Neonazis aus den Reihen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ verfügten über enge Verbindungen zu belgischen Neonazis des C18/Blood&Honour-Flügels, die als„Bloed – Bodem – Eer – Trouw“ auftraten und im September 2006 wegen Terrorverdachts von der Polizei verhaftet wurden. Der nachfolgende Artikel der „Anti-Fascistisch Front“ erschien erstmals unter dem Titel „‚Die weiße Rasse verteidigen‘. Blood & Honour Flandern“ in der Ausgabe 60/Herbst 2015 der antifaschistischen Zeitschrift LOTTA.
Am 7. Februar 2014 hat das Gericht in Dendermonde (im flämischen Teil Belgiens) sein Urteil gegen die neonazistische Gruppierung „Bloed – Bodem – Eer – Trouw“ (BBET, „Blut – Boden – Ehre – Treue“) gesprochen. Die Mitglieder waren wegen Rassismus, Leugnung des Holocaust, Waffenhandels und Terrorismus angeklagt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Gruppe Belgien destabilisieren und ein nationalsozialistisches Regime errichten wollte.
Das erste Mal trat BBET am 3. März 2001 in Erscheinung, als die Gruppe ein Konzert mit der deutschen RechtsRock-Band Jungsturm organisierte. Einen Monat später, am 20. April 2001, hielt sie ein Adolf-Hitler-Gedenken mit rund 30 Personen ab. Am 14. Juli 2001 folgte ein weiteres von BBET organisiertes Konzert, diesmal mit den deutschen Bands Oidoxie und Blitzkrieg sowie Landstorm aus den Niederlanden. 300 Zuschauer_innen fanden sich ein, darunter auch einige aus Deutschland.
BBET orientierte sich eindeutig an der britischen Neonazi-Organisation Blood & Honour – insbesondere an Combat 18, dem terroristischen Arm von Blood & Honour. So trug das von ihr herausgegebene Magazin zunächst den Namen Blood and Honour, Div. Vlaanderen – Flanders. Nach der vierten Ausgabe wurde es allerdings in Bloed, Bodem, Eer & Trouw umbenannt. Die Presse und die Behörden übernahmen diesen Namen, sodass er sich als Bezeichnung für die Gruppe etablierte. Gegründet worden war die Organisation von Joeri van der Plas aus Dendermonde, als ihr Führer galt jedoch der Berufssoldat Tomas Boutens. Der Chefideologe war Mark Horemans, der unter anderem für das Magazin der Gruppe verantwortlich war. Dem Gericht zufolge war Stijn Van Meirhaeghe die vierte Führungsperson von BBET.
Der Zugriff
2004 geriet die Vereinigung in den Fokus des belgischen Geheimdienstes, der zwei Spitzel in die Gruppe einschleuste. Zwei Jahre später, am 7. September 2006 durchsuchten rund 150 Polizist_innen 18 Wohnungen und fünf Kasernengebäude. Die Aktion erregte große öffentliche Aufmerksamkeit, unter anderem weil von den 17 in Arrest genommenen Personen, 11 Soldaten waren. Die belgische Staatsanwaltschaft veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der sie die Gruppe als eine klandestine Organisation mit „rechtsextremer, neonazistischer und nationalsozialistischer“ Ideologie beschrieb, die paramilitärische Übungen abhielt. Laut Staatsanwaltschaft hatte die Gruppe terroristische Anschläge vorbereitet, außerdem habe sie Sprengstoffe und moderne Kriegswaffen sowohl ge- als auch verkauft.
Der Prozess
Nach den Hausdurchsuchungen und Verhaftungen 2006 vergingen fünf Jahre, bis der Prozess gegen BBET am 12. Dezember 2011 begann. Für die Verzögerung sorgte unter anderem die Frage, ob der Einsatz von eingeschleusten Spitzeln überhaupt legal war. Die BBET-Mitglieder wurden zunächst auch wegen Waffenbesitzes angeklagt. Dieser Punkt der Anklage musste fallengelassen werden, da in der Zwischenzeit ein neues Waffengesetz verabschiedet worden war, das den Angeklagten die Möglichkeit gab, ihre illegalen Waffen zu melden und sie straffrei zu legalisieren.
Der rassistische Charakter der BBET stand für das Gericht außer Frage. Die Verteidigung versuchte auch nicht, den extrem rechten Charakter der Gruppe abzustreiten. Sie legte ihr Augenmerk stärker auf den Vorwurf der Gründung einer terroristischen Gruppe, worauf deutlich höhere Strafen stehen. Das von Tomas Boutens zusammengestellte White Freedom Fighter-Handbuch lässt allerdings keinen Zweifel an den terroristischen Absichten der BBET.
Der Plan
Das Handbuch bietet zahlreiche Informationen für Terroraktionen. Darin finden sich detaillierte Informationen zu Schusswaffen und Sprengstoffen sowie zur Observation von Zielpersonen. Und es beschreibt, wie sich Angreifer bei einer Verwundung zu verhalten haben. Zwischen 2002 und 2003 wurde dem Handbuch zudem eine Vorlage für ein Bekennerschreiben hinzugefügt. „Wir werden bis zum Äußersten gehen, um die weiße Rasse gegen all ihre Feinde zu verteidigen“, sagt ein maskierter Tomas Boutens auf einem Video, das die Ermittlungsbehörden in seinem Zimmer in einer Kaserne in Leopoldsburg in Belgien fanden. Und das Handbuch für „weiße Freiheitskämpfer“ solle, so Boutens, dazu beitragen. „Die Feinde“, das sind laut der Veröffentlichung unter anderen die Führer der „zionistischen und Multikulti-Lobby“.
Abgefangene SMS legen nahe, dass die BBET als Reaktion auf die damaligen Unruhen in den Pariser Banlieus plante, Migrant_innen in Brüssel zu ermorden. Unter Anderem wurde offenbar Dyab Abou Jahjah, ein bekannter belgisch-libanesischer Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist, als Ziel ausgewählt. Ebenso Filip Dewinter, Vorsitzender der extrem rechten Partei Vlaams Belang. Jahjah sollte mit einer westlichen, Dewinter mit einer im arabischen Raum produzierten Waffe hingerichtet werden. Dieser Plan folgt einer Strategie der Spannung: Die Gruppe nahm an, dass die Hinrichtungen zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Migrant_innen und den restlichen Bewohner_innen Belgiens führen würden. Die BBET sah sich selbst in der Rolle, die Situation zu befrieden und die Macht in Belgien zu ergreifen.
Das Urteil
Sogar noch während der Verhandlungdauer begingen die Angeklagten weitere kriminelle Handlungen. Tomas Boutens wurde mehrfach gewalttätig und betrieb zusammen mit Joeri van der Plas und einer weiteren Person weiterhin einen Handel mit Anabolika und Viagra. Von den insgesamt 17 angeklagten Personen wurden vier freigesprochen, darunter die Ex-Freundin von Tomas Boutens. Die Anwälte versuchten, das Verfahren in die Länge zu ziehen. So konnten sie sich über die Dauer des Verfahrens beklagen und von ihren Klienten behaupten, diese hätten sich in der Zwischenzeit zu braven Familienvätern gewandelt. Das Gericht ließ sich durch diese Taktik zwar nicht beeindrucken, das Urteil stand dennoch erst am 7. Februar 2014 fest.
Tomas Boutens wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, davon zwei Jahre auf Bewährung. Drei der Hauptangeklagten erhielten Strafen zwischen zweieinhalb und vier Jahren, teils auf Bewährung. Andere Verdächtige, darunter die Waffenhändler, von denen die Gruppe die Waffen bezogen hatte, erhielten milde Strafen. Fünf der Verurteilten legten gegen das Urteil Berufung ein, darunter drei aktive Soldaten, die das Aus für ihre Karriere befürchteten. Die Berufungsverhandlung endete am 4. November 2014. Teilweise erhöhte das Gericht in Gent das Strafmaß, teils wurden die Strafen abgemildert.
Bemerkenswert sind die Folgeaktivitäten der verurteilten BBET-Mitglieder. Einer wurde Scharfschütze und zum Schutz der belgischen Königsfamilie eingesetzt. Ein anderer bildete Mitglieder der Sicherheitsbehörden in Terrorabwehr aus. Tomas Boutens sitzt seine Strafe im Gefängnis in Hasselt ab. Den Kontakt zur Außenwelt hält er über ein Mitglied des Motorradclubs Mjölnir, der sich dem neogermanischen Heidentum verschrieben hat und dem Boutens auch selbst angehört. Er wurde zudem in den Niederlanden wegen Waffenhandels mit der Neonazi-Gruppe Ulfhednar angeklagt und verurteilt. Mark Horemans unterzog sich wegen seiner Alkoholsucht einer Therapie in Südafrika. Ein Teil der restlichen BBET-Mitglieder ist bis heute in der extremen Rechten aktiv.