Sitzung vom 25. Mai 2016 – Zusammenfassung

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Geladen waren in der 37. Sitzung des PUA zwei (ehemalige) Polizisten, die zu den Ermittlungen zum Bombenanschlag in der Keupstaße und den Morden des Michael Berger Auskunft geben sollten.

  • Markus Weber, Polizei Köln, Ermittlungsleiter Keupstraße
  • Heribert Volker Seck, Polizei Dortmund, UA Staatsschutz

Vernehmung Markus Weber

folgt…

Vernehmung Heribert Volker Seck

Als zweiter Zeuge erschien der pensionierte Polizeibeamte Heribert Volker Seck (66 Jahr) im Zeugenstand. Er war geladen, um vor dem Ausschuss über die Einbindung des Dortmunder Staatsschutzes in die Ermittlungen zu den Morden des Neonazis Michael Berger im Jahr 2000 zu berichten. Seck war nachgeladen worden, weil die Befragung seines Vorgesetzten Georg Anders im April keinerlei Informationen zu Tage gefördert hatte. Anders hatte behauptet, so gut wie gar keine Erinnerungen an seine Arbeit im Zusammenhang mit Michael Berger zu haben. Durch seine Verweigerungshaltung hatte der ehemalige Staatsschützer die Abgeordneten gegen sich auf aufgebracht: Der PUA-Vorsitzenden Sven Wolf belehrte Anders, dass er zumindest versuchen müsse sich zu erinnern. Schließlich drohte Wolf sogar erstmals mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes. Dies blieb ohne Wirkung auf den Zeugen – er gab weiterhin vor sich nicht zu erinnern.

Während Anders zum Zeitpunkt der Berger-Morde das für den Rechtsextremismus zuständige Kriminalkommissariat leitete, war der Zeuge Heribert Seck dessen Stellvertreter. Seck führte zu Anfang seiner Vernehmung aus, dass er seit Beginn der 1990er Jahre im Staatsschutz in den Bereichen Ausländerextremismus und Linksextremismus tätig war. Nach einer kurzen Zwischenstation in einem anderen Polizeibereich sei er ungefähr 1998 wieder zurück zum Staatsschutz Dortmund gekommen und sei dort bis zu seiner Pensionierung mit Rechtsextremismus befasst gewesen.

Seck betonte zu Beginn, dass er vor allem präventiv tätig gewesen sei und rund 300 Vorträge für MultiplikatorInnen zum Thema gehalten habe. Auf eine der ersten Fragen des Vorsitzenden („War Berger dem Staatsschutz vor der Tat bekannt?“) antwortete Seck, dass aus seiner Sicht der Staatsschutz nur eine „sachbearbeitende Dienststelle“ gewesen sei. Operative Maßnahmen zur Aufhellung der Szene würden in den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes fallen. Berger sei ihm zuvor nicht bekannt gewesen, man habe in den Kriminalakten nichts gefunden. Im Verlauf der Vernehmung wiederholte Seck seine Sicht auf den Aufgabenbereich des Staatsschutz und sagte schließlich: „Wir bearbeiten Straftaten vom Schreibtisch aus“. Seck vertrat vehement die Auffassung, dass eine Abklärung von Bergers Einbindung in die Neonazi-Szene Aufgabe des Verfassungsschutzes gewesen sei – und nicht des Staatsschutzes. Dem Staatsschutz habe man auch Informationen geliefert, aber von dieser Stelle sei seiner Erinnerung nach nichts gekommen. So konnte oder wollte Seck zu vielen Fragen der Abgeordneten nichts Genaues sagen.

Die Kernaussage des Zeugen Seck über die Ermittlungen zu Michael Bergers war, dass der Staatsschutz nur am Rande, im Wesentlichen bei einer Durchsuchung der Wohnung Bergers, involviert gewesen sei. Das Ermittlungsverfahren sei aber von einer Mordkommission des Fachgebiets Tötungsdelikte verantwortet worden. Auch für Ermittlungen zu den zahlreichen bei Berger aufgefundenen Waffen sei der Staatsschutz nicht verantwortlich gewesen.

Der Leiter der Mordkommission, Michal Schenk, hatte hingegen am 7. April 2016 ausgesagt, dass er davon ausgegangen sei, dass der Staatsschutz die Ermittlungen zum Neonazi-Hintergrund von Berger übernommen habe. Auf Fragen zur Szeneeinbindung Bergers und weitergehende Ermittlungen in Richtung Neonazis hatte Schenk stets geantwortet, er habe in diesem Bereich keine Ermittlungen durchgeführt, dies sei schließlich Aufgabe des Staatsschutzes gewesen. Den Aussagen des Zeugen Seck zu Folge, habe aber auch der Polizeiliche Staatsschutz diese Ermittlungen nicht durchgeführt.

Auf die Frage, ob man versucht habe herauszufinden, welches Motiv den Taten Bergers zu Grunde gelegen habe, antwortete Seck, dass er nicht mehr im Einzelnen wisse, was da gemacht worden sei. Aber es habe sich heraus gestellt, dass Berger depressiv und die Tat eher so eine Amokfahrt gewesen sei. Seck führte aus, dass nicht nur er keine politische Motivation gesehen habe, sondern auch andere „Stellen“ diese Ansicht teilten. Kurz vor seiner Pensionierung habe noch einmal der Leitende Staatsanwalt ausgeführt, dass eine politische Motivation für die Morde Bergers nicht tatursächlich gewesen sei. Die Mordkommission habe ermittelt, da habe sich ihm die Frage, ob die Tat politisch motiviert sei, nicht gestellt, so Seck.

Seck berichtete, dass er zur Wohnungsdurchsuchung hinzugezogen worden sei, weil unter anderem DVU- und NPD-Mitgliedsausweise bei Berger gefunden worden seien. Die Nazi-Devotionalien Bergers hätten in eine Tüte gepasst und seien von ihm nicht als strafrechtlich relevant bewertet worden, weil das Kriterium der Öffentlichkeit nicht erfüllt gewesen sei. Befragt, ob die aufgefundenen Materialien Anlass für Ermittlungen zum politischen Hintergrund gewesen seien, verneinte Seck dies.

Mit den bei Berger aufgefundenen Nazi-Devotionalien konfrontiert, antwortete Seck, dass nur eine Hakenkreuzfahne im Zimmer und ein Hitlerbild im Portemonnee noch nicht für eine politisch motiviert Tat sprechen würden. Der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas fragte daraufhin polemisch, ob er diese Einschätzung auch bei einer aufgefundenen RAF-Fahne und einen Bild von Andreas Baader abgegeben hätte. Daraufhin betonte Seck erneut, dass auch andere Stellen keine politische Motivation gesehen hätten.

Befragt zu einem bei Berger aufgefundenen Foto, dass den Täter und weitere Neonazis beim Zeigen des Hitlergrußes darstellt, antwortete Seck, er wisse nicht mehr genau, was das für ein Foto gewesen sei. „Aber was heißt das? Vielleicht war das Foto im Ausland gemacht“, so Seck. Ob sie versucht hätten, die anderen Personen auf dem Foto zu identifizieren? Nein, daran könne er sich nicht erinnern, so Seck. Ob Sie nach weiteren in der Neonazi-Szene kursierenden Waffen gesucht hätten? Die Waffen habe man beim Staatsschutz nicht bearbeitet, so Seck.

Die Kontakte Bergers zur „Kameradschaft Dortmund“ und zur „Lippefront“ will der Staatsschutz laut Seck ebenfalls nicht überprüft haben. Er frage sich, wie der Staatsschutz diese Verbindungen überhaupt hätte herausfinden sollen, schließlich gäbe es ja keine Mitgliedslisten der Kameradschaften. Die Kameradschaften seien damals auch noch „strukturlos“ gewesen. Die von der Kameradschaft Dortmund verteilten Aufkleber „3:1 für Deutschland. Berger war ein Teil von uns“ habe er als Prüffall an die Staatsanwaltschaft gegeben. Die Staatsanwaltschaft sollte die strafrechtliche Relevanz der Aufkleber bewerten. Was aus dem Verfahren wurde, wisse er nicht mehr, so Seck. Auch diese Aufkleber waren nicht Anlass, um über die Verbindungen Bergers zur Neonazi-Szene nachzudenken.

In den weiteren Antworten Secks auf Fragen und Vorhalte der Abgeordneten wurde deutlich, dass der Staatsschutz die Mordtaten Bergers weder zum Anlass nahm in der Neonazi-Szene zu ermitteln noch die Taten -anders als ein damals erschienener Bericht im Magazin „Der Spiegel“ suggeriert – in den Kontext eines möglicherweise entstehenden rechten Terrors stellte. Seck verneinte in Richtung rechter Terror ermittelt zu haben.

Seck wurde ein von ihm verfasster Bericht über die rechtsextreme Szene in Dortmund und Hamm vorgehalten, in dem er geschrieben hatte: „Es gibt keinen Rechtsterrorismus“. Dies habe der Verfassungsschutz schließlich immer in seine Berichte geschrieben, antwortete Seck auf die Frage, auf welcher Basis er diese Aussage getroffen habe.

Befragt, wie er 2011 nach der Aufdeckung des NSU in die BAO Trio eingebunden war, antwortete Seck, da sei er eigentlich schon mit seiner baldigen Pensionierung beschäftigt gewesen. Man habe wohl darauf gewartet, was von Seiten des BKA komme.

Zuletzt wurde der Zeuge Seck von Verena Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen) mit einem Fax der Polizei Frankfurt/Oder an Toni S. konfrontiert. Dort werde Toni S. aufgefordert, mit Herrn Seck von der Polizei Dortmund Kontakt aufzunehmen. Dann sei handschriftlich vermerkt worden, dass der Staatsschutz eine Todesnachricht überbracht habe. [Anm.: Der Zeuge Toni S. berichtete vor dem PUA, der Dortmunder Staatsschutz habe ihm 2003 aufgesucht, um ihm mitzuteilen, dass seine Mutter verstorben sei.] Seck blockte diese Frage ab: Daran könne er sich nicht erinnern, Toni S. kenne er nicht.

Fazit: Nach der Vernehmung des Staatsschützers Heribert Seck hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Dortmunder Polizei den politischen Hintergrund des Michael Berger nicht ermittelte, obwohl es zahlreiche Anknüpfungspunkte gegeben hatte. So fanden sich nicht nur Mitgliedsausweise und Nazi-Devotionalien bei dem dreiffachen Polizistenmörder. Die Abgeordneten hatten in den vorangegangenen Sitzungen die Kontakte Bergers zur „Kameradschaft Dortmund“ und zu einer Neonazi-Clique namens „Lippefront“ herausgestellt. In den damaligen Ermittlungsakten tauchten zahlreiche organisierte Neonazis auf, die von Bergers Waffenbesitz wussten. Auch Schießübungen Bergers mit dem damals in der Neonazi-Szene aktiven Sebastian Seemann sind aktenkundig gewesen. Umso verwunderlicher ist es, dass der eigentlich zuständige Staatsschutz offenbar keinerlei Interesse an Berger hatte – und auch keinen Anlass sah, seine Gefahrenprognose hinsichtlich der Dortmunder Neonazi-Szene zu überdenken. Obwohl sich Seck nicht so wortkarg äußerte wie sein Vorgesetzter Georg Anders, auch er verwies immer wieder auf Erinnerungslücken.

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