Zeugenvernehmung vom 27. April 2016 – Zusammenfassung

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In der 35. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) wurde der ehemalige V-Mann Toni Stadler von der Polizei zwangsweise vorgeführt, um befragt zu werden. Er war zu seinem ersten Termin ferngeblieben, ohne eine ärztliches Attest vorweisen zu können. Als Zeugen geladen waren:

  • Jörg Szemmeitat, Hauptkommissar im Polizeipräsidium Köln
  • Toni Stadler, ehemaliger V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutz
  • Hartwig Möller, von 1999-2009 Leiter der Abteilung VI (Verfassungsschutz) im Innenministerium NRW

Zu Beginn der Sitzung erinnert der Vorsitzende Wolf an den Mordanschlag auf die Polizeibeamten Kiesewetter und Arnold, der sich am 25. April .2016 zum neunten Mal gejährt hatte.

Vernehmung Jörg Szemmeitat

Als erster Zeuge wurde der 47 Jahrr alte Jörg Szemmeitat gehört, der als Hauptkommissar im Polizeipräsidium Köln arbeitet. Die Befragung wurde durch Vorsitzenden Wolf vorgenommen, der erklärte, die Fragen mit den Fraktionen abgestimmt zu haben. Wolf bat den Zeugen zunächst zu berichten, wie er in die Ermittlungen zum Anschlag in der Kölner Keupstraße eingebunden war.

Der Zeuge Szimmeitat antwortete, dass er erst drei bis 4 Wochen nach dem Anschlag in die Ermittlungen eingebunden wurde, da weitere Kräfte für die benötigt und aus verschiedenen Abteilungen des Polizeipräsidiums Köln angefordert worden seien.

Von Wolf nach der „Spur 260“, „Stichwort Dave Copeland“, befragt, sorgte Szemmeitat für des ersten großen Lacher des Tages: „Das sagt mir nichts, kam der aus Köln?“ antwortet der Zeuge. Weitere Erklärungen des Vorsitzenden Wolf zu einem von Scotland Yard [Anm.: britische Kriminalpolizei] erstellten, rund 80 Seiten umfassenden Bericht über  die Nagelbombenanschlägen des Copeland in London 1999 und den offensichtlichen Parallelen zum Anschlag in der Keupstraße, beantwortete der Zeuge erneut mit: „Das sagt mir nichts, sind sie sicher, dass ich das bearbeitet habe?“

Dem Zeugen wurde daraufhin der von ihm unterzeichnete Abschlussbericht vom 19. Dezember 2005 vorgehalten, der Bezug auf den Bericht von Scotland Yard enthält. Der Zeuge bestätigte die Unterschrift, sagte aber: „Wenn ich das jetzt lese, das sagt mir nichts.“ An den Sachverhalt habe er keine Erinnerung, Spuren würden jeweils zu zweit abgearbeitet und diese sei vielleicht von jemand anderem bearbeitet worden. Er habe, inklusive Unterspuren, ca. 100 Spuren im Rahmen der Keupstraßen-Ermittlungen bearbeitet, diese sage ihm aber nichts. Auf Frage erwiderte er, es käme nicht häufig vor, dass ausländische Behörden Hinweise gäben, trotzdem habe er an den Bericht von Scotland Yard keine Erinnerung. Warum der Bericht nur in englischer Sprache vorläge, könne er nicht erklären. Es müsse eine Übersetzung gegeben haben, sein Englisch hätte nicht dafür gereicht, den Bericht zu lesen.

Wolf verwies sodann auf eine Anfrage an das BKA zur Person Copeland, die den dienstlichen Briefkopf Szemmeitats trägt. Auch daran hatte der Zeuge keine Erinnerung mehr. Warum in den Akten keine Antwort des BKA zu finden sei, wollte der Vorsitzende daraufhin wissen. Dies könne er nicht erklären, so der Zeuge, da er nicht für die Aktenführung zuständig gewesen sei. Nach 12 Jahren könne er sich nicht mehr erinnern, ob ein Antwortschreiben des BKA gekommen sei. Es sei eigentlich üblich nachzufragen, da aber eine andere Person für die Aktenführung zuständig gewesen sei, habe er das nicht getan.

Der Vorsitzende verwies darauf, dass der Bericht von Scotland Yard am 15.12.2005 eingetroffen, der Abschlussbericht am 19.12.2005 geschrieben worden sei. Er wollte vom Zeugen wissen, wie Szemmeitat den Bericht geschrieben habe könne, ohne das Schreiben von Scotland Yard gelesen zu haben. Es sei möglich, dass der Bericht von jemand anderem geschrieben worden sei, der das Schreiben gelesen habe und ihm eventuell mündlich berichtet habe, so die Antwort des Zeugen. Es sei durchaus möglich, dass Ermittlungen auch von anderen getätigt worden seien.

Wolf betonte, dass der Abschlussbericht zu der Erkenntnis kommt, dass Copeland wegen seiner Inhaftierung nicht für den Anschlag in der Keupstraße in Frage käme. Wolf verweist auf eine Email von Scotland Yard vom 23.09.2004, in der auf den Tätertyp „einzelner Bombenleger“ verwiesen wird. Damit sei ja seitens der britischen Kriminalpolizei nicht gemeint gewesen, dass die Kölner Polizei nach Copeland forschen solle.

Ja, da sei die Intention wohl gewesen zu ermitteln, ob es Täter gäbe, die so agieren, so Szemmeitat. In diese Richtung sei aber nicht ermittelt worden. Bestimmt sei das in Besprechungen thematisiert worden, ihm sage die Spur aber nichts, den Bericht habe er nicht gelesen und die Spuren eben nicht alleine bearbeitet. Der Kommissionleiter [Anm.: Markus Weber] habe den Bericht sicher gelesen, da er als erster sämtliche Spuren erhalte. Wenn der sich daran nicht erinnern könne, wie von Wolf vorgehalten, sei er vielleicht in Urlaub gewesen, so der Zeugte. Er habe den Bericht geschrieben und man sei wohl nur von der Frage ausgegangen, ob Copeland der Täter sein könne. Er kenne den Scotland Yard-Bericht nicht, gehe aber davon aus, dass der diskutiert worden sei, könne das aber nicht hundertprozentig sagen.

Wolf betonte, dass der Scotland Yard-Bericht donnerstags eingetroffen sei und der Abschlussbericht am folgenden Montag geschrieben worden sei. Ob dann am Freitag über den Bericht diskutiert worden sei?

Das wisse er nicht, so der Zeuge. Man habe Copeland als Täter ausgeschlossen, weil der in Haft war. Auch wenn die Intention von Scotland Yard gewesen sei, nach einem ähnlichen Tätertyp zu ermitteln, sei die Spur so nicht bearbeitet worden. Er habe den Bericht nicht gelesen, es sei aber gängige Praxis, dass Informationen mündlich weitergegeben würden und einer dann den Abschlussbericht schreibe. So könne es zu seiner Unterschrift unter dem Bericht kommen.

Der Vorsitzende Wolf erklärte, dass die Antworten des Zeugen den Untersuchungsausschuss nicht befriedigen. Man müsse im Nachhinein sagen, dass der Scotland Yard-Bericht ein konkreter Hinweis auf einen Tätertyp gewesen sei. Wäre in diese Richtung ausführlicher ermittelt worden, wäre dies ein neuer Ansatz gewesen.

Der Zeuge Szemmeitat sagte, dass die Spuren abschließend vom Kommissionsleiter gelesen und dann abgeschlossen würden. Erneut sagte er, er  könne sich an den 80seitigen Bericht von Scotland Yard nicht erinnern.

Der Obmann der CDU (Hendriks) äußert sein Unverständnis, dass der Zeuge offensichtlich völlig unvorbereitet erschienen sei. Hätte er sich vorbereitet, dann wäre er wohl auf den Namen Copeland gestoßen. Daher sei es sehr irritierend und kaum zu glauben, dass dieser Name dem Zeugen unbekannt sei. In dem Bericht von Scotland Yard sei es nicht um die Frage gegangen, ob Copeland der Täter sei. Wenn der Kommissionsleiter Weber abschließend die Akte gelesen habe, habe dieser denn auf diesen Widerspruch hingewiesen und nachgefragt?
Das sei nicht passiert, so der Zeuge Szemmeitat.

Damit endet nach etwas über einer halben Stunde die Befragung des Zeugen und hinterlässt erhebliche Verärgerung und Ratlosigkeit bei allen Anwesenden. Wie so oft schon nach der Vernehmung von ZeugInnen der Polizei oder des Verfassungsschutz steht die Frage im Raum, ob ein derartig schludriger Umgang mit zentralen Hinweisen und Spuren nur einer Beamtenmentalität („dafür war irgendwer anderes zuständig“) geschuldet ist, oder ob zentrale Spuren bewusst nicht weiterverfolgt wurden. Unerklärlich ist, warum der Zeuge nach wenigen Tagen den Abschlussvermerk zu einer Spur schreiben konnte, deren Inhalt er nach eigenen Aussage nicht gelesen hat. Das von der britischen Kriminalpolizei verfasste, unaufgefordert der Kölner Polizei zugesandte Schreiben zu ähnlichen Nagelbombenanschlägen eines extrem rechten Täters war ein deutlicher Hinweis, einen rechtsmotivierten Tathintergrund in den Blick zu nehmen und nach einem rassistischen Täter zu suchen. Der Umgang mit dieser Spur, die von dem zuständigen Ermittlungsleiter Weber abgenommen wurde, zeigt einmal mehr, dass die Kölner Polizei 2004 nicht willens war, nach Rechts zu ermitteln.

Vernehmung Toni Stadler

Als zweiter Zeuge wurde, kurzfristig angekündigt, Toni Stadler vernommen.Er wurde polizeilich vorgeführt, nachdem er im Februar einer Vorladung zum Untersuchungsausschuss nicht nachgekommen war.

Stadler wurde zunächst vom Vorsitzenden Wolf befragt. Der 41jährige Stadler gab an, freiberuflich als Mediengestalter zu arbeiten. Der Zeuge wirkte nervös. Zu seinem Lebenslauf befragt, sagt Stadler, er sei „nicht freiwillig hier“, und seine Daten seien bekannt. Er sei 2003 nach Dortmund gezogen, stamme nicht aus Sachsen oder Thüringen und habe dort auch nicht gewohnt oder sich länger aufgehalten. Seit 2002 habe er mit der rechten Szene nichts mehr zu tun. Wie der Spitzname „Sachsen-Toni“ entstanden sei, wisse er nicht. Vielleicht passe der in irgendwelche Klischees, so der Zeuge.

2003 sei er in die Schleswigerstraße in der Dortmunder Nordstadt gezogen. Er betonte, dass er niemanden „auf der Tasche liege“. Zu seinen Kunden gehörten ein bis zwei Werbeagenturen und Privatkunden, die er nicht weiter benennen wolle. Vom Mord an Mehmet Kubaşık habe er aus der Presse erfahren. Er habe den Kiosk aber nie betreten und habe nicht gewusst, dass dieser sich in der Nordstadt befinde. Mehmet Kubaşık sei ihm völlig unbekannt gewesen, auch niemand seiner Bekannten habe ihn gekannt.

Personen aus der rechten Szene kenne er in Dortmund keine. Nach seinen Umzug nach Dortmund habe er keine Kontakte in die Szene mehr gehabt. Er habe früher Kontakte in der Musikszene gehabt, aber Marko Gottschalk nicht gekannt. Die Band „Oidoxie“ sei ihm bekannt gewesen, er habe aber die Bandmitglieder nicht persönlich gekannt und keine CDs produziert.

Nach Kontakten zu anderen Bands gefragt, wich Stadler zunächst aus. Dann nannte er doch einige Bands, die ihm bekannt seien: HKL [Anm.: Hauptkampflinie] Landser, Spreegeschwader, Noie Werte habe er gekannt, die Kontakte seien unterschiedlich gewesen, Bandmitglieder lerne man eben kennen. Er habe Musik solcher Bands vertrieben und sei dafür verurteilt worden.

Kontakte zu der sehr aktiven Szene in Dortmund habe er keine gehabt, so der Zeuge- Die Band „Oidoxie“ habe er zwar gekannt, aber keinen direkten Kontakt zu der Band gehabt, deren CDs nicht vertrieben und auch keinen Kontakt zu Händlern der CDs gehabt. „Oidoxie“ sei Ende der 1990er Jahre in der Szene auch kein „Zugpferd“ gewesen. Dies sei alles gewesen, was verboten war, so der Zeuge.

Der sehr red- und leutselig auftretende Stadler betont, wie in der Folge noch oft, dass er keinen Grund habe zu lügen oder jemanden zu decken. Er habe die Band definitiv nicht gekannt und würde sagen, wenn es so gewesen wäre. Auch Marko Gottschalk sei ihm persönlich nicht bekannt. In rechten Szenekneipen sei er nie gewesen. Nach seinem Umzug nach Dortmund habe er keine Musik-CDs mehr vertrieben. Vom Mord an Mehmet Kubaşık habe er aus Presse und Fernsehen erfahren. Er wohne nur in relativer Nachbarschaft zu dem Kiosk. Von seiner Wohnung bis zum Kiosk seien es rund 750 Meter, man laufe etwa 10 Minuten. In der Nachbarschaft und in seinem näheren Umfeld habe man sich nicht weiter über den Mord unterhalten. Er habe sich erst 2011 näher mit der Sache befasst.
Das Fragerecht wechselte zur CDU fortgeführt. Heiko Hendricks fragte, warum er der Zeuge 2003 nach Dortmund gezogen sei. Antwort: Berufliche und private Gründe hätten ihn dazu bewogen, so Stadler. Hendriks betonte daraufhin, dass es wohl andere Städte mit einer weniger aktiven Nazi-Szene gäbe, die sich anbieten würden, wenn man sich von der Szene loslösen wolle.

Wenn man in einer Stadt niemanden kenne, sei es einfacher als z. B. in Dresden, wo er bekannt sei, so Stadler. Er wiederholte, dass es berufliche und private Gründe für den Umzug gegeben habe und dass keine Behörde ihn zu dem Umzug gedrängt habe.

Stadler wurde daraufhin die Vernehmung durch das BKA vom 14.02.2012 vorgehalten. Dort habe er ausgesagt, früher Kontakte nach Dortmund gehabt zu haben, heute aber nicht mehr. Hendricks möchte konkrete Bands und Personen aus NRW wissen, zu denen er Kontakt hatte.

„Notwehr“ [Anm.: aus dem Raum Velbert] habe er persönlich gekannt, aber heute habe er keinen Kontakt mehr. Zu „Sturmwehr“ [Anm.: damals aus Gelsenkirchen] habe er Kontakt gehabt, wisse aber keine Namen mehr. „Landsturm“ [Anm.: aus dem Raum Köln] sei eine weitere Band gewesen. Er sei für die Bands nicht geschäftlich tätig gewesen und er hätte nur telefonisch Kontakt gehabt. Das sei aber lange her. Borchardt, Gottschalk, Schmiemann und Seemann habe er nie getroffen oder gesprochen. Von Seemann habe er erst gehört, als dieser abgetaucht war.

Hendricks hält Stadler die Aussage aus seiner BKA-Vernehmung vor, er habe „in Sachsen zu tun gehabt“. Und bittet ihn, dies zu konkretisieren. Stadler antwortet ausweichend. Hendriks kenne ja sicher auch viele Leute in Köln und Düsseldorf, an die er sich nicht alle erinnern könne.

Er habe in Sachsen nie gewohnt oder genächtigt und sei nur an Wochenenden dort gewesen. Sachsen sei das Nachbarbundesland gewesen, er habe mit so vielen Leuten Kontakt gehabt, 100 Nehmen seien es sicher gewesen. Sein Hauptkontakt sei Mirko Hesse gewesen, gibt Stadler auf weitere Nachfragen an. Den habe er öfters getroffen und ihm CDs abgekauft.

Hendricks hält ihm das Protokoll einer Gefährdungsanalyse vor, wonach er Kontakte nach Erfurt und Weimar gehabt haben soll, und „weitere Kontakte nach Thüringen, die er nicht nennen will“. In Weimar habe er Kontakt zu einer Person G. gehabt, die eine Textildruck-Firma gehabt habe, so der Zeuge. Den habe er regelmäßig telefoniert und ihn regelmäßig besucht. In Erfurt habe er keine Kontakte gehabt, daran würde er sich erinnern. Er könne sich vorstellen, dass Mitglieder des „Thüringer Heimatschutztes“ Kunden bei G. gewesen seien, das läge auf der Hand. Er habe aber nur geschäftliche Beziehungen zu G. gehabt, sich mit ihm getroffen, die Ware entgegengenommen und bezahlt. Über Gs. Kundschaft habe man sich nicht unterhalten. Kontakt zu dem „MC Berserker Sprengberg“ habe er gehabt. Man habe sich beim Bier getroffen, auch auf Konzerten sei er dort gewesen. Das seien keine klassischen Skinheadkonzerte gewesen. Es hätten z.B. Black Metal Bands dort gespielt. Kontakte zu „Blood & Honour“ habe es nicht gegeben.

Die Befragung wurde von der SPD fortgesetzt, deren Obmann Andreas Kossiski nach der Entscheidung für den Umzug nach Dortmund fragt. 2003 habe Stadler mit Racheakten aus der rechten Szene gerechnet. Warum er sich dann ausgerechnet Dortmund ausgesucht habe, das ein Hotspot der rechten Szene gewesen sei, und damit quasi in die Höhle des Löwen gezogen sei, wollte Kossiski wissen.

Stadler antwortete, dass ihm dies nicht bekannt gewesen sei. Er hätte bei Dortmund keine Bedenken gehabt. Außerdem sei er nie Mitglied in Parteien gewesen.

Kossiski sagte, man habe im Untersuchungsausschuss gelernt, dass die rechte Musikszene der Punkt der Vernetzung sei. Genau an diesem Punkt habe Stadler gewirkt und es sei unglaubwürdig, dass er in Dortmund niemanden gekannt haben will.

Dortmund sei vielleicht ein Hotspot politischer Akteure gewesen, erwiderte Stadler, aber nicht für die Musikszene. Es habe ja nicht einmal einen Szeneladen gegeben. Grund für den Umzug sei ein Weiterbildungsangebot gewesen und ein in Essen ansässiger Kollege, mit dem er zusammengearbeitet habe. Durch Ämter oder Behörden sei er nicht dahingehend beeinflusst worden, nach Dortmund zu ziehen.

Kossiski zeigt dem Zeugen ein Dokument, in dem von einem Anruf eines nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzmitarbeiters mit dem Namen Blank auf dem Handy der „Schutzperson Stadler“ bei der Brandenburger Polizei die Rede ist. Der Zeuge antwortete, dass ihm dies nichts sage. Nach dem Umzug aus Brandenburg habe er keinen Kontakt mehr zu igrendwelchen Diensten gehabt.

Kossiski hält ihm das Protokoll einer Vernehmung von Sebastian Seemann im Polizeipräsidium vor. Bei der Vernehmung wurden Seemann Lichtbilder vorgelegt, darunter eines von dem Zeugen. Seemann soll gesagt haben, dass er Stadler bei einer Party gesehen haben könnte. Stadler bleibt dabei, Seemann nicht zu kennen. Seemann habe ja auch für das LfV gearbeitet, vielleicht kenne Seemann ihn deshalb. Auf eine Frage antwortet Stadler, dass er zwischen 2003 und 2006 Gast in dem Dortmunde Club „Spirit“ gewesen sei.

Vom Vorsitzenden Wolf nach dem Zusammenhang von rechter Szene und Musik befragt, sagt Stadler, er habe nur Musik vertrieben, das sei ein Unterschied. Auch wenn er sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert habe, sei er nie Mitglied in Parteien wie FAP oder NPD gewesen, oder zu deren Versammlungen eingeladen worden. Der „Thüringer Heimatschutz“ sei ihm ein Begriff gewesen, er habe aber keine Kontakte gehabt. Dies wäre möglich gewesen, wäre aber nicht passiert. Die Ideologie habe er damals aber geteilt. In Berlin und Brandenburg sei Dortmund eher als prollig verschrien gewesen, da liefe man noch in Bomberjacken und Springerstiefeln rum. Die Kneipe „Spirit“ sei kein rechtes Szenelokal gewesen, die wären da eher rausgeflogen. Er habe in Dortmund die Szene gemieden. Auf Frage sagte Stadler, seine Telefonnummer habe er noch nie gewechselt. Anrufe von „alten Freunden“ bekäme er nicht. Ein- zweimal hätte er Anrufe bekommen, ohne dass der Anrufer etwas gesagt hätte.

Verena Schäffer von den Grünen setzte die Befragung fort. An den Zeugen gerichtet sagte sie, auf die Frage nach bekannten Bands habe er „Notwehr“ aus Velbert genannt. Ob ihm auch das „Nationale Forum Niederberg“ bekannt sei? Stadler antwortete, dies nicht zu kennen. Verena Schäffer machte daraufhin einen Vorhalt und zeigte dem Zeugen ein Dokument, in dem er das „Nationale Forum Niederberg“ aufgeführt habe, weil er sich durch die Grupoe gefährdet fühle.

Damals sei eine Gefährdungsanalyse durch die Polizei erstellt worden, aus der das wahrscheinlich stamme, so Stadler. Der Zeuge musste zugeben, dass das vorgelegte Dokument seine Handschrift trägt. Er habe dies geschrieben, kenne aber die Band „Nationales Forum Niederberg“ nicht. Es gäbe für ihn keinen Grund, das zu leugnen. Der Name sei ihm aber nicht mehr in Erinnerung. In Velbert habe er die Band „Notwehr“ gekannt, und ein paar andere Leute. Vielleicht sei ihm das „Forum“ damals bekannt gewesen, heute aber nicht mehr. Er sei nicht auf Konzerten dieser Band gewesen. Auch auf „Oidoxie“-Konzerten sei er nicht gewesen. Befragt zu dem Bandprojekt „German Ultras“ antwortete Stadler, dies sage ihm etwas, aber Genaueres wisse er nicht mehr. Schäffer führte aus, dass die „German Ultras“ ein Bandprojekt von Mitglieder von „Oidoxie“ und „Notwehr“ gewesen seien. Der Zeuge sagte, dass die Mitglieder der Band „Frontalkraft“ aus Cottbus seien enge Freunde von ihm gewesen. Dieter Koch aus Sprockhövel sei ihm bekannt, der habe die ersten 2-3 CDs von „Frontalkraft“ produziert. Den kenne er auch persönlich, habe aber nach 2003 keinen Kontakt mehr gehabt.

Zu Nico Schiemann habe er persönlichen Kontakt gehabt. Von dessen Umzug nach Dortmund habe er erst später gehört und ihn in Dortmund nicht getroffen. Mit der Szene und dem LfV habe er zuletzt 2002 Kontakt gehabt. Schiemann würde wohl nichts von seinem Umzug gewusst haben. Für ihn sei er auch keine Bedrohung gewesen, das sei eher ein harmloser Kerl. Michael Kratz sei ihm nicht bekannt,so der Zeuge.

Stadler habe gesagt, dass er nach seinem Umzug keine Musik mehr vertrieben habe, warum er dann aber ein gemeinsames Konto mit einem Alexander Wagner gehabt habe, fragte Schäffer. Der sei Grafiker und man habe zusammen gearbeitet, Interfaces und Internetseiten erstellt, antwortete der Zeuge. Er habe Wagner lediglich fünf alte Rechtsrock-CDs zum Verkauf gegeben. Wagner sei jemand, der am Wochenende auf Houseparties ginge und bunte Hemden trüge, Kontakte zur Szene habe er keine.

Die Namen Michael und Antje Probst sagten ihm nichts, er müsse die Spitznamen wissen. Jan Werner habe er einmal gesehen, als er mit Mirko Hesse nach Chemnitz wollte, aber nicht gesprochen. Er habe Werner nicht gekannt, es sei aber bekannt gewesen, dass dieser 2000 die Landser-CD produziert habe. Mit Hendrik Lasch habe er telefoniert und ihn getroffen. Dabei sei es um Klamotten gegangen. Lasch sei aus der Szene ausgestiegen und habe „normale Klamotten verticken“ wollen. Die untergetauchten Neonazis [Anm.: das NSU-Trio] seien in Chemnitz kein Thema gewesen.

Die Befragung wurde von Monika Düker (Die Grünen) fortgeführt, die Stadler nach dessen Kontakten zu dem Brandenburger Neonazi Carsten Sczepanski [Anm.: V-Mann „Piato“] fragte. Sczepanski habe er einige Male getroffen, antwortete Stadler. Sczepanski sei ein NPD-Kader aus KW [Anm.: Königs-Wusterhausen], der für die Jüngeren in der Szene ein Guru gewesen sei. Ob ihm bekannt gewesen sei, dass Sczepanski in den 90er Jahren wegen Mordversuchs an einem Nigerianer verurteilt worden war, könne er nicht mehr sagen, er habe sich mit Sczepanski nicht beschäftigt, so Stadler. Der Hinweis, dass Jan Werner Waffen für das Trio besorgt haben soll, sei ihm nicht bekannt. Sczepanski habe er auf Demos getroffen und ihm T-Shirts für seinen Laden geliefert. Dass dieser im Laden von Antje und Michael Probst gearbeitet haben soll, sei ihm nicht bekannt. Den Laden „Sonnentanz“ kenne er, sei aber nie dort drin gewesen.

Ihm sei kein B&H-Mitglied bekannt, so Stadler. Mitglied der Hammerskins sei er auch nicht gewesen. „Da wird man nicht einfach Mitglied“. Er habe auf geschäftlicher Basis mit „Hammerskins“ zu tun gehabt.

Die FDP (Gebauer)führte die Befragung fort, die wissen wollte, warum er eben bei der Erwähnung des Namen Schiemanns so süffisant gelächelt habe. Darauf Stadler: Schiemann halte er nicht gerade für eine Intelligenzbestie, der stünde nicht mit beiden Beinen im Leben. Deshalb habe er bei dessen Erwähnung süffisant gelächelt. Die FDP fragte wiederum nach der Motivation für den Umzug nach Dortmund. Stadler wiederholt die schon zuvor genannten beruflichen und privaten Gründe. Kontakte zur Szene habe er vermieden, Dortmund sei nicht als Hotspot der rechten Musik-Szene bekannt gewesen. Er sei sicher gewesen, dass ihn dort niemand kenne.

Zur Mitgliedschaft in einer AG Schießsport einer Reservistenkameradschaft der Bundeswehr erklärte Stadler, er habe seinen Wehrdienst abgeleistet, dort würde jeder angesprochen. Er habe zunächst abgelehnt, Mitglied zu werden. Ein halbes Jahr später habe ihn ein Major der Bundeswehr angesprochen, der für die Gründung einer eine Reservistenkameradschaft und deren Vorstand noch Leute suchte. Stadler habe eingewilligt, die Reservistenkameradschaft sei daraufhin gegründet worden. Personen aus NRW und Dortmund seien dort nicht Mitglied gewesen, das sei wohl auch etwas ungewöhnlich für den Raum Berlin.

Die Befragung wird von der Piratenfraktion fortgesetzt. Auf die Frage von Birgit Rydlewski antwortete er, die „Wanderjugend Gibor“ sei ihm bekannt. Sie sei von einem Studenten der TU Dresden gegründet worden und völkisch orientiert gewesen. Er sei zweimal mitgelaufen. Auch die „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ sei ihm bekannt, Mitglied sei er dort aber nicht gewesen. Zu den „Bandidos“ habe er keine geschäftlichen Kontakte gehabt.

Hausverbot in der Kneipe „Spirit“ habe er nicht gehabt. Es habe einmal Ärger gegeben, aber er habe kein Hausverbot bekommen. Birgit Rydlewski hielt dem Zeugen daraufhin ein Vernehmungsprotokoll vor, aus dem hervor ginge, dass er gegenüber dem BKA ausgesagt hab, im „Spirit“ Hausverbot zu haben. Er habe das nicht beim BKA ausgesagt, erwiderte Stadler. Rydlewski las vor:„Ich habe jahrelang Hausverbot gehabt“, so werde Stadler in dem Protokoll zitiert. Da es sich aber um kein Wortprotokoll handele, sei das keine belegbares Zitat, so der Vorsitzende Wolf, der sich in den Disput einschaltete.

Zu dem Verfahren gegen Alexander Wagner wegen Volksverhetzung könne er nichts weiter sagen. Sein Stand sei, dass das Verfahren eingestellt worden sei und Wagner alle Gegenstände wiederbekommen hätte. Er habe ihm damals einen Rechtsanwalt empfohlen.

Die zweite Fragerunde leitete der Vorsitzende Wolf ein. Ob er als Designer gut verdient habe, wollte Wolf als erstes wissen. Er sei immer zweigleisig gefahren und hätte nie nur eine Sache gemacht, so Stadler. Auf die nächste Frage antwortete er, ein Auto habe er nicht besessen, aber ein „Ticket 2000“ [Anm.: Monatsticket für den ÖPNV im Ruhrgebiet]. Er sei nicht ausschließlich mit „Taxi-Tom“ gefahren, sondern auch mit der U-Bahn. Er führe aber auch heute noch Taxi. 2006/2007 habe er drei bis vier Stamm-Taxifahrer gehabt, die ihn an Wochenenden gefahren hätten. Thomas Müller habe er 2003 zum ersten Mal getroffen. Der habe ihn etwa 10-20 mal gefahren. Er würde aber nicht mehr mit Müller fahren, da dieser versucht habe, ihn zu „bescheißen“. Er gehe davon aus, dass Müller ihn 2006 auch gefahren habe. Allerdings habe dieser ihn niemals zum Dortmunder Hauptbahnhof gefahren oder zu einem NPD-Treffen. Müller steigere sich in Lügen hinein, das sei alles erstunken und erlogen, so Stadler.

An den 1.04.2006 könne er sich nicht erinnern. Es könne sein, dass er Müller angerufen habe, ihn abzuholen. Er habe ihn aber nicht beauftragt, ihn von zu Hause zum Hauptbahnhof zu bringen. Er sei zwar öfter mit dem Taxi zum Hauptbahnhof gefahren, aber niemals mit Müller und nur zu dem Zweck dann mit der Bahn weiter zu fahren.

Wolf verwies noch einmal auf die ausführliche Aussage Müllers, nach der er am 1.04.2006 nachmittags von Stadler angerufen worden sei und ihn zum Hauptbahnhof bringen sollte, da er Freunde aus Thüringen erwarte. „Ich sage, der lügt“, antwortete Stadler. Müller habe auch behauptet, er habe Waffen in Tschechien gekauft, was ebenfalls nicht stimme. Müller halte die Justiz und die Polizei zum Narren. 2002 habe er Freunde in Thüringen gehabt, aktuell aber nicht mehr. An Besuch im Jahre 2006 könne er sich nicht erinnern.

Ob Müller sich diese seitenlange Aussage ausgedacht habe, wollte Wolf wissen. Daraufhin erzählte der Zeuge, er habe mit dem BKA telefoniert, nachdem er durch die Medien von Müllers Aussage erfahren habe. Man habe u.a. seine VISA-Card gecheckt. Der BKA-Beamte habe ihm einen Rat mitgegeben, er habe gesagt: „Herr Stadler, wenn Sie einen Rechtsbeistand haben, versuchen Sie vorzugehen gegen den Spinner“.

Er könne nicht ausschließen, dass er am 1.04.2006 mit Müller gefahren sei, wohl aber, dass er Besuch erhalten hätte. Es sei gelogen, dass am Hauptbahnhof zwei Personen zugestiegen seien. Es sei auch unwahr, dass eine Frau dann in seiner Wohnung gewartet hätte, während er mit seinem Kumpel trinken gegangen wäre. „Sie lassen sich zum Narren halten von einem stadtbekannten Spinner. Fragen Sie mal nach Taxi-Tom, dann erhalten Sie die Antwort Spinner, Arschloch, Betrüger“, so Stadler. Auch in der Kneipe „Deutscher Hof“ sei er nicht gewesen und anschließend in ein Bordell gefahren. Er habe sich kundig gemacht und die Auskunft erhalten, dass der „Deutsche Hof“ schon vor seinem Umzug nach Dortmund geschlossen worden wäre.

Im Taxi habe einer der beiden Zugestiegenen in einen Rucksack gegriffen und Stadler eine Waffe gegeben, zitierte Wolf aus dem Vernehmungsprotokoll von Thomas Müller. Das sei alles absurder Quatsch, antwortete Stadler. Es sei zum Lachen, wenn der Hintergrund nicht so traurig wäre. Das Ganze wäre eine komplette Abenteuerstory. Die beiden Uwes habe er nicht gekannt, daran würde er sich erinnern und hätte das dann auch bereits ausgesagt.

Die CDU setzte die Befragung fort und wollte wissen, wie sich der Zeuge auf die Sitzung vorbereitet habe. Er habe sich auf die Sitzung vorbereitet, indem er sich vieles in Erinnerung gerufen und im Internet recherchiert habe, so der Zeuge. Allerdings nur über Dinge, die ihn selbst beträfen, nicht über die Mitglieder des Ausschusses. Es sei möglich, dass er sich z.B. in der Mediathek des WDR Berichte über den Ausschuss angesehen hätte.

Woher er wisse, dass die Abgeordnete Rydlewski aus Dortmund komme, möchte Hendriks wissen. Stadler hatte Rydlewski in der ertsen Fragerunde namentlich angesprochen, als diese ihn zu der Kneipe „Spirit“ befragte. Das sei eine Kneipe, wo sie auch hingehen würde, so Stadler. Rydlewski habe in seinem Wahlkreis kandidiert, daher kenne er sie, antwortete Stadler. Thomas Starke sei er nie persönlich begegnet. Er habe erst im Nachgang erfahren, wer Starke ist.

Starke sei eine zentrale Figur gewesen, wie Stadler auch, was Materialien und andere Artikel anginge, so Heiko Hendriks (CDU). Wie Stadler sich den Eindruck erkläre, dass er sich und seine Bedeutung in der Szene hier klein rede. Er habe dort gutes Geld verdient.

Das läge daran, dass in der Öffentlichkeit das Klischee vorherrsche, die Szene sei eine einheitliche Gruppe, antwortete Stadler. Das sei aber nicht der Fall. Man habe seinen Bereich, in dem man aktiv sei. Ansonsten gelte, je weniger man wisse, desto weniger kann man aussagen. Man wolle nicht in die Öffentlichkeit, wenn man solche Handelssachen mache.

Wie er heute ideologisch zu den Inhalten der rechten Szene stünde, fragte Hendricks. Es sei eine intensive Zeit gewesen, in der er viele Leute kennengelernt habe. Er habe sich nicht mit Ruhm bekleckert, aber er wolle die Zeit nicht leugnen und auch nicht missen. Er sei niemand, der zur „anderen Feldpostnummer“ renne, um sich zu profilieren. Er stünde heute „mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes, wie man das so sagen muss“, das müsse man auf die Frage doch wohl antworten, so Stadler.

Die Grünen setzen die Befragung fort. In Kassel sei er einmal in den 1990er Jahren umgestiegen, so Stadler. Im April 2006 sei er nicht dort gewesen. Es sei ihm bekannt, dass es „Combat 18“-Strukturen in Deutschland gegeben habe. Er habe dazu aber keine Beziehung gehabt und habe keine Ahnung, kenne keine Leute. Das „Combat 2000“-Magazin sei ihm namentlich bekannt, was darin gestanden habe, wisse er aber nicht. [Anm.: Mindestens 3 Ausgaben des„Combat 2000“-Zine erschienen Anfang der 2000 Jahre, die Macher kamen vermutlich aus Brandenburg. Das Zine bezog sich offen auf die Ideen von „Combat 18“ und veröffentlichte auch Bombenbauanleitungen sowie eine Liste mit Adressen jüdischer Einrichtungen.] An der Produktion des Zines sei er nicht beteiligt gewesen. Es habe viele Zines mit martialischen Namen gegeben. Ob „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ zur „Combat 18“-Struktur gehört hätten, könne er nicht sagen, da diese konspirativ gewesen sei. Er kenne auch keinen „Combat 18“-Vertreter aus Dortmund.

Ob er in der rechten Musik-Szene viele Konzerte besucht habe, fragte die FDP. Dort sei er oft gewesen, aber nicht an jedem Wochenende. Quittungen habe er bei seinen Fahrten mit „Taxi-Tom“ nicht bekommen, das seien „Halli-Galli-Fahrten“ gewesen, keine geschäftlichen.

Müller sei einmal in seiner Wohnung gewesen, antwortete Stadler auf die Frage der Piraten. Druckerzeugnisse für die NPD habe er niemals hergestellt. Dem BKA habe er zur Überprüfung seine Flyeralarm-Zugangsdaten zur Verfügung gestellt. Den Kontakt zu Müller habe er abgebrochen, weil dieser ein unehrlicher Mensch sei, was man schnell merke. Es hätten ihn auch viele vor Müller gewarnt. Irgendwann habe er gemerkt, dass Müller Kunden „bescheiße“. Von einem Kollegen habe Müller z. B. einen Laptop gekauft und diesen nie vollständig bezahlt. Müller sei damals immer in die Kneipen hereingekommen und die Leute hätten ihn gefragt, warum er denn mit dem fahre. Zunächst habe er ihn dann noch verteidigt. Die Aussagen gegen ihn hätte er seiner Meinung nach gemacht, um Anerkennung zu bekommen. Auch auf Nachfrage konnte der Zeuge nicht genauer erklären, was der genaue Anlass für ihn war, den Kontakt mit Müller abzubrechen. Den Namen Thomas Adolf höre er zum ersten Mal. Dass dieser ihn 2003 als Verräter habe erschießen wollen, ebenso. Eine „SS-Division Götterdämmerung’“ sei ihm nicht bekannt. Ebenso kenne er einen Kai Schräder von „Landsturm“ nicht. Mit dem Staatsschutz Dortmund habe er nur einmal zu tun gehabt. Der wäre vorbeigekommen, als seine Mutter verstorben sei. Dies sei der einzige Kontakt gewesen.

Die letzten Fragen stellte die CDU: Den Namen Thorsten Heise kenne er, antwortete Stadler. Entgegen eines Vermerkes des BKA habe er mit Heise aber nur des Öfteren telefoniert, ihn aber nie getroffen. Zu Tino Brandt habe er keine Verbindung gehabt. Er habe wohl einmal auf einem Konzert neben ihm gestanden, sich aber nie mit ihm unterhalten.

Fazit: Nach anfänglich schlechter Laune, offensichtlich verursacht durch die polizeiliche Vorführung, gab sich Stadler während der gesamten Vernehmung äußerst redselig. Besonders wichtig war es ihm mitzuteilen, dass er nichts zu verbergen habe und keine Informationen zurückhalte. Die NSU-Mitglieder habe er nicht gekannt und auch nie getroffen. Die Aussagen des Thomas Müller seien Lügen. In Dortmund habe er keinen Kontakt zur rechten Szene gehabt. Stadler war ansonsten äußerst bemüht, seine Rolle in der Szene kleinzureden. Außer Mirko Hesse will er keine der zentralen Personen der „Blood & Honour“-Szene jemals persönlich begegnet sein.

Vernehmung Hartwig Möller

Als dritter Zeuge des Tages wurde der 71jährige Hartwig Möller vernommen. Möller war von 1991 bis 1999 Leiter der Abteilung VI (Verfassungsschutz) im nordrhein-westfälischen Innenministerium. Möller war bereits 2012 im Deutschen Bundestag angehört worden.

Möller betonte, dass der politische Hintergrund des Anschlages in der Probsteigasse in Köln während seiner Dienstzeit unbekannt gewesen sei. Er habe den Anschlag nie auf den Tisch bekommen, erst 2011 sei bekannt geworden, dass es sich nicht um einen „normalen“ Anschlag gehandelt habe. Der Verfassungsschutz sei nicht tätig geworden, da die für die Ermittlungen zuständige Polizei habe keine Anfragen gestellt habe. Eigene Hinweise habe man auch nicht gehabt. Damit wiederholte Möller seine bereits aus dem Bundestag bekannten Aussagen.

Beim Anschlag in der Keupstraße sei man sofort informiert worden und habe alle Hebel in Bewegung gesetzt um zu sehen, was man habe beitragen können, so der Zeuge. Man habe Organisierte Kriminalität, Konflikte zwischen Kurden und Türken und einen fremdenfeindlichen Anschlag in Betracht gezogen . Zu allen Bereichen seien Quellenbefragungen durchgeführt worden, die aber zu keinen Ergebnissen geführt hätten. Da sich in den den Abgeordneten vorliegenden Akten offenbar keine dokumentierten Quellenbefragungen fanden, erklärte Möller, dass solche Quellenabfragungen nur mündlich durchgeführt wurden. Ihm sei dann mitgeteilt worden, dass die Quellen keine Informationen hätten.

Das im PUA bereits mehrfach angesprochene „Dossier“ des BfV von Juli 2004, in dem ein möglicher rechtsterroristischer Hintergrund des Keupstraßen-Anschlags diskutiert und der Fall in den Kontext der Anschläge des David Copeland und von „Combat 18“ gesetzt wurde, sei ihm nicht bekannt gewesen, bekräftigte Möller. Die Abteilungsleiter würden in der Regel durch die Gruppenleiter informiert, wenn ein Vorgang als relevant eingestuft würde. Die Relevanz sei bei der Auswertung wohl nicht erkannt worden. Möllers Ansicht nach sei In der Abteilung gut gearbeitet worden, es habe viele Versammlungen mit den Sachbearbeitern gegeben, aber Fehler könnten immer wieder passieren.

Mitarbeiter seien oft zum Austausch beim BfV gewesen. Es habe verschiedene Ebenen des Austausches gegeben: Arbeitskreise, Amtsleitergespräche, die Innenministerkonferenz. Der Phänomenbereich Rechtsextremismus sei, ebenso wie Islamismus, ständiger Tagesordnungspunkt gewesen. Broschüren wie das „BfV Spezial 21“ [Anm.: das sich mit der Gefahr eines bewaffneten Kampfes durch Rechtsextremisten befasste] würden auf dem kleinen Dienstweg übermittelt und nicht auf den Konferenzen verhandelt. Von der Broschüre „BfV Spezial Nr. 21“ aus dem Jahr 2004, in der u. a. auch die Namen des NSU-Trios auftauchten, habe er nie gehört. Die Namen der Täter habe er in seiner Dienstzeit nie gehört.

Möller betonte, dass der vormalige NRW-Innenminister Schnoor, der ihn in den Verfassungsschutz holte, jemand gewesen sei, der das Thema Rechtsextremismus sehr hoch gehalten habe. Rechtsextremistischer Terror sei immer ein Thema gewesen und die Abteilung 1999 sehr gut ausgestattet. Bei einer Klausur der Fachleiter sei danach gefragt worden. Man sei damals davon ausgegangen, dass es keine „rechte RAF“ gäbe. Dazu fehlte es an Köpfen und Strukturen und die Szene sei nicht in der Lage, so etwas geheim zu halten. Die Affinität zu Waffen und Gewalt sei bekannt gewesen. Es sei durchaus vorstellbar gewesen, dass es Kleinstgruppen geben haben könne, man habe aber nichts dergleichen gesehen. Es habe auch keine Bekennerschreiben gegeben. Aus heutiger Sicht sei diese Einschätzung falsch gewesen, so Möller.

Die Turner-Diaries, die Anschläge von Copeland, Combat 18 in Großbritannien seien bekannt gewesen. Die Frage einer C18-Gruppe in NRW sei zu seiner Zeit aber nicht aufgekommen, behauptete Möller.

Sie seien das erste Landesamt gewesen, in dem sich zwei wissenschaftliche Mitarbeiter mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandergesetzt hätten. Die Aufgabe sei Prävention gewesen, es seien Vorträge erarbeitet worden, die vom Bereich Öffentlichkeitsarbeit oder den Referaten angefordert worden seien.

Die weitere Befragung drehte sich um das nicht an die Kölner Polizei weitergeleitete Dossier des BfV. Der Vorsitzende Wolf hielt Möller vor, dass die Nichtweiterleitung gravierende Konsequenzen hatte und stellt die Frage, ob es sich um ein Versäumnis oder bewusstes Zurückhalten gehandelt habe.

Warum das Dossier von seiner Gruppenleiterin Cornelia de la Chevallerie nicht weitergeleitet wurde, kann Möller nicht erklären. Die Weiterleitung  sei eigentlich ein normales Verfahren, das Dossier hätte im Zweifel weitergegeben werden müssen. Konkurrenz zwischen den Behörden könne dafür kein Grund sein, die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz sei sehr gut gewesen.

Im Folgenden ging es um einen handschriftlichen Vermerk im Dossier des BfV, der schon Thema bei der Befragung von de la Chevallerie war. Der Hinweis, dass der Name eines Tatverdächtigen an das PP Köln weitergeleitet worden war, wurde handschriftlich kommentiert mit „Wessen Aufgabe ist das?“.

Möller sagte, dass er den Vermerk nicht verstehe und der Meinung, dass das Dossier auf jeden Fall hätte weitergegeben werden müssen. Es mache ihn sehr betroffen, dass dies in seiner Amtszeit passiert sei. Da sei etwas sehr falsch gelaufen und er frage sich, was er hinterlassen habe. E s habe sich ja nicht um einen Kollateralschaden gehandelt sondern um zehn Tote.

Zur Frage, ob es zu viele V-Leute in der rechtsextremistischen Szene gäbe, sagt Möller, diese seien das Eingemachte des Verfassungsschutzes. Nach dem Scheitern des NPD-Verbotes sei über die V-Leute diskutiert worden, dabei habe es eine Konkurrenz zwischen Bund und Ländern gegeben. Nach einer Untersuchung 2003/2004 habe es eine erhebliche Bereinigung gegeben. In NRW seien die V-Leute immer sehr klar geregelt gewesen. Es habe ein intensives Rechercheverfahren bei Neuanwerbungen gegeben. Die Geldleistungen seien nicht so hoch gewesen, dass Kameradschaften oder andere Organisationen sich damit hätten finanzieren können. Es sei nicht das Ziel gewesen rechtsextremistische Strukturen zu schaffen. Ein Ausschlusskriterium für die Anwerbung von V-Leuten sei die Affinität zu Waffen gewesen. Er habe darauf geachtet, dass V-Mann-Führer nicht zu lange tätig gewesen seien. Er halte eine Rotation in diesem Bereich für wichtig. Diese sei aber schwer durchzusetzen, da die Arbeit auf Vertrauen und langjährigen Beziehungen beruhe.

Auf die Frage, ob man auf V-Leute verzichten könne, antwortet Möller, man könne auch auf den Verfassungsschutz verzichten, das sehe er mittlerweile ganz locker. Man könne das auch anders organisieren. V-Leute seien aber aus seiner Sicht eine wichtige Informationsquelle. Es seien charakterlich schwierige Personen, die schwierig zu führen seien. Es gäbe aber viele Fälle, wo sie dem Staat viel Geld gespart hätten: So habe es gewaltbereite, für Dortmund angekündigte Demonstrationen gegeben, die aber für Kassel geplant waren. Die Information habe man von V-Leuten erhalten. Seiner Meinung nach sei der Sicherheitsgewinn durch V-Leute groß, das könne man aber auch anders sehen.

Dem Vermerk seiner Nachfolgerin Mathilde Koller, dass der Vorgang Keupstraße nicht dem heutigen Qualitätsanspruch entspräche, widerspricht Möller. Die Federführung habe bei der Polizei gelegen. Sie hätten alles getan, um die zu unterstützen. Die Polizei hätte sich zu früh auf Organisierte Kriminalität festgelegt. Sein Problem sei, dass er sich damit zufrieden gegeben hätte. Er habe oft nachgefragt, ob es andere Hinweise gäbe, das sei aber verneint worden.

Vorwürfe seitens der Polizei, Landes-und Bundesamt hätten nicht alle Informationen offengelegt, führt Möller auf die unterschiedlichen Arbeitsweisen von Polizei und Verfassungsschutz zurück. Es müsse aber durch Schulungen Trainings eine Mentalitätsveränderung herbeigeführt werden. Man müsse von der Abschottung wegkommen zu der Denke, welche Information für wen wichtig sei. Da habe es durchaus gehapert. Der Staatsschutz habe immer gedacht, ihm würden Informationen vorenthalten. Im Verfassungsschutz arbeiteten aber nur 300 Personen, das könne man nicht überstrapazieren.

Neben den wissenschaftlichen Mitarbeitern habe man auch mit Universitäten zusammengearbeitet, das könne aber verbessert werden. Mitarbeiter seien auch als Referenten und Zuhörer zu Konferenzen von Parteien geschickt worden und hätten sich mit Journalisten ausgetauscht. Die Personalknappheit sei aber ein Problem gewesen.

Die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ thematisierten erneut den Umgang mit dem Keupstraßen-Anschlag. Auf das Informationssystem NADIS habe auch der NRW-Verfassungsschutz seines Wissens Zugriff gegeben, so Möller- Er selber habe es nie benutzt und habe unterstellt, dass diese Erkenntnismöglichkeit von seinen Mitarbeitern ausgeschöpft worden sei. Er gehe davon aus, dass Broschüren wie der „Stormer“ und andere Unterlagen in Vorbereitung zu Konferenzen ausgewertet worden seien. Zu „Combat 18“ sei in NRW nichts bekannt gewesen, Das Forum combat18.org sei ihm nicht bekannt. Die Grünen-Abgeordnete Monika Düker hielt Möller daraufhin vor, dass sie nicht verstünde, warum der NRW-Verfassungsschutz seinerseits nicht eine Analyse wie die vom BfV vorgelegte durchführte. Zumindest die vom BfV durchgeführte NADIS-Abfrage nach gewaltbereiten Neonazis aus dem Raum Köln sei für Möllers Abteilung doch ohne großen Aufwand machbar gewesen.

Auf den Vorhalt, dass sich in den Aktenbeständen wenig Aktivitäten zum Komplex Keupstraße zu fänden, antwortete Möller, diese Akte sei ihm nicht bekannt, ein Sachbearbeiter eines anderen Sachgebietes sei dafür zuständig gewesen. Die Quellenbefragungen hätten keine Ergebnisse gebracht und er mache sich selber Vorwürfe, dass man sich auf Organisierte Kriminalität festgelegt habe Er habe immer wieder nachgefragt, ob es etwas Neues gäbe, die Polizei habe sich aber auf Organisierte Kriminalität festgelegt. Zum Verhältnis zwischen Polizei und Verfassungsschutz gab Möller an, die Polizei sei autark, ihr sei egal was der Verfassungsschutz mache. Sie sei so selbstbewusst, dass der Verfassungsschutz keine Rolle spiele.

Hintergrund der damals vorherrschenden Philosophie, durch V-Leute Einfluss auf die rechtsextremistische Szene nehmen zu können, sei vermutlich gewesen, die Szene zu dämpfen. Ob dies gelungen sei, sei eine hypothetische Frage. Er habe es als Chance gesehen, mäßigend auf die Szene einzuwirken. Das sei aber kein Handlungsschwerpunkt der V-leute gewesen.

Bezüglich eines Verbotes der „Kameradschaft Aachener Land“ und der „Kameradschaft Köln“ habe es immer geheißen, man könne die nicht verbieten. Zuständig seien dafür aber Polizei und der Innenminister gewesen. Bei jedem Verbotsverfahren gäbe es die Gefahr eines Rechtsstreites. Man müsse konkrete Strukturen und Programme vorfinden, daran habe es oft gefehlt. Die generelle Frage sei, ob ein Verbot etwas bewirke. Es bestünde immer die Gefahr, dass ein Teil der Aktivisten dann in den Untergrund ginge. Es könne sinnvoller sein nicht zu verbieten, wenn man durch Quellen direkt an der Gruppe sei. Ein Verbot sei zunächst eine politische Aktion, so Möller.

Seine Amtsphilosophie sei gewesen, die Abschottungsmentalität zu verändern. Er habe jedem ins Gewissen geredet, dass Informationen auch für andere wichtig sein könnten. Er habe eine Informationsgruppe eingerichtet. Warum das Schreiben des BfV bezüglich der Keupstraße trotzdem nicht an die Kölner Polizei weitergeleitet worden sei, könne er sich nicht erklären, da sei etwas falsch gelaufen. Möller verwies darauf, dass man bei Dienstbesprechungen nicht zwei Ebenen übersprungen werden könnten. Er wird darauf hingewiesen, dass das Dossier nicht auf der Referatsebene steckenblieb, sondern die zuständige Gruppenleiterin es nicht weitergeleitet habe. Bei den beiden GruppenleiterInnen handele es sich um die dem Zeugen direkt unterstellte Ebene.

Er habe von Anfang an dafür geworben, dass bei V-Mann-Führern eine Rotation stattfindet, damit diese nicht zu lange in dem Bereich arbeiteten. Die Gruppe der V-Mann-Führer habe sich aber hartnäckig dagegen gewehrt. Ein Grund dafür sei gewesen, dass ihnen dann Pensionszulagen gestrichen worden wären. Er hoffe aber, dass das mit dem heutigen Wissen mittlerweile anders gehandhabt würde.

Er gehe davon aus, dass durch die V-Leute Straftaten verhindert worden seien. Er selbst habe große Skepsis gehabt, aber auch die Vorteile gesehen. In einem Fall habe man durch die Informationen eines V-Mannes Rohrbomben entdeckt.

Möller wird ein Aktenvermerk vom 15.09.2003 vorgehalten, nach dem es besorgniserregende Waffenfunde bei den „Skinheads  Sächsische Schweiz“ (SSS)  gegeben habe und die Gefahr rechtsextremistischer Strukturen attestiert wurde. Verbindungen der SSS nach NRW habe es laut Möller nicht gegeben. Die Quellenbefragungen zur Keupstraße hätten auch keine Kontakte zu SSS ergeben. Es sei Aufgabe der Polizei und nicht  des Verfassungsschutzes gewesen, für die Minimierung von Waffenbesitz zu sorgen.

Zum Vorhalt, dass Michael Berger eine AK47 besessen habe, könne er lediglich sagen, dass die Person Berger dem Verfassungsschutz bekannt gewesen sei. Der Vorgang sei nur über die Polizei gelaufen. Sicher sei eine Anfrage gekommen, das habe sich aber weit unter seiner Ebene abgespielt. Dass die Szene sich bis heute auf Berger berufe und somit ein Thema für den VS sei, antwortete Möller, die Szene suche sich eben Ikonen. Ihm sei nicht klar, welche Schlüsse man daraus ziehen solle. Berger sei dann ja tot gewesen.

Der VS habe die Möglichkeit abzuwägen, welche Straftaten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben würden. Dies sei ein langer Streit gewesen. Sie hätten dazu eine enge Auslegung gehabt. Bei Waffenbesitz und Gewalttaten sei die Grenze überschritten, Betäubungsmittel seien ein Grenzfall, wenn nicht in großem Stil gehandelt würde. Da seien aber keine Fälle bekannt.
In der Informationsgruppe Rechte Gewalt seien seien Justiz, Polizei und Verfassungsschutz eingebunden gewesen. Es seien die Themen Aussteiger, Kameradschaften und Hooligans behandelt worden und das Thema Strafvollzug, zu dem wenig bekannt gewesen sei. Es sei um rechtsextremistischen Terror und Gewalttaten gegangen. Das LKA war bei den Treffen anwesend, eine Zusammenarbeit mit dem BfV habe es aber nicht gegeben. Man habe keine Akten vom BfV bekommen.

Wer am Tatabend des Anschlages in der Keupstraße die Streichung des Begriffs „terroristischer Anschlag“ aus dem Schriftverkehr veranlasst habe, wisse er nicht. Es habe die Vermutung gegeben, dass es eine ministerielle Anweisung gewesen sei. Er habe mit dem Innenminister Behrens gesprochen, der das verneint habe. Er glaube, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme gehandelt habe. Dabei sei es seiner Meinung aber nur um einen rein verwaltungstechnischen Vorgang zur Erweiterung der Ermittlungen gegangen. Er vermute, dass sich das auf unterster polizeilicher Ebene abgespielt habe.

Er selbst habe die Keupstraße nicht gekannt. Im Umkreis der türkischen Gemeinde habe es V-Leute gegeben. Man habe diese befragt, was aber zu keinen Ergebnissen geführt habe. Man habe dann zu schnell die Deutung der Polizei akzeptiert, weshalb nicht weiter in andere Richtungen ermittelt worden sei. Auch im Mordfall Kubasik seien Quellen befragt worden, ebenfalls ohne Ergebnis.

Möller wurde vorgehalten, dass die Einschätzung nicht nachvollziehbar sei, in Dortmund habe es keine C18-Strukturen gegeben, obwohl es eine entsprechende Militanz, Konzepte, Waffen- und Sprengstoffbesitz bekannt gewesen seien. Möller antwortete, es habe keine Gruppenstruktur gegeben, keinen erkennbaren Plan und keine öffentlichen Äußerungen diesbezüglich. Aktivitäten seien eher zufällig gewesen.

Dem Zeugen wurde vorgehalten, „Oidoxie“ und „Weisse Wölfen“ hätten Liedtexte mit Bezug auf C18 gehabt, und es habe die Aussage des Sebastian Seemann gegeben, dass in Dortmund nach dem Vorbild der Turner Tagebücher eine sieben Personen umfassende Zelle aufgebaut werden sollte.

Diese Gruppe sei nicht realisiert worden, so Möller, für ihn habe es die nicht gegeben. Zudem habe es keine Satzung gegeben, es hätte also keine Struktur gegeben. Dortmund und vor allem Lünen seien Schwerpunkte der Neonazis gewesen. Es habe enge Verbindungen nach Belgien und die Niederlande gegeben, aber der Sprung zu einer terroristischen Zelle sei nicht nachvollziehbar gewesen.  Über die Auftritte Dortmunder Gruppen in Belgien sei man informiert gewesen, auch über das Verfahren gegen die Gruppe „Blut, Boden, Ehre Treue“ (BBET) in Belgien.

Ob die Anwesenheit eines Verfassungsschützers bei dem Mord in Kassel Thema bei Sitzungen der Amtsleiter gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Er könne sich nicht mehr erinnern, ob er das aus Zeitungen oder auf dienstlichem Weg erfahren habe. Er sei aber sicher, dass Verbindungen zwischen Dortmund und Kassel vom Auswertungsreferat geprüft worden seien. Anlässlich des Mordes an Mehmet Kubasik in Dortmund habe er ebenfalls eine Quellebefragung veranlasst, weil in der WE-Meldung der Tat über ein türkisches Opfer berichtet worden sei – erneut hätten bei den V-Leuten aber keine Erkenntnisse vorgelegen. Diese Quellenbefragung sei mündlich durchgeführt worden. Dass es bereits 2005 eine Abfrage zur Ceska-Serie auf Anregung der BAO Bosporus gegeben hatte, war dem Zeugen Möller nicht bekannt.

Noch einmal befragt zu den V-Leuten gestand Möller ein, dass V-Leute bei den Kameradschaften auch noch nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren Führungspositionen inne gehabt hätten. Der ein oder andere V-Mann habe Einfluss auf die Kameradschaften gehabt. Möller betonte, dass es stets eine „klare Trennung“ zwischen Aussteigern und V-Leuten beim NRW-Verfassungsschutz gegeben habe.

Zum Ende seiner Vernehmung berichte Möller noch einmal selbstbewusst, dass es sich beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz um „das beste Landesamt in der Bundesrepublik“ gehandelt habe.

Fazit/Kommentar: Die Befragung des ehemaligen Leiters des Verfassungsschutzes NRW hat wenig Neues zu Tage befördert. Möller blieb bei seiner bereits aus dem Bundestag-PUA bekannten Verteidigungsstrategie. Die Abgeordneten fragten oftmals sehr allgemeine Dinge wie beispielsweise der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der Wissenschaft, anstatt den Zeugen stärker mit Erkenntnissen aus den vorangegangenen Sitzungen oder bohrenden Fragen nach der V-Mann-Praxis in NRW zu konfrontieren.

Möller präsentierte sich als jemand, der auf Zusammenarbeit mit anderen Behörden gesetzt habe und immer wieder versucht habe, der Abschottungsmentalität in seiner Behörde entgegen zu wirken. Er konnte allerdings nicht erklären, warum trotzdem bereits die ihm direkt untergebene Ebene seiner Abteilung, in Person der Gruppenleiterin Cornelia de la Chevallerie, das entscheidende Dokument zur Keupstraße nicht an die Kölner Polizei weiterreichte.

Sehr widersprüchlich scheinen auch seine Aussagen zu den nicht angestrengten Verboten der „Kameradschaft Aachener Land“ und der „Kameradschaft Köln“. Bei der „Kameradschaft Köln“ bzw. dem personell eng mit ihm verbundenen „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) gab es inhaltlich und vom Auftreten einen offenen Bezug auf den Nationalsozialismus. Zudem waren dort organisatorische Strukturen deutlich sichtbar. Ein Verbot wurde dennoch nicht vollzogen. Aus der Sitzung mit dem früheren Referatsleiter der Auswertung Hans-Peter Lüngen ist bekannt, dass der NRW-Verfassungsschutz 1998/1999 sich gegen ein von der Polizei angestrebtes Verbot der „Kameradschaft Köln“ ausgesprochen hatte. Dies war allerdings vor bzw. zu Anfang der Amtszeit von Möller. Die Vermutung liegt nahe, dass der Verfassungsschutz sich gegen Verbote von Neonazi-Gruppen aussprach, um die dort platzierten V-Leute zu schützen. Zudem vertrat auch Möller die Ansicht, dass V-Leute die Neonazi-Szene  „mäßigten“.

Unglaubwürdig erscheint Möllers Angabe, die Grenze für die Zusammenarbeit mit V-Leuten sei eine Affinität zu Waffen und der Handel mit Drogen in großem Stil gewesen. Zu dem V-Mann Sebastian Seemann verlor Möller dabei kein Wort. Die Zusammenarbeit mit Seemann seitens des NRW-Verfassungsschutz lässt die Aussage Möllers als unwahr erscheinen. Waffenbesitz und Drogenhandel waren in diesem Fall kein Hintergrundsgrund für die Zusammenarbeit. Leider wurde Möller von den Abgeordneten nicht mit diesem Widerspruch konfrontiert.

Wie auch schon bei vorherigen Befragungen von VS-MitarbeiterInnen bleibt die vorgetragene Einschätzung der Dortmunder Szene völlig unverständlich. Trotz genauer Beobachtung und zahlloser Hinweise will auch Möller dort keine konkreten „Combat 18“-Bezüge gesehen haben, zumindest habe der Verfassungsschutz damals keine Zelle oder strukturierte Gruppe gesehen. Das von Möller vorgebrachte Argument für die Nicht-Existenz einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund war abenteuerlich: Es habe schließlich keine Satzung vorgelegen. Dass sich terroristische Zellen, die nach dem Konzept des „leaderless resistance“ agieren, eine Satzung geben, widerspricht dem Konzept und der empirischen Erfahrung.

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