Sitzung vom 23. Juni 2016 – Zusammenfassung

0

In der vorletzten Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vor der Sommerpause waren geladen:

    • Ralf Meyer, Staatsanwaltschaft Paderborn
    • Anette Greger, Oberstaatsanwältin beim Generalbundesanwalt

Vernehmung Ralf Meyer

Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung, belehrte den Zeugen Ralf Meyer und bat ihn sich vorzustellen. Der Zeuge führte aus, dass er seit 1992 Staatsanwalt sei, seit 1994 als Dezernent im Bereich „Organisierte Kriminalität“ gearbeitet und seit 1996 mit Kapitaldelikten befasst gewesen sei. Seit März 2013 arbeite er als Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft Paderborn.

Von dem Todesfall Thomas Richter habe er am Morgen des 8. April 2016 erfahren, als ihn sein Kollege Staatsanwalt Klein angerufen habe. Eigentlich sei Klein für den Fall zuständig gewesen, aber er habe gemeint, dass der Fall eine heikle Sache sei, ein V-Mann des Verfassungsschutzes sei tot, der Vorgang sei als geheim eingestuft, deswegen solle er, der Zeuge, der Abteilungsleiter sei, den Fall übernehmen. Den Fall habe er dann übernommen, so der Zeuge. Er habe die Akten bekommen und am gleichen Tag an der Obduktion auf dem Friedhof Paderborn teilgenommen. Er erinnere sich noch gut, dass die Obduktzentin Frau Varchim-Schultheiß von der Gerichtsmedizin aus Münster einen Teststreifen in das Hirnkammerwasser eingeführt habe, der sich verfärbt habe. Es sei somit früh klar gewesen, dass die Todesursache möglicherweise eine Diabetes gewesen sei.

Im Regelfall würden Todesermittlungsverfahren durch die Kriminalpolizeibehörde Paderborn durchgeführt. Aber aufgrund der Brisanz sei diesmal das PP Bielefeld eingeschaltet worden und er habe mit dem Kriminalhauptkommissar Östermann vereinbart, dass der Fundort der Leiche von der Polizei wie ein Tatort eines Kapitaldelikts aufgenommen werde. Dies würde man im Regelfall bei Todesermittlungsverfahren nicht machen. Aber der vorliegende Fall sei ein besonderer Fall gewesen.

Auf Frage des Vorsitzenden, ob er besondere Sensibilität gezeigt habe, bejahte der Zeuge. Es sei ihm von der 1. Minute an klar gewesen, dass dies kein normales Todesermittlungsverfahren sei und dass man sehr genau ermitteln werde. Er habe auch sogleich die Funkzellendaten sicherstellen lassen, damit die Daten später vorhanden seien, falls ein Tötungsdelikt vorliegen würde. Auf Frage erläuterte der Zeuge, dass man in den Funkzellendaten suchen könne, ob eine Handynummer in der Funkzelle vorhanden sei. Warum der Zeitraum der Funkzellenabfrage geändert worden sei, wisse er jetzt nicht mehr. Grundsätzlich könne man alles abfragen, was noch vorhanden sei, es liege an der Speicherfrist.

Noch im Obduktionssaal habe er ein Treffen mit der Polizei und dem BfV am Folgetag festgemacht. Bei diesem Treffen am 9. April 2014 seien ihm die Klarpersonalien des Toten genannt worden, ebenso, dass der Tote in der rechten Szene war, dass er eine abgeschaltete Quelle gewesen sei und über Tarnpersonalien verfügte. Die BfV-Mitarbeiter hätten ein Interesse daran gehabt, dass der Tote unter Tarnpersonalien beerdigt werde, weil so die operativen Maßnahmen geschützt werden sollten. Der Zeuge erklärte, dass die Vertreter der Polizei und er mit Hinblick auf das Erbe Bedenken geäußert hätten. Die BfV-Mitarbeiter hätten erklärt, dass die Eltern Richters tot seien und es zu den Geschwistern keinen Kontakt mehr gebe. Der Zeuge betonte, dass die Beerdigung unter Tarnpersonalien der Wunsch des BfV gewesen sei. Auf Frage erläuterte er, er selbst habe prüfen wollen, ob diese Bestattungsart möglich sei, ohne dass es zu Problemen komme.

Frage des Vorsitzenden: „Die Initiative ging vom BfV aus?“
Antwort Zeuge: „Richtig, es ging vom BfV aus.“

Es sei das Ergebnis des Gesprächs gewesen, dass man probiere, ob dies machbar sei, so der Zeuge. Er und die Polizei hätten problematisiert, dass das Erbe und die Angehörigen betroffen seien.

Einige Tage später sei der Fall dann in den Medien gewesen, woraufhin sich die Brüder Richters gemeldet hätten. Er selbst sei im Urlaub gewesen, habe mit seinem Kollegen Wibbe gesprochen. Da sei klar gewesen, dass eine Beerdigung unter Klarpersonalien gemacht werden müsse. Der Bruder habe sich um die Beerdigung kümmern wollen.

Auf Frage erklärte der Zeuge, auch Herr Östermann habe Bedenken gehabt. Es sei Konsens des Gesprächs am 9. April gewesen, die Beerdigung unter Tarnpersonalien zu prüfen. Die Initiative sei aber vom BfV ausgegangen. Auf Frage erklärte der Zeuge, dass er zuvor noch niemanden unter Tarnpersonalien beerdigt habe.

Nach einer möglichen Gefährdungslage des Richters gefragt, erklärte der Zeuge, dass er schätze, dass eine Gefährdung aufgrund des rechten Milieus vorgelegen habe, in dem sich der Tote bewegt habe. Er meine aber, dass das BfV gesagt habe, dass keine konkrete Gefährdungslage vorgelegen habe. Es habe eher eine latente Gefährdung gegeben.

Die Funkzellendaten hätten bei der Polizei gelegen, aber man hätte sie nur gebraucht, wenn es Anhaltspunkte gegeben hätte, dass ein Tötungsdelikt vorlegen würde. „Wir haben aber keinerlei Anhaltspunkte füpr ein Fremdverschulden gefunden“, so der Zeuge. Im Laufe des Verfahrens habe man aber die Frage aufgeworfen, ob das diabetische Koma durch die Beiführung von Stoffen hervorgeruft werden könne. Man habe herausgefunden, dass es wohl solche Mittel geben könnte, deswegen kam die Idee einen Diabetologen zu fragen. Die Wahl sei auf Professor Scherbaum gefallen. Eine der zentrale Fragen sei gewesen, ob man diese Diabetes gezielt herbeiführen könne. Das Scherbaum-Gutachten erklärte, dass die Ermittlungsergebnisse – vorgefundene Wasserflaschen, Auswertung des SMS-Verlaufs – für einen typischen Typ I-Diabetes spreche. Die Indizien seien schlüssig gewesen. Die Frage, ob es Stoffe gebe, die solche eine Diabetes auslösen könnten, sei verneint worden. Das Gutachten sei Anlass gewesen, von weiteren toxikologischen Untersuchungen Abstand zu nehmen.

Der Zeuge erklärte, dass er Kenntnis von der Aussage Scherbaums im PUA bekommen habe, woraufhin er Scherbaum angeschrieben habe und um ein ergänztes Gutachten gebeten habe, was am 17. Juni 2016 eingegangen sei. Scherbaum sehe aber nach wie vor keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden, es existierten aber drei Stoffe, die eine solche Erkrankung auslösen könnte. Zwei müssten aber injeziiert werden, bei der Obduktion seien keine Einstichstellen gefunden worden, aber die theoretische Möglichkeit, dass es eine Vergiftung durch das Rattengift Vacor gab, könne nicht ausgeschlossen werde. „Unsere Informationen über die letzten Lebenstage Richters sind nicht komplett“, so der Zeuge. Deshalb prüfe man nun die Beauftragung eines Toxikolgen, der nach den Stoffen in den Leichenasservaten suchen solle.

Heiko Hendricks von der CDU-Fraktion fragte nach der Atmosphäre des Treffens mit dem BfV am 9. April 2014. Der Zeuge antwortete, die habe er als professionell und sachlich empfunden. Weiter führte er aus, es sei sein erster persönlicher Kontakt mit dem BfV gewesen. Auf Frage, ob das BfV alle seine Fragen beantwortet habe, sagte der Zeuge, er habe das BfV noch als sehr offen empfunden, sie hätten mit nichts hinterm Berg gehalten. Man habe ihm in Teilen gesagt, wie die Tarnung Richters erfolgt sei. Er glaube, er dürfe dazu aber vor dem PUA nicht mehr sagen, weil das nicht unter seine Aussagegenehmigung falle. Ob der Begriff NSU bei der Besprechung gefallen sei, wisse er nicht. Er wolle dies aber auch nicht ausschließen.

Man habe ihm gesagt, Richter habe seit Jahren keinen Kontakt zu Angehörigen gehabt. Er habe das BfV nicht nach den Personalien des Richters gefragt. Er sei davon ausgegangen, dass das BfV die Personalien der Brüder kenne. Er habe aber nicht danach gefragt, weil Richter unter den Tarnpersonalien beerdigt werden sollte. Er habe nicht die Frage gestellt, ob die Brüder über den Tod informiert worden seien.

Auf die Frage, ob es nicht die Pflicht des Zeugen gewesen sei, die Angehörigen zu informieren, antwortete der Zeuge, dass in der Besprechung am 9.4. ja keine Entscheidung getroffen worden sei. Er sollte nur geklärt werden, ob eine Bestattung unter Tarnpersonalien möglich sei. Dazu sei es dann aufgrund von Presseberichten nicht mehr gekommen.

Heiko Hendricks (CDU) fragte, ob der Zeuge heute die angesprochenen Fragen stellen würde? Der Zeuge antwortete, dass er heute andere Fragen stellen würde. Hintergrund der Bestattung unter Tarnpersonalien sei nicht die Gefährdung der Person oder der Angehörigen gewesen, sondern der Schutz des BfV. Dessen Einsatztaktiken der Tarnung von Personen sollten nicht bekannt werden.

Verena Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen griff diesen Punkt später noch einmal auf. Sie wollte wissen, wie durch eine Bestattung unter Tarnpersonalien Einsatztaktiken des BfV geschützt werden könnten? Der Zeuge wiederholte, dass die Bestattung unter Tarnpersonalien zunächst nur ein „freundliches Denkmodell“ und Wunsch des BfV gewesen sei. Dann sagte er schließlich: „Wenn Richter unter Tarnpersonalien beerdigt worden wäre, dann hätte niemand erfahren, dass Richter tot ist. Das wäre optimal gewesen.“ Schäffer: „Ja, optimal für das BfV.“

Arif Ünal (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, ob die Bestattung unter Tarnpersonalien stattgefunden hätte, wenn es keine Medienberichte über den Tod „Corellis“ gegeben hätte. Der Zeuge erwiderte, dies sei eine hypothetische Frage. Jetzt würde er eine solche Bestattung nicht machen. Ob er denn in der Zeit nach der Besprechung am 9.4.2014 die rechtlichen Bedenken geprüft habe? Der Zeuge antwortete, dass Bedenken aufgrund des Erbes vorhanden waren, aber eine endgültige Entscheidung nicht angestanden habe. Am 9.4.2014 sei lediglich Konsens gewesen, die Bestattung unter Tarnpersonalien anzustreben, wenn es keine rechtlichen Bedenken gebe. Die FDP-Fraktion fragte ebenso, wessen Aufgabe diese rechtliche Prüfung gewesen sei. Dies sei seine Aufgabe gewesen, so der Zeuge. Eine Frist sei nicht verabredet worden, bis wann die Prüfung abgeschlossen sein sollte. Aber am Freitag wäre der Medienbericht da gewesen und deswegen die Prüfung ohnehin obsolet. Auf den Vorhalt, dass im Corelli-Bericht von Jerzy Montag stünde, es sei am 9.4.2014 eine Entscheidung in dieser Sache getroffen worden sei, erwiderte der Zeuge, dass definitiv keine Entscheidung getroffen worden sei.

Heiko Hendricks fragte, warum der Beerdigungsschein auf den Namen Dellig vernichtet und nicht umgeschrieben worden sei. Der Zeuge erklärte, der Beerdigungsschein bezöge sich auf das Datum der Obduktion. Wegen des Grundsatzes der Aktenklarheit und Aktenwahrheit habe er den neuen Beerdigungsschein auf den Namen Richter zurückdatiert. Wer die Namensänderung im Totenschein des Notarztes gemacht hätte, könne der Zeuge nur schlussfolgern. Es müsste KHK Östermann gewesen sein. „Ich habe es nicht veranlasst“, so der Zeuge. Ob denn die Todesbescheinigung keinen Urkundencharakter habe? Normalerweise ja, antwortete der Zeuge. Er wisse nicht, ob wegen der Änderung mit dem Notarzt gesprochen worden sei.

Befragt zur Sicherung der Daten der Laptops und Handys, erklärte der Zeuge, dass die Spiegelung der Daten auf einem anderen Datenträger die übliche Praxis sei. Die Löschung der Daten auf den Geräten habe nach Erinnerung des Zeugen nicht das BfV begehrt, sondern die Polizei. Die wollte die Datenträger blank zurückgeben. Dies sei durchaus gängige Praxis, weil viele sensible Daten enthalten seien.

Andreas Bialas von der SPD-Fraktion griff das Thema Datensicherung später noch einmal auf und fragte, warum die Daten nicht ausgewertet worden seien. Der Zeuge erklärte die Datensicherung sei doch erfolgt, man habe die SMS ausgewertet. Man habe eine Rekonstruktion der letzten Tage Richters gemacht. Die Auswertung sämtlicher Daten sei nicht erforderlich gewesen, da keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden bestanden hätten. Verena Schäffer stellte klar, dass die Auswertung der SMS und Anruflisten nicht auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Paderborn, sondern eigenständig durch das BKA durchgeführt worden sei. Der Zeuge antwortete, dass er nicht mehr wisse, wer das gemacht habe. Ihm habe die Polizei Bielefeld davon erzählt.

Bialas äußerte sein Unverständnis, dass trotz einer laufenden Mordermittlung, nicht auf den Datenträgern nach Hinweise gesucht worden sei. Wenn Zettel in der Wohnung gelegen hätten, dann hätte man diese sicherlich auch gelesen, meinte der Abgeordnete. Der Zeuge erwiderte, dass der Grund für die Einsetzung einer Mordkommission in der V-Mann-Tätigkeit des Toten und der Brisanz des Falles gelegen habe. Aber „Es könnte Mord sein“ sei nicht die Arbeitshypothese gewesen. Man habe klären wollen, ob ein Fremdverschulden vorliege. Dafür habe man aber keine Anhaltspunkte gefunden. Das BKA habe möglicherweise eine Komplettauswertung der Daten gemacht, dann hätten es dem Zeugen aber sicher mitgeteilt, wenn dabei Dinge von Bedeutung für das Todesermittlungsverfahren gewesen wären.

Bialas führte aus, dass laut Akten am 7.4.2014 in der Wohnung Richters 2 Handys und 2 Tablets sichergestellt, ein Laptop im Wohnzimmer zwar gesehen, aber da gelassen worden sei. Am 8.4.2014 seien dann von der Polizei ein Laptop im Wohnzimmer und ein Laptop in der Küche festgestellt worden, aber nicht sichergestellt worden. Am 15.4.2014 sei dann lediglich der Laptop aus dem Wohnzimmer sichergestellt worden. Das BKA habe dann am 25.43.2014 den Laptop aus der Küche und ein weiteres Handy sichergestellt. Zur Frage nach der Bewertung dieser Vorgehensweise sagte der Zeuge, er habe davon erst später erfahren. Auf Nachfrage sagte er, den Tatortfundbericht habe er erst später erhalten. Ob es Anweisungen zur Sicherstellung gegeben habe? Der Zeuge sagte, von ihm nicht. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich die Polizei Bielefeld vom BfV anweisen lasse, etwas in der Wohnung zu lassen. Üblich sei es gewesen, alle Geräte sofort mitzunehmen.

Die CDU-Fraktion hielt dem Zeugen vor, dass die Pressemitteilung mit dem BfV abgestimmt werden sollte und fragte, wie sich dies mit der staatsanwaltschaftlichen Pressehoheit vereinbaren lasse. Der Zeuge antwortete, dies sei nicht mit dem BfV vereinbart gewesen. Auf Pressehoheit lege er größten Wert, es sei aber üblich, dass man sich in manchen Verfahren mit den Ermittlern zusammensetze, und Pressemitteilungen abstimmte, damit keine Interna nach draußen gelangten, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Auf den Vorhalt, dass es sich beim BfV nicht um Ermittler handele, äußerte der Zeuge, das BfV seien keine Ermittler, aber deren Belange seien betroffen gewesen.

Verena Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen) fragte später, ob das BfV denn Änderungswünsche formuliert habe? Der Zeuge erwiderte, dass seines Erachtens das BfV keine Änderungswünsche hatte. Daraufhin wurde ihm vorgehalten, dass sich in den Akten eine Vorentwurfs-Version der Pressemitteilung und eine Endfassung befänden. Im Vorentwurf sei die Rede von einem toten V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die eigentliche Pressemitteilung spreche von einer sich in einer Schutzmaßnahme befindlichen Person einer Bundessicherheitsbehörde. Ob diese Änderung vom BfV veranlasst worden sei, konnte der Zeuge nicht sagen.

Die FDP fragte, ob der Name „Corelli“ von Seiten des BfV gefallen sei. Der Zeuge war sich dessen nicht sicher. In den nächsten Tagen sei ihm irgendwie klar geworden, dass es einen NSU-Bezug gebe. Er habe aber nicht recherchiert, ob Richter Kontakt zum NSU hatte. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass Richter den Namen Dellig erst seit eineinhalb Jahren geführt habe.

Der Zeuge führte aus, dass Frau Büddefeld vom BfV in der Besprechung am 9.4.2014 gesagt habe, sie müsste den Tod Richters an den Generalbundesanwalt (GBA) melden. Dies fand der Zeuge okay, er wandte sich selbst nicht an den GBA. Die CDU hielt dem Zeugen ein von ihm verfasstes Schreiben an den Justizminister vom 10.4.2014 vor, in dem geschrieben stand, dass Richter im Zuge der NSU-Ermittlungen enttarnt worden sei und 2012 ins Schutzprogramm mit neuen Personalien eingetreten sei. Diese Information hätten also einen Tag nach der Besprechung am 9.4.2014 vorgelegen. Heiko Hendricks sagte, er könne in den Unterlagen keine Initiative des Zeugen sehen, dass der NSU Verbindung nachgegangen worden sei und fragte, warum trotz der Brisanz der GBA nicht von der Staatsanwaltschaft Paderborn informiert worden sei? Stattdessen habe man es dem BfV überlassen, zu entscheiden, wann der GBA informiert würde. Aus den Akten zeige sich, dass das Klima zwischen GBA und BfV „suboptimal“ gewesen sei. Der Zeuge antwortete, dass Frau Büddefeld gesagt habe, sie müsste den GBA zügig informieren. Er dachte, der GBA verfüge über das Wissen, und BfV und GBA stünden in regelmäßigem Austausch. Von Animositäten habe er nichts gewusst.

Der GBA habe bestimmte Aktenteile haben wollen. Der Zeuge meinte sich zu erinnern, dass das BfV auch die Telefone Richters haben wollte. Aber ihm sei definitiv klar gewesen, dass die Telefone an den GBA gingen. Auf die Frage, was die Grundlage dafür gewesen sei, dass das BfV die Handy haben wollte, sagte der Zeuge, dass das BfV nicht alle Geräte wollte, sondern nur die, bei denen sie behauptet hätten, sie seien das Eigentum des BfV. Nach der GBA-Aussage sei ihm klar gewesen, dass die Handys nicht ans BfV gingen.

Auf die Frage, warum der Zeuge die Handys und Laptops inklusive der Sicherungskopien an das BKA weitergab und keine Kopien bei sich behielt, erwiderte er, dass er davon ausgehe, dass er bei Bedarf die Daten vom BKA zurück bekommen würde.

Zur Frage, warum die BfV-Betreuer, die die Leiche auffanden, nicht noch einmal zeugenschaftlich vernommen worden seien, erklärte der Zeuge, diese hätten ja schon direkt nach dem Auffinden mit der Polizei [Anm.: Beamten der Polizei Paderborn, die die Leiche fanden, nicht die Ermittler der Mordkommission] gesprochen. Es habe kein Anhalt bestanden, dass sie noch mehr erzählen würden. Es sei üblich, dass man solche Zeugenaussagen in Vermerkform niederlege.

Den Wohnort Richters habe er selbst nicht besichtigt.Über die Dachluke im Zimmer von Richter habe er mit Östermann gesprochen, ein Eindringen sei nicht möglich gewesen. Er wisse nicht, ob er Östermann gebeten habe, die Luke genauer zu überprüfen. Aber man habe auch zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden gefunden.

Auf Vorhalt von Verena Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen), dass bei den von der Telekom gelieferten Funkzellendaten Daten fehlten, sagte der Zeuge, dass er dafür keine Erklärung habe. Möglicherweise seien keine Daten mehr da gewesen. Schäffer führte aus, dass der Zeitraum der Abfrage vom 29.3.2014 bis zum 7.4.2014 reichte, einzig die Telekom nur Daten ab dem 3.4.2014 lieferte. Sie gehe davon aus, dass das Handy, dass Richter zum Kontakt mit dem BfV nutzte, ein T-Mobile-Handy gewesen sei. [Anm.: Am 2.4.2014 soll der letzte SMS-Kontakt zwischen Richter und seinen BfV-Betreuern stattgefunden haben.] Auf die Frage, warum nicht die Verbindungsdaten der Handys von Richter abgerufen worden seien, erklärte der Zeuge, dafür keine Notwendigkeit gesehen zu haben.

Schäffer wollte wissen, ob der Zeuge Bedenken gehabt habe, die bei Richter gefundenen schriftlichen Unterlagen an das BfV herauszugeben? Der Zeuge antwortete, Herr Östermann habe ihm versichert, dass diese Unterlagen nicht verfahrensrelevant gewesen seien. Schäffer hielt vor, dass sich unter den Asservaten auch Versicherungsunterlagen befunden hätten und fragte, ob der Zeuge mit den Krankenkassen des Toten Kontakt aufgenommen habe. Dies habe er nicht gemacht, so der Zeuge. Das BfV habe ihm mitgeteilt, dass Richter das letzte Mal vor 5 Jahren beim Arzt gewesen sei. Normalerweise werde bei Todesermittlungsverfahren aber der Hausarzt befragt. Aber in diesem Fall sei kein Hausarzt bekannt gewesen.

Fazit/Kommentar: Die Vernehmung des Oberstaatsanwalts Meyer machte deutlich, wie das BfV auf das Todesermittlungsverfahren Einfluss nahm. Staatsanwaltschaft und Polizei ließen das BfV gewähren, somit bekam das BfV Asservate ausgehändigt und konnte offenbar Einfluss auf die Pressearbeit nehmen. Dass dem Wunsch des BfV, Richter unter Tarnpersonalien zu bestatten, schlussendlich nicht gefolgt wurde, lag an der Veröffentlichung des Todes von „Corelli“ in den Medien. Dass der Zeuge Meyer nun behauptet, der Entschluss zu einer Bestattung unter Tarnpersonalien sei vorher gar nicht gefallen und er habe vielmehr noch rechtliche Bedenken prüfen wollen, ist in der Gesamtschau der Aussagen und Vorhalte nicht vollkommen glaubhaft, aber auch nicht zu widerlegen. Deutlich wurde auch, dass zwar eine Mordkommission eingerichtet wurde, die Staatsanwaltschaft aber weiterhin ein Todesermittlungsverfahren durchführte. Da sie keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden fand, unterließ sie alle weiteren Ermittlungsschritte. Allerdings wurde dabei selbst auf naheliegende Maßnahmen, wie die Auswertung der letzten Kontakte in den Handys des Toten, eine Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse oder Zeugenvernehmungen der BfV-Betreuer_innen verzichtet.

 

Vernehmung Anette Greger

folgt…

Share.

About Author

Comments are closed.