Stellungnahme NSU-Watch NRW zum Rücktritt von Nadja Lüders

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Nadja Lüders (SPD) gab heute, am 23. März, bekannt, dass sie vom Vorsitz des Nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschusses zurücktritt. In einer Stellungnahme begründete sie diesen Schritt damit, dass ihr wichtig sei, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses „nicht durch eine Diskussion um die Person der Vorsitzenden beeinträchtigt“ werde.

Der Rücktritt folgt wenige Tage nachdem Lüders veröffentlichte, dass sie 1999 den Neonazi Michael Berger als Anwältin vertreten habe. Im Jahr 2000 erschoss Berger drei Polizist_innen und richtete sich danach selbst. Die Ermittlungen zu diesen Taten sind Bestandteil des Untersuchungsauftrags. Der stellvertretende Vorsitzende, Peter Biesenbach (CDU), wird die Leitung des Ausschusses übernehmen, bis die SPD eine_n Nachfolger_in für Nadja Lüders gefunden hat.

In einer öffentlichen Stellungnahme hatte Lüders am 19. März knapp mitgeteilt:

„Ich habe im Jahr 1999 Michael Berger in einem arbeitsrechtlichen Verfahren anwaltlich vertreten. Dabei ging es um eine Kündigungsschutzklage, die keinerlei politischen oder gar rechtsextremistischen Hintergrund hatte. Dieser Vorgang hat nichts mit den im Ausschuss zu untersuchenden Vorgängen zu tun.”

Erst auf Nachfrage von Medienverteter_innen hatte die Vorsitzende eingeräumt, dass Berger im Frühjahr 2000 auch Gast auf einer Kanzleiparty gewesen sei, angeblich ohne von ihr eingeladen worden zu sein. Dass es sich bei ihrem Mandanten um einen Neonazi gehandelt habe, sei ihr nicht bewusst gewesen, als sie das Mandat übernommen habe. Berger habe nicht wie ein Neonazi ausgesehen

Lüders sah bis heute kein Problem in dem Mandat für ihre Arbeit als Ausschussvorsitzende und sagte, dass sie nicht befangen sei. Im Interview mit dem WDR äußerte sie:

„Diese anwaltliche Tätigkeit in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren hat nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun. Für mich war ganz klar, den Vorsitz kann ich übernehmen, ohne dass da irgendein Zusammenhang besteht.“

Zwar ist das arbeitsrechtliche Verfahren von Michael Berger nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses, trotzdem hatte Nadja Lüders es sich zunächst zu leicht gemacht, indem sie das Mandat für irrelevant erklärte. Immerhin stand Lüders nur wenige Monate vor den Mordtaten Michael Bergers mit diesem in einem beruflichen Kontakt. Die Rechtsanwältin-Mandaten-Beziehung schließt in der Regel auch ein Vertrauensverhältnis ein. Damit dürfte Nadja Lüders als Zeugin in Betracht kommen.

In der dritten Sitzung des Ausschusses waren recht weite Kriterien für den Status einer Zeugin gelegt worden. Heike Kleffner, Journalistin und ehemalige Mitarbeiterin der Linken-Obfrau des Bundestags-Untersuchungsausschusses, wurde auf Antrag der CDU-Fraktion in ihren Ausführungen als Sachverständige unterbrochen und musste nach einer Beratungspause die Sitzung verlassen. Ausschlaggebend war offenbar eine Äußerung Kleffners, sie habe ein Interview mit einem Neonazi geführt, der aktuell in München im NSU-Prozess als Angeklagter vor Gericht steht.

Legt man dieselben Kriterien, die der Ausschuss im Falle der Sachverständigen Kleffner formulierte, auch im Fall Lüders zugrunde, dann muss sie aufgrund ihres Mandats von Michael Berger als Zeugin betrachtet werden. Die Entscheidung, den Vorsitz des Ausschusses aufzugeben, ist somit nur folgerichtig. Trotzdem bleibt zu fragen, warum Nadja Lüders erst zu diesem späten Zeitpunkt ihr Verhältnis zu Michael Berger öffentlich gemacht hat. Nach ihrer Aussage hatte nur der SPD-Fraktionsvorstand über die Situation Kenntnis, die Obleute der anderen Fraktionen sind erst am 13. März informiert worden. Dieses lange Verheimlichen hat das Vertrauen in die Vorsitzende erheblich geschädigt.

Die SPD-Fraktion hat, nach der Berufung des (ehemaligen) Kölner Polizisten Andreas Kossiski als Obmann, zum zweiten Mal ein wenig sensibles Verhalten an den Tag gelegt und die Arbeit des Untersuchungsausschuss in der Öffentlichkeit damit belastet.

Unabhängig von der Personalie Lüders ist es wichtig, dass der Untersuchungsausschuss endlich mit seiner Arbeit beginnt. Bislang wurden lediglich – durchaus interessante – Sachverständigen-Hearings durchgeführt. Der Ausschuss ist aber noch nicht in die Beweisaufnahme eingestiegen. Einem Bericht des WDR zufolge könnte noch einige Zeit vergehen, bis damit begonnen werden kann. Die Ausschussmitglieder können zurzeit noch keine als „Vertraulich“ oder „Geheim“ eingestuften Akten lesen, da der Landtag noch immer keinen geeigneten Raum zur Aufbewahrung dieses Materials geschaffen hat. Doch gerade diese Akten dürften relevant sein.

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