Schenk ist 55 Jahre alt und arbeitet im Polizeipräsidium Dortmund. Er war Leiter der Mordkommission im Fall Michael Berger und Leiter der Ermittlungen im Mordfall Mehmet Kubaşık.
Schenk wurde eingangs vom stellvertretenden Vorsitzenden nach der Situation am Tatort befragt. Biesenbach wollte wissen, ob es für die zuerst an einem Tatort eintreffenden BeamtInnen Verhaltensvorgaben gebe, an die diese sich bis zum Eintreffen der Spurensicherung zu halten hätten. Fast provozierend gelangweilt und einsilbig antwortet der Zeuge, dass es keine Dienstanweisungen zum Verhalten gäbe und entsprechendes Verhalten bei der Arbeit in der Mordkommission erlernt würde. Biesenbach wies den Zeugen zurecht, weniger zähflüssig zu antworten und wollte wissen, welche Regeln es für die Beamten gibt.
Es gelte, am Tatort möglichst nichts zu verändern, damit zunächst Fotos vom Tatort gemacht werden können. Während der Arbeit der Spurensicherung sei es nicht üblich, dass weitere Beamte am Ort seien. Man versuche, den Personenkreis, der einen Tatort betritt, möglichst gering zu halten. Unvermeidbar sei aber, dass die Erstkräfte und Sanitäter am Tatort seien.
Der Vorsitzende wies darauf hin, dass am 4. April 2006 13 Personen am Tatort zugegen waren, bis die Spurensicherung eintraf. Ob dies mit den Vorgaben vereinbar sei?
So etwas könne passieren, da es nicht vermeidbar sei, dass die Erstkräfte und Rettungskräfte den Tatort betreten, antwortete der Zeuge. Es fände dort aber kein „Tatorttourismus“ statt. Biesenbach betonte, dass außer den beiden Erstkräften, den Rettungskräften und dem Notarzt weitere 7 Beamte und der Staatsanwalt vor Ort waren. Der Vorsitzende drängte den Zeugen, der die Situation sehr ausweichend als normal darzustellen versuchte, die große Anzahl von Personen nachvollziehbar zu erklären und nicht darüber zu „philosophieren“, dass dies vorkommen könne.Das sei eben notwendig, um sich einen Überblick zu verschaffen, so Schenk.
Warum es nötig sei, sich einen Überblick zu verschaffen, wenn doch die Spurensicherung vor Ort ist, fragte Biesenbach. Ob dann eine solche Mannschaft notwendig sei?
„Ja“, lautet die einsilbige Antwort Schenks, woraufhin der Vorsitzende Biesenbach sichtlich entnervt die Befragung zum Thema Kubaşık abbrach.
Biesenbach wechselte daraufhin das Thema und fragte den Zeugen zu dessen Einbindung in die Ermittlungen zu den Morden des Michael Berger.
Schenk sagte, er habe am Tattag, dem 14. Juni 2000, Bereitschaftsdienst in der Mordkommission gehabt, als die Meldung von einem Schusswechsel und Schüssen auf Kollegen eintraf. Er sei zum Tatort gefahren und habe dort einen erschossenen Kollegen im PKW sowie eine schwerverletzte Kollegin vorgefunden, die bereits im Rettungswagen versorgt wurde. Es sei dann eine Fahndung nach dem Tatfahrzeug ausgelöst worden. Durch die Befragung der verletzten Kollegin, habe man herausgefunden, dass die beiden Polizist_innen versucht hatten, einen PKW anzuhalten, woraufhin des Fahrer mit dem Wagen flüchtete. Kurze Zeit später sei der PKW in einer Seitenstraße angetroffen worden. Der später getötete Kollege habe den Fahrzeugführer angesprochen, woraufhin dieser sofort das Feuer eröffnet habe. Während der Tatortarbeit sei dann eine weitere Meldung über eine Schussabgabe in Waltrop eingetroffen, bei dem zwei Kolleg_innen tödlich verletzt worden seien. Später sei in Olfen ein PKW mit einem Toten am Steuer aufgefunden worden, so der Zeuge. Er sei dann zur Tatortaufnahme nach Olfen gefahren, wo man Berger erschossen im Wagen aufgefunden habe. Dies sei seine Einbindung in den Fall Berger gewesen.
Nach dieser knappen Einlassung des Zeugen Schenk wurde die Befragung von Heiko Hendriks für die CDU-Fraktion fortgesetzt. Er fragte nach der Einbindung Bergers in die rechtsextreme Szene. Bei der Durchsuchung von Bergers Wohnung sei ein umfangreiches Waffenarsenal sichergestellt worden. Ob Schenk sich an die Waffen erinnern könne?
Konkret könne er sich lediglich an eine Kalashnikov erinnern, die aber bei den Eltern Bergers gefunden worden sei, so Schenk. Ansonsten wisse er nur noch, dass es eine Vielzahl von Waffen gewesen sei, die man bei Berger gefunden habe. Ein Revolver sei dabei gewesen, eine nicht scharfe Handgranate – wegen der Länge der Zeit könne er sich aber an Waffentypen nicht mehr erinnern. Man habe versucht, die Herkunft der nicht registrierten Waffen zu ermitteln, sei aber zu keinem Ergebnis gekommen. Die Ermittlung nach der Herkunft von Waffen sei in der polizeilichen Arbeit ein üblicher Vorgang.
Hendriks fragte den Zeugen, wie er sich die Anweisung der Staatsanwaltschaft erkläre, dass weitere Ermittlungen bezüglich der Herkunft der Waffen nicht erforderlich seien.
An eine solche Anweisung könne er sich nicht erinnern, so Schenk.
Warum auch bezüglich der Kalashnikov, die Schenk als herausragende Waffe in dem Fund bei Berger bzw. bei seinen Eltern in Erinnerung geblieben war, von Seiten der Staatsanwaltschaft ebenfalls keine Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen gesehen worden sei, fragte Hendriks anschließend.
Schenk erwiderte, er nehme an, der Grund sei gewesen, dass die Tat aufgeklärt gewesen sei – der Täter, dessen Leiche in dem PKW in Olfen gefunden wurde, sei ermittelt. Zu den etwaigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsaufträgen müsse man aber nicht ihn fragen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sei die Ermittlung der Herkunft der Waffen nicht erforderlich gewesen, sie als Polizei hätten die Ermittlung in diesem Sinne durchgeführt.
Auf die Frage nach der Teilnahme des Staatsschutzes an der Durchsuchung von Bergers Wohnung erklärt Schenk, er habe darauf gedrungen, dass der Staatsschutz an der Durchsuchung teilnimmt. Grund sei gewesen, dass bei Berger Ausweise der DVU und NPD gefunden worden seien, ebenso wie weitere rechtsextreme Devotionalien. Es habe bei der Durchsuchung Hinweise auf eine rechte Gesinnung gegeben. Von der Abteilung 6 des Innenministeriums [Verfassungsschutz NRW] seien ihm Informationen über die Mitgliedschaft Bergers in der DVU und eine Interessensbekundung Bergers an der NPD zugesandt worden. Er könne sich nicht erinnern, ob er diese Informationen angefragt habe, oder ob sie ihm zugestellt worden seien. Ihm sei lediglich erinnerlich, dass es von Seiten des Staatsschutzes dazu keine Erkenntnisse gegeben habe.
In der Brieftasche Bergers sei eine Liste mit Rufnummern gefunden worden, führte Hendriks aus, unter anderem die Telefonnummer von Sebastian Seemann. Ob dieser Fund zu Ermittlungen in der rechtsextremen Szene geführt habe?
Er selbst habe dazu keine Fragen formuliert und auch keine Ermittlungen durchgeführt. Wenn, dann sei dies vermutlich vom Staatsschutz veranlasst worden, so Schenk. Er könne sich nicht daran erinnern, sich mit anderen Behörden zu diesem Thema ausgetauscht zu haben, ebenso wenig erinnere er sich an Gespräche mit dem Staatsschutz über Bergers Kontakte in die rechte Szene. Auch der Verfassungsschutz habe sich nicht an ihn gewandt, dies sei, wenn überhaupt, über den Staatsschutz gelaufen. Er könne auch nicht sagen, ob ermittelt worden sei, ob Berger seine Waffen in der rechtsextremen Szene erworben habe, da er davon ausgegangen war, dass die Ermittlungen in der rechten Szene vom Staatsschutz ausgeführt worden seien. Im Dortmunder Staatsschutz wisse darüber wahrscheinlich dessen Leiter, Herr Anders, Bescheid.
Am 18. Juni 2000 [vier Tage nach dem dreifachen Mord an den Polizist_innen]habe eine DPA-Meldung für Unruhe im Lagezentrum der Polizei gesorgt, so Hendriks. In der Meldung des Presse-Dienstes hieß es, Berger sei an der Vorbereitung eines terroristischen Anschlages beteiligt gewesen. Hendriks fragte, was der Zeuge dazu wisse.
Schenk sagte, dass er daran keine Erinnerung habe. Er habe nicht mit dem Verfassungsschutz darüber gesprochen. Er habe nur mit dem Staatsschutz gesprochen und gehe davon aus, dass dieser sich mit dem Verfassungsschutz in Verbindung gesetzt habe. Das Auftauchen von Aufklebern mit dem Spruch „Berger war ein Freund von uns – 3:1 für Deutschland“ habe von ihrer Seite auch nicht zu weiteren Ermittlungen geführt.
Hendricks fragte hörbar und sichtlich entsetzt , ob es üblich sei, dass offensichtlich keinerlei Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Abteilungen stattgefunden habe und Informationen nicht zusammengetragen worden seien. Es hätten wohl alle getrennt gearbeitet und ein Abgleich der Art „Wer weiß was?“ habe nie stattgefunden?
Man habe in unterschiedlichen Unterabschnitten gearbeitet, so Schenk knapp.
Hendriks insistierte: Es habe sich um furchtbare Taten gehandelt, die ein Albtraum für jeden Beamten und jede Beamtin gewesen seien. Es habe umfangreiche Waffenfunde gegeben, Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund und auf Kontakte in die rechtsextreme Szene. Außerdem den Verdacht der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags. Dies alles habe doch eine Gefahr für die Kollegen bedeutet. Warum dies nicht zu einem Ehrgeiz geführt habe, intensiv weiter zu ermitteln, wollte der CDU-Abgeordnete wissen.
Schenk verwies lediglich darauf, dass die DPA-Meldung bezüglich eines terroristischen Anschlags ihm nicht bekannt gewesen sei.
Die Abgeordneten der SPD führten die Befragung fort. Der SPD-Obmann Andreas Kossiski fragte, warum die ehemalige Lebensgefährtin Bergers nicht vernommen worden sei.
Die Freundin Berges, die in Niedersachsen gewohnt habe, sei ermittelt worden, so Schenk. Diese sei auch vernommen worden. Zu Zeitungsberichten, denen zu Folge es sich bei der Freundin Bergers um eine andere Person als die vernommene ‚Freundin‘ handele, könne er nichts sagen. Er wisse nicht, was sich die „Ruhrnachrichten“ zusammen gereimt hätten. Berger sei davon ausgegangen, dass die vernommene ‚Freundin‘ ihn mit einem Polizeibeamten betrogen habe. Dies habe zu einem Hass auf die Polizei geführt. Nur diese Frau sei ermittelt und vernommen worden, eine andere Freundin sei ihm nicht bekannt. Im weiteren Umfeld Bergers seien die Eltern und Arbeitskollegen vernommen worden. Berger solle zuletzt allein gelebt haben.
Die Befragung wurde von Verena Schäffer für die Grünen-Fraktion weitergeführt. Schäffer fragte ebenfalls zu der Freundin Bergers. Sie fragte, ob diese Freundin, von der Schenk sprach, nicht Bettina geheißen habe.
Schenk kann sich nur daran erinnern, dass eine Freundin in Niedersachsen vernommen worden ist. Ob die Eltern Bergers sich zu dieser Freundin äußerten, wusste der Zeuge nicht mehr.
Schäffer wies darauf hin, dass jene von der Polizei vernommene Freundin Bettina Anfang der 1990er Jahre Bergers Freundin gewesen sei, nicht aber kurz vor der Tat. Die Freundin, mit der er kurz vor der Tat zusammen gewesen sei, sei nicht vernommen worden. Sie heiße Claudia. Schenk gibt vor dazu nichts sagen zu können.
Schäffer wechselte das Thema: Befragt nach der AK47 äußerte Schenk, dass es einen Hinweis auf eine zweite Kalashnikov nicht gegeben habe. Von einer Meldung der „Westfälischen Rundschau“, wonach Berger Kontakt zu einem Michael Kratz gehabt habe, der an Wehrsportübungen teilgenommen habe und Söldner in Kroatien gewesen sei, habe er keine Kenntnis erlangt. Er wisse auch nicht, ob die Kalashnikov ein jugoslawisches Fabrikat gewesen sei, da die Verkaufswege nicht ermittelt werden konnten.
Schäffer fragte daraufhin nach der nicht erfolgten Vernehmung von Pascal Zinn (NPD Dortmund). Dieser sei nicht zur Vernehmung erschienen. Es sei vermerkt worden, dass Zinn auch nicht auf seinem Festnetzanschluss erreichbar gewesen sei. Schäffer will wissen, warum die Polizei nicht versucht habe, Zinn auf seinem Handy zu erreichen, dessen Nummer der Mordkommission vorgelegen habe?
Schenk antwortete, dass er nichts über den Ablauf der Kontaktaufnahme sagen könne, da darüber keine Vermerke angefertigt worden seien.
Das Fragerecht wechselte zur FDP-Fraktion. Joachim Stamp wollte wissen, welche Erkenntnisse über die Persönlichkeit Bergers vorgelegen hätten.
Dazu hätten sie nicht viel herausgefunden, so Schenk. Am Tag der Tat sei Berger aus einer Klinik entlassen worden, in der er wegen einer psychischen Erkrankung gewesen sei. Er habe gedacht, dass er von seiner Freundin betrogen worden sei, was aber nicht gestimmt hätte. Dies habe er sich aber sehr zu Herzen genommen. Bei Kollegen habe er als Angeber gegolten, der mit dem Besitz von Waffen geprahlt habe. Er sei wohl ein Einzelgänger gewesen, der wenig soziale Kontakte gehabt habe.
Stamp wies den Zeugen nochmal auf die Situation hin: Es habe drei tote Kollegen gegeben. Man habe Aufkleber mit dem Slogan „3:1 für Deutschland“ gefunden, in Brandenburg habe es Schriftzüge an Zugwagons gegeben: „Drei Stellen frei bei der Polizei NRW“. All dies habe keine Relevanz für weitere Ermittlungen in der rechten Szene gehabt? Stamp äußerte unmissverständlich, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass da nicht ermittelt wurde.
Schenk gab an, er selbst nur mit dem Staatsschutz, nicht aber mit dem Verfassungsschutz gesprochen. Es habe kein Interesse an Ermittlungen in der rechtsextremistischen Szene gegeben. Bezüglich des Aufklebers „3:1 für Deutschland“ erinnere er sich, dass jemand anderes sich darum habe kümmern sollen, es habe wohl eine Zuweisung an den Staatsschutz gegeben. Die Mordkommission habe das nicht abarbeiten sollen, man sei davon ausgegangen, dass der Staatsschutz sich kümmere. Genau wisse er das aber nicht mehr, so Schenk.
Stamp fragte noch einmal nach, ob es üblich sei, dass bei drei toten Kollegen und einer Tat, die deutschlandweit von der rechtsextremen Szene gefeiert wurde, nicht weiter ermittelt wurde. Stamp wollte wissen, was mit dem Staatsschutz besprochen worden sei.
Es habe lediglich die Rückmeldung gegeben, dass zu Berger keine Erkenntnisse vorlägen, erwiderte Schenk. Er sei davon ausgegangen, dass der Staatsschutz ermittele. Ob er selber nachgefragt habe, daran könne Schenk sich nicht mehr erinnern. Es habe eine Vielzahl von Gesprächen gegeben.
Wie viele Kollegen denn in dem Zeitraum, in dem er in der Mordkommission tätig war, erschossen worden seien, wollte Stamp wissen.
Dies seien nur die drei gewesen, antwortete Schenk.
Es sei also kein alltäglicher Vorgang gewesen, betonte Stamp, und daher umso unverständlicher, dass man nicht alle Spuren verfolgt habe. Ob aus Kollegenkreisen kein Interesse an den Ermittlungen geäußert worden sei?
Der Täter und das Tatmotiv seien ermittelt worden, so Schenk. Man habe auch versucht, in der rechtsextremen Szene nachzufassen, der Staatsschutz sei eingebunden gewesen. Man habe aber die Rückmeldung bekommen, dass keine Erkenntnisse vorgelegen haben. Sebastian Seemann sei vernommen worden. Er selbst habe die rechtsextreme Szene aber nicht gekannt, da das nicht sein Metier gewesen sei. Man habe auch versucht, Zinn zu vernehmen. Als Mordkommission habe man aber nicht zielgerichtet in der rechtsextremen Szene ermittelt, das habe man vom Staatsschutz erwartet. Von Kollegen sei an ihn nicht der Wunsch herangetragen worden, weiter zu ermitteln.
Die Befragung wurde von Birgit Rydlewski (Piraten) fortgesetzt.
Auf ihre Frage antwortete Schenk, dass er nicht mehr wisse, ob bei der Obduktion der Todeszeitpunkt Bergers festgestellt worden wäre. Es sei ihm auch nicht bekannt, was zwischen der Tat in Waltrop und dem Suizid geschehen sei. Es sei wohl eine Weg-Zeit-Berechnung durchgeführt worden, er müsse da aber auf die Akten verweisen.
Die rechte Gesinnung Bergers sei ein Motiv gewesen, der Hass auf die Polizei und der vermeintliche Betrug durch die Freundin. Ob Kontakte zur FAP bestanden hätten, könne er nicht sagen. Kontakte habe es zu den Republikanern, zur DVU und zur NPD gegeben. Ein Zeuge hätte auch Hinweise auf die Teilnahme an Kameradschaftstreffen geliefert, das sei Seemann oder ein Zeuge namens Dittmann gewesen. Diese Information sei nicht vom Staatsschutz gekommen. Es habe auch das Gerücht gegeben, dass Berger Informant gewesen sei. Man habe Anfragen gestellt, dies aber nicht herausbekommen.
Eine Tätigkeit als Informant sei für Berger aber auch nicht dementiert worden, so Rydlewski. Rydlewski fragte nach dem Schießsportverein „Pirazi“ und einem Peter Kersting. Bei Berger sei ein Aufnäher des Vereins gefunden worden.
Schenk konnte sich weder an den Verein noch an den Namen Kersting erinnern. Nach der Enttarnung des NSU 2011 habe man nicht noch einmal den Fall Berger untersucht, der sei ja schon 2000 gewesen.
Der stellvertretende Vorsitzende Biesenbach wollte zu Beginn der zweiten Fragerunde noch einmal wissen, wie die Ergebnisse der Arbeitsteilung zwischen Mordkommission und Staatsschutz zusammengeführt worden seien. Es bestünde der Eindruck, dass dem keine Wichtigkeit beigemessen wurde und dass die Ermittlungsergebnisse eher Zufall gewesen seien. Es kursiere bei den Untersuchungsausschüssen mittlerweile der Witz, dass man die Zeugen austauschen könne, da die zentrale Aussage überall sei: „Ich habe gedacht, das macht der andere“.
Der Obmann der CDU, Heiko Hendriks, holte ebenfalls zu einem längeren Statement aus: Der Untersuchungsausschuss müsse einen Abschlussbericht erstellen, in dem Fakten zusammengetragen würden, aber auch Bewertungen darüber, wie gearbeitet wurde und wie mit Ermittlungsergebnissen umgegangen worden sei. Schenk sei Leiter der Mordkommission gewesen, verschiedene Abteilungen hätten Aufgaben erledigt, es habe einen Abschlussbericht über die Ermittlungen gegeben. Es sei zwar der Täter ermittelt worden, aber nicht das Motiv. Wichtige Fragen seien offen geblieben: War Berger wirklich Einzeltäter, woher hat er die Waffen bezogen? Was Berger gemacht habe, hätten andere weiterführen können. Es habe durch Aufkleber und Schmierereien Hinweise darauf gegeben, dass dies vielleicht erst der Anfang sein könne. Es habe der Anfangsverdacht bestanden, dass es sich um eine terroristische Anschlagsreihe gegen Repräsentant_innen des Staates handeln könne. Diese Fragen hätten von Interesse sein müssen. Hendriks sei fassungslos, dass nicht weiter in diese Richtungen ermittelt worden sei und Schenk als Leiter diese Fragen nicht gestellt habe.
Schenk antwortete darauf, dass man versucht habe, das Motiv herauszufinden und ebenso versucht habe, die Waffenwege zu ermitteln. Als Motive seien seine psychische Krankheit, Eifersucht oder eine Kurzschlussreaktion in Betracht gekommen. Man habe den Staatsschutz angefragt. Die Aufkleber habe er auch schlimm gefunden, der Auftrag die Macher zu ermitteln, sei aber an eine andere Stelle gegangen. Die Fragen an den Staatsschutz seien negativ beantwortet worden, es hätten keine Erkenntnisse vorgelegen.
Serap Güler von der CDU trug vor, dass nach Erlass des Innenministeriums von 2000, die Aufforderung an das Polizeipräsidium Dortmund erging, dass alle Beteiligten, die im Fall Berger ermittelt hatten, einen Bericht erstellen sollten. Güler habe aber der Akte entnehmen können, dass Schenk als Leiter der MK nur einen knappen Bericht verschickt hatte. Güler fragte, warum nur so wenig und so „dünn“? – Genauer gesagt, Schenks Einheit hätte sich dazu ziemlich dünn geäußert.
Dazu antwortete Schenk lapidar, diese Nachbereitungsgruppe sei ohne ihn zusammengestellt worden. Schenk führte in der Folge aus, dass er an der Nachbereitung des Falles Berger nicht beteiligt gewesen sei, warum könne er nicht sagen. An einer Nachbesprechung am 4.12.2000, an der 39 Beamte aus verschiedenen Behörden teilnahmen, waren die Vertreter_innen der Mordkommission nicht anwesend. Von dieser Besprechung höre er zum ersten Mal, so Schenk, er wisse davon nichts. Er sei wohl nicht eingeladen worden.
Güler wollte wissen, ob Schenk glaube, alles daran gesetzt zu haben, Licht ins Dunkel des Falles zu bringen.
Davon sei er überzeugt, so Schenk. Er sei nicht Leiter der BAO gewesen, das sei eine andere Struktur gewesen. Als Mordkommission habe man die Tat aufgeklärt, man habe versucht, das Motiv herauszufinden, das sei gelungen. Seiner Meinung nach sei die Tat nicht aus einer rechten Motivation heraus begangen worden.
Der stellvertretende Vorsitzende Biesenbach äußerte Unverständnis, warum Schenk nicht zu der Nachbesprechung eingeladen worden sei und warum es da keine Kommunikation gegeben habe.
Da müsse er an anderer Stelle nachfragen, antwortete Schenk.
Ungehalten hakte Biesenbach hier nach: „Wieso reden die nicht miteinander?“ Habe es keine täglichen Fragen oder Informationen gegeben? Sei er, Schenk, nicht in der Lage gewesen sei, mal nachzufragen?
Walburga Benninghaus (SPD) sagte, dass es außer dem Hass auf die Polizei doch auch ein rechtsextremes Motiv zu den Taten gegeben haben könnte. Sebastian Seemann sei ja kein unbeschriebenes Blatt gewesen. Darauf antwortete Schenk, dass ihm Seemann vor 2000 nicht bekannt gewesen.
Verena Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, ob überprüft worden sei, ob Berger Waffen verkauft habe. Es habe einen Hinweis eines Zeugen Patrick D. gegeben, der geäußert habe: „Berger fragte mich, ob ich Waffen kaufen will“.
Darauf habe es keine Hinweise gegeben, man habe nicht herausgefunden, dass er Waffen verkauft habe, antwortete Schenk. Nach einem Waffenhändler in Recklinghausen, der von einem Zeugen erwähnt wurde, habe man ergebnislos gesucht. Der von Schäffer erwähnte Fred S., der auch über ein großes Waffenarsenal verfügt habe, war Schenk nicht bekannt. Die Telefonnummern aus Bergers Handy seien überprüft und die Inhaber_innen festgestellt worden, glaubte Schenk, genaue Erinnerungen habe er aber daran nicht mehr.
Schäffer führte aus, dass sie auf einer bei Pascal Zinn beschlagnahmten Mitgliederliste des „Nationalen Widerstand Ruhrgebiet“ neun Personen gefunden habe, deren Kontaktadressen im Handy von Berger gefunden seien.
Schäffer verwies auf ein Foto, das bei der Durchsuchung von Bergers Wohnung gefunden worden sei. Es zeige Berger mit acht Neonazis, die den Hitlergruß zeigen. Eine Frau auf dem Foto soll Berger einen Brief geschickt haben.
Laut Schenk soll dies in den Akten des Staatsschutzes vermerkt gewesen sein. Darum müsse sich der Staatsschutz gekümmert haben, so Schenk, die Mordkommission habe die Personen nicht vernommen. Eine Versammlung rechtsextremer Jugendlicher am Suizid-Ort Bergers, organisiert von der „Lippefront Bork“, am 23. Juni 2000 sei ihm nicht bekannt, so Schenk auf eine Frage.
Die Befragung wurde von der FDP fortgeführt.
Schenk konnte die Frage nicht beantworten, warum auf ein Gutachten durch einen Schusssachverständigen verzichtet wurde. Er glaubte sich zu erinnern, dass ein Schussentfernungsgutachten in Auftrag gegeben wurde.
Zu der von den Piraten gestellten Frage nach dem von Sebastian Seemann behaupteten gemeinsamen Schießtraining war Schenk nur erinnerlich, dass es lange gedauert habe, den Ort zu ermitteln. Warum die Brüder Bergers nicht vernommen wurden? Dazu konnte Schenk nichts sagen. Wie und warum Berger an einen Truppenausweis der Bundeswehr gelangt war? Dies konnte nicht ermittelt werden. Was Berger mit dem Truppenausweis beabsichtigt haben könnte, konnte sich Schenk nicht erklären.
Die CDU (Hendriks) leitete über zum Thema BAO „Trio“. Schenk habe nach 2011 im „Unterabschnitt Tötungsdelikt Kubaşık“ gearbeitet. Zur Frage, ob Kontakte nach Thüringen und dem Thüringer Heimatschutz ermittelt wurden, verwies Schenk darauf, dass dafür der Staatsschutz zuständig gewesen sei. Die Person Toni S. wurde Schenk nach eigener Aussage erst 2011 bekannt, Kontakte zu Berger waren nicht bekannt. Die Anschlussinhaberin eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Telefonat S.s nach Essen geführt worden sei, konnte nicht ermittelt werden. Auf den Vorhalt der CDU, dass der Name sehr wohl ermittelt worden sei, konnte Schenk nur sagen, dass kein Kontakt zu der Person hergestellt wurde.
Schenk wollte Maßnahmen einleiten, um die Beziehung zwischen Alexander Wagner und S. zu ermitteln. Unter anderem wollte er eine Telefonüberwachung veranlassen. Alle beantragten Ermittlungs-Maßnahmen seien aber von der Generalbundesanwaltschaft (GBA) abgelehnt worden.
Monika Düker (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, ob die Generalbundesanwaltschaft Gründe für ihre ablehnende Haltung genannt habe.
Anweisung der GBA sei es gewesen, dass S. nicht als Beschuldigten zu führen sei, so Schenk. Ansonsten stünde ihm als Polizeibeamten nicht zu, Begründungen bei der GBA anzufordern. S.s Telefon sei zum Tatzeitpunkt des Mordes an Mehmet Kubaşık in der Dortmunder Nordstadt geortet worden. 2006 sei S. nicht überprüft worden, weil er im polizeilichen System als „inhaftiert“ eingetragen gewesen sei. 2011 habe es eine Funkzellenauswertung gegeben. Eine genaue Standortbestimmung sei damit aber nicht möglich gewesen, da abhängig vom Sendemast ein größerer Bereich abgedeckt würde. Eine genauere Erinnerung an die Überprüfung hat Schenk nicht.
Eine weitere Einflussnahme seitens der GBA habe es nicht gegeben. Nach der Ablehnung der Überwachungsmaßnahmen habe es keine weiteren Berührungspunkte mit der GBA gegeben. Am Tag der Ermordung von Halit Yozgat in Kassel wurde aus der Funkzelle in Kassel heraus die Schwester von S. angerufen. Eine Funkzellenüberprüfung habe wohl stattgefunden. Genaueres könne Schenk aber ohne Einsicht in die Funkzellendaten nicht mehr sagen. Nach seiner Erinnerung wurde S.s Schwester dazu nicht vernommen.
Verena Schäffer fragte abschließend nach einem Hinweis der BAO „Trio“ Bayern, wonach ein Zeuge behauptet habe, 2001 mit Böhnhardt und Mundlos auf einer Baustelle in Dortmund gearbeitet zu haben. Der Zeuge sei von einem Polizisten namens Hartmann in Dortmund dazu vernommen worden. Dazu habe es ein Ermittlungsersuchen gegeben. Der Zeuge habe einen der Uwes identifiziert.
Schenk gab an, sich daran nicht erinnern zu können, er glaube, dass das ermittelt worden sei. Er habe sich das Protokoll dazu nicht durchgelesen. „Das sagt mir nichts mehr“, war wie so oft seine Antwort.
Nachfragen der Piraten (Rydlewski) zu Aussagen einer Zeugin, die einen Mann und eine Frau in Tatortnähe gesehen hat, die sich mit den Worten „Lass uns verschwinden“ entfernten, konnte Schenk nicht beantworten. Er wusste nicht, ob der Zeugin Lichtbilder vorgelegt wurden. Ob der Zeugin Dz., die den Tätern in Dortmund kurz vor dem Mord begegnet war, Lichtbilder von Toni S. vorgelegt wurden, konnte Schenk nicht ebenfalls nicht beantworten.
Fazit
So endete der 32. Sitzungstag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag NRW nach zähen Stunden. Zu vielen der an diesem Tag gestellten Frage antworteten die Zeugen mit der Angabe, keine genaueren Kenntnisse zu haben und verwies auf die angebliche Zuständigkeit des Staatsschutzes. Zu den Polizist_innen-Morden durch Michael Berger fiel auf, dass die kriminalpolizeilichen Ermittlungen der Mordkommission nach Angaben des Zeugen Schenk kaum mit den Ermittlungen der Staatsschutzabteilung verschränkt waren. An einen Austausch, sofern es ihn überhaupt gegeben hat, konnte sich der Zeuge nicht erinnern. Damit fiel auch – folgt man der Aussage des Polizeibeamten Schenk – die Ermittlung in Richtung „Rechtsextremismus“ höchst rudimentär aus. Das Umfeld Bergers wurde, ob es nun um die Szene-Kontakte Bergers oder um seine Nahbeziehungen (seine Freundin) ging, kaum bzw. nicht beleuchtet, Spuren wurden nicht weiter verfolgt. Dabei hatte Berger alleine zu neun Personen aus dem Kreis der „Kameradschaft Dortmund“ Kontakt, wie der PUA durch eigene Recherche herausfand. Die Herkunft der bei Berger aufgefundenen Waffen konnte von der Polizei Dortmund nicht geklärt werden.
Zum Mord an Mehmet Kubaşık blieb an diesem Sitzungstag die Erkenntnis, dass eine konkretere Untersuchung der am Tatort gefundenen Patronenhülse nach Meinung des Zeugen Hüser durchaus ergebnisreich hätte sein können – aber aus unerklärlichen Gründen ausgeblieben sei. Der Zeuge Schenk sagte zudem aus, dass nach der NSU-Enttarnung der Polizei Dortmund weitergehende Ermittlungen zu Toni S. durch der Generalbundesanwaltschaft untersagt wurden.